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Von Berlin nach London: Die Pressesprecherin Sara Lühmann macht ihr Praktikum in der britischen Metropole.
© Photocreo Bednarek

Berliner Behörden: Andere Ämter, andere Sitten

Behördenmitarbeiter sollen bei Praktika in Partnerverwaltungen neue Erfahrungen sammeln und ihre „Europakompetenz“ stärken.

„Eine Bezirksverwaltung ist verstaubt, bürokratisch, unflexibel und es wird ausschließlich deutsch gesprochen!?“, so der erste Satz der Broschüre des Austauschprogramms „LoGo Europe“. Ein „Praktikum“ im europäischen Ausland soll Abhilfe schaffen und die Mitarbeiter der Berliner Bezirksämter fitter machen in Sachen „Europakompetenz“. Ob Berlins Rathäuser so moderner und interkultureller werden?

Seit 13 Jahren gibt es „LoGo Europe“, jährlich werden „zwischen 20 und 30 Mitarbeiter_innen zu vierwöchigen Hospitationen entsandt“, erklärt die EU-Beauftragte Mirka Schuster, die den Austausch bezirksübergreifend koordiniert. Bis 2015 konnte der Austausch über das EU-Aktionsprogramm Leonardo da Vinci finanziert werden, die Förderung galt bis dahin auch für berufstätige Personen. Seit drei Jahren fördert der Berliner Senat das Projekt „analog der neuen Erasmus Plus-Förderung selbst“.

2018 hospitieren 31 Angestellte in 21 verschiedenen Orten – das sind zehn mehr als im vergangenen Jahr. Aktuell verbringen acht Mitarbeiter vier Wochen in den Partnerverwaltungen von Ballerup (Dänemark), Barcelona, Bozen, London, Marrakesch, Marseille, Stockholm und Wien.

Von Kreuzberg nach Fulham

Eine Hospitantin ist Sara Lühmann, sie arbeitet als Pressesprecherin im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Als sie Anfang des Jahres die Programminfos in ihrem Postfach fand, war sie gleich „Feuer und Flamme“. Ihr Freund unterstützt sie und kümmert sich vier Wochen lang um das Kind.

Ihre Wahl fiel auf Großbritannien. „Es war nicht einfach, einen Bezirk zu finden, der bereit war, mich aufzunehmen. Ich habe viele Mails geschrieben“, berichtet sie. Auch die Zimmersuche war schwierig: Vom 1500 Euro Stipendium zahlt die Pressesprecherin zwei Drittel für ein Neun-Quadratmeter-Zimmer.

Bei Angela Scherer, die gerade in einem Jugendzentrum in Barcelona hospitiert, war die Planung unkomplizierter: „Am nächsten Tag hatte ich bereits eine E-Mail vom Leiter des Zentrums.“ Wohnen kann sie in einer WG bei Freunden.

Ähnlicher Bezirk, andere Stadt

Lühmann wollte aber auch nicht in irgendeinem Londoner Bezirk arbeiten, denn sie erhofft sich, für den Alltag in der Berliner Pressestelle „eine Menge abzugucken“. Ein vergleichbarer Bezirk sollte es deswegen sein, Hammersmith & Fulham nahm sie schließlich auf. Der westlich gelegene, innerstädtische Bezirk Londons hat eine ähnliche Fläche und Einwohnerzahl wie Friedrichshain-Kreuzberg (16,4 Quadratkilometer bei rund 180 000 Einwohner_innen), außerdem wohnen dort viele junge Leute und „politisch ist es eher links“, sagt sie.

Beim Vorbereitungstreffen Anfang September wurden die Austauschkandidaten darauf hingewiesen, dass sie als Vertreter des Landes Berlin in die Gastländer reisen. „Das war ein bisschen wie vor einem Schüleraustausch“, sagt Lühmann. Außerdem wurde empfohlen, adäquate Kleidung und ein Gastgeschenk einzupacken – auch das gehört zur Repräsentation. Der Londoner Business-Style sei allerdings doch nicht so seriös und schick wie erwartet, berichtet die Pressesprecherin.

"News stories" der Verwaltung

Wie war es bisher? Die Pressearbeit unterscheidet sich erheblich von der Arbeit in Berlin, nicht nur die Abteilung ist größer, auch die Grenzen zwischen Verwaltung und Presse verwischen: „Es gibt einfach keine lokalen Medien mehr“, berichtet Lühmann. So produziert das Londoner Bezirksamt seine Inhalte selbst – samt Videospezialist und Grafikern. „Das wirkt auf mich erst mal befremdlich. Denn die Berichterstattung über Aktivitäten in den Kiezen sollte eigentlich Aufgabe der Presse sein.“

Nichtsdestotrotz hat die Pressesprecherin schon ihre erste „News story“ geschrieben. An den weniger sachlichen Stil muss sie sich noch gewöhnen, „in jedem Beitrag soll möglichst deutlich gesagt werden, warum dieser Bezirk der allerbeste ist“. Doch die Londoner Kollegen nehmen sich Zeit, den Text mit der Hospitantin zu überarbeiten und erklären, „wie und warum“.

Joachim Wenz, Leiter des Ordnungsamtes in Friedrichshain-Kreuzberg, schaut sich derweil in Wien um. Ihn interessiert das Projekt „Waste Watcher“, bei dem die illegale Vermüllung verstärkt geahndet wird. Seit zehn Jahren läuft das Projekt dort bereits. In Berlin wurde es Anfang dieses Jahres eingeführt. Im renommierten Mercer-Ranking führt Wien seit Jahren die Liste der Städte mit der höchsten Lebensqualität weltweit an. Berlin belegt aktuell Platz 25. „Ein paar Plätze weiter nach oben, das müsste doch funktionieren“, schreibt Wenz aus Österreich.

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