Friedrichshainer Spreeufer: An der East Side Gallery wächst ein neues Viertel
Rund um den neuen Mercedes-Platz entsteht ein Quartier mit Büros, Hotels, Music Hall, Multiplex-Kino, Bowling-World und Lokalen. Ein Ortsbesuch beim Richtfest.
Michael Kötter breitet die Arme aus wie ein Stadtführer vor einem bedeutenden Bauwerk. „Sie befinden sich hier im Zuschauerraum unserer Music Hall“, sagt der Projektentwickler der Anschutz Entertainment Group und klopft sich dabei ein wenig weißen Staub vom Trenchcoat. Der 42-Jährige steht zwischen Medienvertretern in einem riesigen Betontrog in der ersten Etage des im Rohbau nahezu fertiggestellten Gebäudes. Am Boden zu seinen Füßen ein weitläufiges Stahlgeflecht, in das noch Zement gegossen wird. Um ihn herum bis zu 20 Meter hohe graue Wände, aus denen die künftigen Zuschauerränge hervorragen. Über den Köpfen der graue Berliner Himmel - das Dach fehlt noch. Es braucht schon viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier bereits vom Winter 2018 an Popkonzerte oder Sport-Events stattfinden werden.
Doch in diesen Tagen hämmern und kreischen hier noch die Baumaschinen mit Hochdruck, drehen sich fünf Kräne über dem Gelände des künftigen Mercedes-Platzes an der Mühlenstraße gegenüber der East Side Gallery am Spreeufer in Friedrichshain. Der Platz wird das Herzstück des von der Anschutz Group entwickelten und für rund 200 Millionen Euro gebauten neuen Stadtquartiers direkt vor der einstigen O2-World- und jetzigen Mercedes-Benz-Arena. Das weiterreichende Neubauviertel zu beiden Seiten der Mercedes-Benz-Arena wird von anderen Investoren bebaut (siehe Grafik).
Am frühen Dienstagnachmittag stand die Baustelle für eine Feierstunde still: 16 Monate nach dem ersten Spatenstich wurde für alle vier neuen Gebäude rund um den 6500 Quadratmeter großen Mercedes-Platz Richtfest gefeiert. „Wir liegen bestens im Zeitplan“, sagte Projektchef Michael Kötter und bedankte sich beim beauftragten Generalunternehmer Hochtief. Einen Seitenhieb auf Berlins Pannenbaustellen wie den Großflughafen BER oder die jüngst endlich wiedereröffnete Staatsoper, verkniff er sich, obwohl dies durchaus angebracht gewesen wäre. Beeindruckend rasch wuchsen am Tor zur Mercedes-Benz-Arena die Bauten 2017 empor. Stattdessen lobten Kötter und weitere Redner die „Vision“ des „neuen Treffpunktes oder Marktplatzes, auf dem Menschen ihre Freizeit genießen und sich austauschen können“. Dies sei das Konzept, dafür habe man die Bebauung rund um den Platz geplant.
Zwei Hotels und Zalando ziehen ein
Was wird dort bis zur geplanten Eröffnung des neuen Stadtquartiers im Herbst 2018 alles fertiggestellt? Wer den Mercedes-Platz künftig von der Mühlenstraße aus betritt, flaniert erstmal über einen „typischen Berliner Stadtplatz“, sagt Michael Kötter. Umrahmt von Gebäuden mit bräunlichen Klinkerfassaden, der Boden mit Granitsteinen gepflastert, beschattet von Platanen. Links, an der Nord-Westseite, befindet sich ein siebenstöckiger Beherbergungskomplex, in den zwei Hotels einziehen: ein Indigo Design Hotel mit 118 Zimmern und ein Hilton Business Hotel, das 254 Zimmer anbietet. Gegenüber, an der Südost-Seite, steht ein sechsstöckiges Bürohaus mit rund 9000 Quadratmetern Bürofläche. Es ist bereits vermietet, der Mode-Onlinehändler Zalando zieht ein. Auf dem Dach des Hauses verlockt ein rundum verglastes öffentliches Besucherzentrum zum Kaffee mit Aussicht über Berlin.
"Hier oben beginnt Las Vegas"
Dahinter, zur Arena-Halle hin, verändert der Platz seinen Charakter, er wandelt sich zur Main Plaza. „Hier beginnt Las Vegas“, scherzen die Planer. Rechterhand grenzt die neue „Music Hall“ ans Bürogebäude. Es entsteht eine Multifunktionshalle, „in der so gut wie alles stattfinden kann, von Konzerten über Sport bis zu Comedy“, heißt es in einer Werbebroschüre. Rund zweieinhalbtausend Sitzplätze im Parterre, auf zwei Rängen und in Logen bietet der große Saal. Die „Music Hall“ sei „die kleine Schwester“ der Mercedes-Benz- Arena, heißt es bei der Anschutz Entertainment Group (AEG), beide Hallen sollten sich keine Konkurrenz machen, sondern sinnvoll ergänzen. Die weltweit tätige AEG des US-Unternehmers und Milliardärs Philip Anschutz betreibt seit 2008 Berlins größte Eventhalle, die Arena. Sie wird auch die „Music Hall“ managen.
Das vierte Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Las Vegas-Bereichs gibt die Anschutz Group hingegen in die Hände der UCI-Kinowelt-Gruppe und eines Bowling-Betreibers. Noch balanciert man in diesen Tagen über rohe Betonstufen und Pfützen in den künftig größten, 15 Meter hohen Saal des Multiplex-Kinos mit etwa 600 Plätzen. Ein Spalier von Stützen trägt die gerade eingezogene Betondecke. Drumherum entstehen 13 weitere kleinere Vorführräume. Gesamtplatzzahl: 2500.
Und wieder wird ein Stück der Stadt entstehen, mit dem ich niemals etwas zu tun haben werde. Zu teuer, zu häßlich, zu leblos, zu kommerziell. Anders kennen wir es ja auch nicht mehr die letzten 20 Jahre in Berlin.
schreibt NutzerIn frederik
Und das Bowlingcenter? Es befindet sich in der ersten Etage. Für die "Bowling World" werden 28 Bahnen gebaut, „das reicht, um eine Weltmeisterschaft auszutragen“, sagen die Planer. Zum Center gehört auch ein Restaurant mit Terrasse. Von dort schaut man auf die Mercedes-Benz-Arena und die Warschauer Brücke. Vor dieser wird derzeit am neuen Einkaufszentrum „East Side Mall“ gleichfalls mit vollem Einsatz gehämmert, als ob sich beide Baustellen einen Wettstreit lieferten.
Doch „am schönsten“, so schwärmen die Planer, werde der Blick auf den Mercedes-Platz zwischen Music-Hall und dem Kino- und Bowling-Komplex sein: Im Dunkeln angestrahlte Wasserspiele mit Fontänen sollen dort rauschen. Zwischen Platanen ragen zwölf Meter hohe, dreieckige „Medientürme“ empor, die auf Screens für Filme und Events im „Las Vegas“-Quartier werben.
Aber braucht Berlin überhaupt noch ein derart großes, neues Unterhaltungsviertel? Zumal der Potsdamer Platz bereits mit schwindenden Publikumszahlen kämpft. Bei Anschutz herrscht da keine Sorge. Man habe den eigenen Platz gezielt als Event-Kiez geplant, heißt es. Das sei am Potsdamer Platz nicht so gewesen.
Die Architektur rund um die Arena finden Kritiker klotzig und düster
Für die Architektur am Tor zur Mercedes-Benz-Arena, die vom Stuttgarter Autobauer gesponsert wird und deshalb dessen Namen trägt, gibt Anschutz das Motto aus: „Klare Kante an der East Side Gallery“. Alle vier Gebäude am Platz sind als kantige Kästen entworfen, die Fenster sind wie auf karierten Blocks streng symmetrisch angeordnet. Elegante Rundungen sucht man vergebens. Und der Blick auf den einzigen geschwungenen, leichter wirkenden Bau, die Arena, ist durch die Platzgebäude nun eingeschränkt.
Dennoch: Der Platz werde „lebendig wirken“, versichern die Planer. Und kontern auch die Kritik, schon jetzt mache das Areal durch die anthrazitfarbene Mercedes-Benz-Arena und die fast schwarze Mercedes-Vertriebszentrale im nahen Umfeld einen düsteren Eindruck. „Keine Sorge“, sagt Planer Kötter. Music-Hall und UCI-Kino hätten ja eher farbige Fassaden. Und dann verweist er auf „mehr als 15 Cafés, Lokale und Bars, die am Platz einziehen. „Das ergibt eine bunte Szene.“
Ich bewundere die Investoren, die die Geduld aufbringen und sich unsere Provinzpolitiker ohne Visionen "antun" und versuchen Berlin voranzubringen. Ich bin gespannt und werde auf jeden Fall öfters vorbei schauen!
schreibt NutzerIn Danex