Mahnwache vor dem Auswärtigen Amt: Angehörige von Dschihadisten fordern Rückholung der Enkelkinder
Vor dem Auswärtigen Amt demonstrierten am Montag Angehörige deutscher IS-Kämpfer. Sie fordern eine Rückkehr der Frauen und Kinder der deutschen Islamisten.
Auf der schwarzen Lederjacke von Intessar Aataba perlen sich Regentropfen, während Tränen über ihre Wangen laufen. Zehn Minuten hat sie nur erzählt, intensiv, engagiert, konzentriert, aufgewühlt auch, ja, aber immer noch beherrscht. Doch dann bricht ihre Stimme, Tränen schießen in ihre Augen. „Wir wollen doch nur die Kinder“, ruft sie, „nur die Kinder. Nicht die Frauen.“ Es ist die Botschaft der gesamten Gruppe.
Rund 30 Angehörige von IS-Mitgliedern aus Deutschland stehen hier am Montag, Eltern, Brüder, Schwester, sie halten Transparente, auf denen steht: „Handelt heute“ oder: „Unschuldige deutsche Kinder sterben, und der Staat schaut zu“. So sehen das die Demonstranten. Der Staat ist ein paar Meter weiter durch einen Betonklotz mit bodenlangen Glasscheiben vertreten. Da sitzt das Auswärtige Amt und verweigert Hilfe.
Und natürlich wollen die Menschen hier nicht bloß ihre Enkel, Nichten oder Neffen zurück. Sie wollen auch die Mütter dieser meist kleinen Kinder wieder in Deutschland haben. Mütter und Kinder leben in Syrien, im „Camp Rouge“, einem Lager der Kurden, in dem hunderte IS-Anhänger festgesetzt sind.
Sie wollen nur eins: Kinder und Mütter sollen zurück nach Deutschland
In diesem Lager lebt auch die Schwiegertochter der gebürtigen Syrerin Intessar Aataba. Die 21-jährige Schwiegertochter hat zwei Kinder, ein und drei Jahre alt, der Vater ist tot, gestorben als IS-Kämpfer. Der Vater war auch der Sohn von Intessar Aataba. „Übers Internet und in einer Moschee in Hamburg hat er sich in drei Monaten radikalisiert“, erzählt seine Mutter. Sie hatte der Polizei diese Wandlung mitgeteilt, es nützte nichts, der Sohn reiste nach Syrien, gerade 18 Jahre alt. 2017 kam er ums Leben. In Syrien hat er seine spätere Frau kennengelernt.
Intessar Aataba holt ein Handy aus ihrer Tasche, sie zeigt ein Video mit ihrem dreijährigen Enkel Jusef, in dem er in die Kamera lächelt. Aber seine Blicke sagen genug aus, sie lassen sein Leid erahnen. Seine Großmutter war im Camp, für einen kurzen Besuch, sie ist die Hauptinitiatorin dieser Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt. In der sogenannten „Hyatt-Gruppe“, die in Berlin sitzt, sind Angehörige von IS-Mitgliedern aus ganz Deutschland zusammengeschlossen.
Sie wollen nur eins: Kinder und Mütter sollen zurück nach Deutschland. Im Camp gebe es zu wenig medizinische Hilfe, zu wenig Essen, keine Kita, keine Schule.
Emotionen statt Rechtsparagraphen
„Die deutsche Regierung gibt den Kurden Waffen und Geld“, sagt Intessar Atatabe. „Warum hilft sie jetzt nicht?, die Kurden wollen die Deutschen doch loswerden.“ Weil die Bundesregierung die kurdische Autonomieverwaltung in Nordsyrien nicht anerkennt, deshalb. Rechtshilfeersuchen sind nicht möglich.
Aber Frauen wie die gebürtige Afghanin Anaya Azimi interessieren nicht Paragraphen, sondern Emotionen. Ihre Schwester ist im „Camp Rouge“, mit zwei kleinen Kindern. Nach ihren Angaben sei die Schwester aus der Türkei nach Syrien verschleppt worden. Vermutlich, weil ihr Bruder bereits beim IS gewesen sei. Die Kinder haben zwei verschiedene Väter, über deren Schicksal weiß die Mutter von Anaya Azimi nichts. Die Mutter ist mit ihrem Mann auch gekommen.
Anaya Azimi hat ab und zu Kontakt zu ihrer Schwester, die einen deutschen Pass besitzt. „Es geht ihr gut“, sagt sie. Den Umständen entsprechend, heißt das. „Aber natürlich macht man sich Sorgen.“ Es gibt Berichte, dass bei einem Zeltbrand im Camp Menschen ums Leben kamen. „Ich habe Hoffnung“, sagt Anaya Azimi. „Ich verlasse mich auf Deutschland. Deutschland will allen Menschen helfen.“