Der Wels aus Werder: Angler fängt Zwei-Meter-Fisch in der Havel
Leo Wirnshofer packt die Angel ein, wirft seinen Köder auf der Havel aus. Und dann beißt plötzlich ein Fisch zu. Der war so groß, dass er kaum ins Boot passte.
Die Ausrüstung, mit der sich Leo Wirnshofer zum Angeln nach Werder aufgemacht hatte, ist an sich für kleine Raubfische gedacht: eine Baitcast-Rute, 1,90 Meter lang, mit einem leichten, künstlichen Hartplastikköder, einem Wobbler. Die Angelschnur trägt bis zu neun Kilogramm, normalerweise hängen Hechte, Zander, Barsche, Rapfen an ihrem Ende.
Am Samstagabend war es ein 1,95 Meter langer Wels, fünfmal schwerer, als die Angelsehne schafft. „Gutes Material, hat gehalten“, sagt Leo Wirnshofer. Mit robuster Angelausrüstung kennt er sich aus: Der 26-Jährige leitet seit fünf Jahren den Anglermarkt „Angeljoe“ in Potsdam.
Nach der Lehre zum Einzelhandelskaufmann hat Leo Wirnshofer sein Hobby zum Beruf gemacht. Wenigstens zweimal die Woche sei er in Ostsee, Spree, Oder oder anderen Gewässern zum Angeln unterwegs. Sein Lieblingsrevier ist allerdings die heimatliche Havel. Nach Angaben des Instituts für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow sind 40 Prozent der Seen in Brandenburg vom Wels besiedelt. Vor zehn Jahren sei der Wert halb so hoch gewesen. Wirnshofer hört in seinem Angelladen etwa alle halbe Jahre von gefangenen Welsen, die zwei Meter lang sind. Man benötige festes Material, große Rollen, 60-Kilo-Schnüre und große Haken. Seinen Fang nennt Wirnshofer im Nachhinein einen Zufall. Dass das Material gehalten hat: „Glück“.
Als er auf der Golmer Seite im dort kaum anderthalb Meter tiefen Großen Zernsee das Gewicht an der Angel spürte, lichtete seine Freundin erst mal den Anker. „Man zieht sich in so einem Fall mit der Rute in Richtung Fisch.“ Leo Wirnshofer drillte die Beute etwa anderthalb Stunden lang und legte dabei zwei Kilometer zurück. Dann zog er das zappelnde Exemplar auf den Kahn. An sich tummeln sich Welse, die in ihrer Lebenszeit von bis zu 80 Jahren drei Meter lang werden können, in der Nähe der Gewässergründe.
Welse wurden zu DDR-Zeiten in Brandenburg ausgesetzt
Werders Fischer Alexander Mai kann sich vorstellen, dass der Wels in diesem Fall zum Laichen in flacherem Wasser unterwegs gewesen war. Häufig würden Welse auch in der Wublitz unter schwimmenden Schilfinseln laichen. Zu DDR-Zeiten und nach der Wende waren sie in Brandenburger Gewässern ausgesetzt worden. Feinschmecker schätzen das weiße, etwas fettige und weitgehend grätenfreie Fleisch. Wirnshofers Fang sprach sich in der Szene herum, schließlich hatten sie vor einigen Tagen erst diese kuriose Geschichte aus dem Flughafensee in Berlin gehört.
Dort soll ein Badegast nach eigenen Angaben von einem Wels attackiert worden sein. Womöglich sei der Schwimmer in einem Laichgebiet unterwegs gewesen, wo Welse angeblich auch mal aggressiv auf ungebetene Gäste reagieren sollen, wie es hieß. Tatsächlich saugen sie mit ihrem Maul Fische ein, gelegentlich auch Enten, Wasserratten und Otter. Immer wieder gibt es Berichte von Hunden, die in Welsgewässern unter der Wasseroberfläche verschwinden. Der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, hält Hunde als Welsbeute nicht für ausgeschlossen.
"Vielleicht hat er nur am Fuß gelutscht"
„Irgendwoher muss die Größe ja kommen.“ Wissenschaftlich nachgewiesen sei, das Welse ausgewachsene Stockenten und kleine Schwäne in ihr riesiges Maul einsaugen. Doch selbst große Welse würden nie einen Menschen unter Wasser ziehen, versichert der Zoologe. „Das ist Unsinn.“ Denkbar sei immerhin, dass der Wels auf der Nahrungssuche mal am Zeh oder Fuß lutscht – und ihn wieder ausspuckt. Freude: „Welse sind wie Menschen: von Natur aus faul und wollen leichte Beute.“