Berliner Verwaltung: Angebot und Anreiz für die Berliner Bezirke
Berlins Regierender will sein Eingriffsrecht in Bezirksbefugnisse ausbauen. Mit den selbstbewussten Bezirken gut zusammenzuarbeiten und dafür Anreize zu schaffen wäre der bessere Weg. Ein Kommentar.
Sie sind Zwerge, die zwölf Berliner Bezirke, verwaltungsmäßig jedenfalls: „Selbstverwaltungseinheit ohne Rechtspersönlichkeit“, wie es im Gesetz heißt. Zugleich sind sie Riesen, jeder für sich eine Großstadt mit teilweise mehr als 400 000 Einwohnern, und sie haben durchaus breite Schultern, um sich der Landesregierung zu widersetzen.
Es hat sich viel Frust angesammelt. Senat und Bezirke machen sich regelmäßig gegenseitig für das verantwortlich, was nicht funktioniert – ob Standesämter, Schulsanierung, Unterhaltszahlungen oder die Ordnungsämter. Oft bleibt unklar, wer wirklich für die Missstände verantwortlich ist.
Das stürmische Wachstum Berlins zeigt deutlich, dass die zweistufige Verwaltungsarchitektur der neuen Zeit nicht gewachsen ist. Sie ist zu langsam, zu schwerfällig, zu uneinheitlich. Es braucht eine neue Aufgabengemeinschaft. Das Eingriffsrecht des Senats, das der Regierende Bürgermeister Michael Müller forderte, ist Ausdruck einer gewachsenen Unzufriedenheit. Eine Lösung ist es nicht.
Es ist eine historische Ironie, dass die Landesregierung auf das Eingriffsrecht erst um die Jahrtausendwende verzichtet hat. Nur so stimmten die Lokalpolitiker der Reform zu, die aus 23 Bezirken mit Bürgermeistern, Verwaltungen und Bezirksverordnetenversammlungen die jetzigen zwölf Groß-Bezirke machte. Alle Hoffnung auf eine moderne Verwaltung aber wurde hinfällig, als Berlin nach 2001 massiv Personal abbaute, um den finanziellen Kollaps der Stadt zu verhindern. Während Landesbehörden nur knapp zehn Prozent ihrer Beschäftigten verloren, waren es in den Bezirken fast 60 Prozent. Über die Jahre wurden den Bezirken zudem immer neue Aufgaben aufgebürdet. Entsprechend bigott ist es, wenn der Senat so tut, als wären unfähige Bezirksbehörden am Umsetzungsstau schuld. Oft genug haben die Bezirke den Senat jahrelang um Hilfe gebeten, etwa bei den Bürgerämtern oder den maroden Schulen, ohne dass etwas passierte. Dass es in Berlin etwa mit dem Wohnungsbau nicht recht vorangeht, liegt mehr an der bremsenden Bausenatorin Katrin Lompscher als an unwilligen Bezirken.
Der Zeitpunkt, über pragmatische Lösungen zu sprechen, ist günstig
Voran geht es nur, wenn Senat und Bezirke die gegenseitigen Vorwürfe einstellen. Dann kann analysiert werden, was besser und effektiver werden muss, ohne bei den Bezirken Ängste auszulösen, der Senat möchte im Generaldurchgriff regieren. Der Hinweis auf Hamburg, wo die Bezirke weitgehend reine, mit Exekutivaufgaben betreute Verwaltungseinheiten sind, hilft kaum weiter. Berlin hat eine andere Geschichte. Eine Stadt mit bald vier Millionen Menschen muss bezirkliche Vielfalt und Verantwortung berücksichtigen. Zugleich aber muss der Verwaltungsaufbau flexibel genug sein, um neuen Herausforderungen angepasst zu werden.
Der Zeitpunkt, über pragmatische Lösungen zu sprechen, ist günstig. Weil Berlin wieder in Personal investieren kann, ein einheitliches IT-Netz aufbauen will oder auf bezirklicher Ebene eine bürgernahe Dienstleistungsstruktur, sind Konflikte leichter zu lösen als in Zeiten des Mangels. Außerdem gibt es nun eine neue Generation von selbstbewussten und initiativen Bezirksbürgermeistern – vom Spandauer Helmut Kleebank (SPD) über Frank Balzer (CDU) in Reinickendorf oder Franziska Giffey (SPD) in Neukölln. Das Gespräch mit dem Rat der Bürgermeister ist sinnvoller, als die Forderung eines Eingriffsrechts wie eine Kampfansage zu platzieren. Schließlich ist es schon jetzt möglich, dass der Senat Projekte mit gesamtstädtischer Bedeutung an sich zieht.
Erfolgreicher könnte sein, den Bezirken Angebote zu machen oder neue Anreize zu schaffen. Die Schulbau-Offensive, die den Bezirken die Entscheidung überlässt, ob sie selber die Gebäude sanieren wollen oder das mangels eigenem Personal und Kompetenz der Senatsebene überlassen möchten, ist ein guter Ansatz. Gestärkt werden könnte auch das finanzielle Interesse der Bezirke, die ihren eigenen Haushalt aufstellen. Das Interesse der Bezirke, Unternehmen anzusiedeln, steigt etwa, wenn sie einen Anteil an den Einnahmen durch die Gewerbesteuer erhalten. Alles ist jedenfalls besser als ein Kulturkampf von oben oder die Annahme, per Verfassungsänderung den großen Wurf erzwingen zu können. Vor einer großen Verfassungsänderung ist zu warnen, weil die davor gehörende Debatte dazu führt, das abgewartet wird, wie das Ringen ausgeht. In den Verwaltungen würden dann jahrelang keinerlei Reformen angepackt. Nichts kann Berlin weniger gebrauchen als solch einen Stillstand.
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