Flüchtlinge in Berlin: Am Tempelhofer Feld entsteht ein Containerdorf
Das Containerdorf für Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld soll ein Provisorium sein - schon in zwei Jahren soll es wieder abgebaut sein. Aber kaum jemand traut dem Plan.
Zu den originellsten und am besten besuchten Anlagen der „Pioniere“ auf dem Tempelhofer Feld gehört die Minigolf-Anlage von Nuture Art. Die von Künstlern gestalteten Stationen verbinden mit dem Einputten des Golfballs kleine Lektionen über Umwelt, Naturschutz und Nachhaltigkeit. Dass nun ein Anschauungsbeispiel für das genaue Gegenteil dazukommt, nämlich der Verschwendung von Ressourcen, war so nicht geplant. Ebenso wenig, dass die Container-Provisorien wenige Meter an die Golf-Anlage heranrücken.
„Viele unserer Besucher, vor allem Auswärtige, wundern sich: Überall anders werden Flüchtlings-Container wieder abgebaut“, sagt Christoph Ernst. Der Mitgründer des Nuture-Art-Projektes kann auch nicht wirklich erklären, was da gerade geschieht: „Wir kriegen ja selbst keine Informationen.“ Damit Container auf dem Tempelhofer Feld aufgestellt werden dürfen, wurde sogar das Tempelhof-Gesetz geändert, wonach kein Gebäude auf dem Feld entstehen darf. Das sei ja bekannt. Dass aber rund zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Zuwanderung noch ein Neubau entsteht, der schon zwei Jahre später wieder abgebaut sein muss, das passt für Ernst zum anderen Schildbürger-Streich auf dem Areal: der meist leerstehenden Blumenhalle.
Ansprechpartner fehlen
„Wenn das alles nicht so viel Geld kosten würde, würde man ja darüber lachen“, sagt Ernst. Doch danach ist den Pionieren so gar nicht zumute. Obwohl sie seit 2011 auf dem Feld sind, bekamen sie weder Strom noch Wasser und nicht mal ein Toilettenhäuschen. Bereits für das Jahr 2013 habe man ihnen diese allernötigste Versorgung in Aussicht gestellt. Passiert ist leider nichts. Mit Batterien und einem Wassertank helfen sie sich selbst. Dagegen wird „auf der anderen Seite des Gesetzes“ – damit meint Ernst den Bauzaun – gerade alles verlegt.
Gedanken macht sich der Golfplatz-Betreiber auch darüber, wie Freizeit- und Flüchtlingsbetrieb wohl so dicht an dicht zusammengehen werden. Für gemeinsame Planungen fehlt bis jetzt ein Ansprechpartner. Seit die Arbeiten laufen, beginnt der Tag mit dem Einsammeln von Baustellen-Müll und der Blick geht auf parkende LKWs. Laut Senatsverwaltung für Finanzen „ist die Errichtung einer temporären Wohnanlage für Geflüchtete mit Gemeinschaftsanlagen für maximal 1120 Wohnplätze vorgesehen“. Die Fertigstellung sei „im Sommer 2017“ geplant. „Der Rückbau wird bis zum 31. Dezember 2019 vollzogen.“
Nicht vergleichbar mit Wohnungen
Beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten heißt es auf Anfrage, die Container dienten als Unterkünfte für Flüchtlinge aus den Hangars des stillgelegten Airports: 353 Menschen sind dort immer noch untergebracht, ohne Rückzugsmöglichkeiten, dicht an dicht. Weitere Containerbewohner sollen „aus den benachbarten Bezirken dort hinziehen“.
Aus Containern errichtete Tempohomes bieten Paare oder Familien getrennte Räume. Es gibt Küchen und auch Gemeinschaftsräume – kurzum, ein Fortschritt, aber nicht vergleichbar mit Wohnungen in „Modularen Unterkünften für Flüchtlinge“ (Muf), die zurzeit in mehreren Berliner Bezirken entstehen oder auch schon eröffnet sind.
„Integrationssenatorin Elke Breitenbach hat den Abbau von Tempohomes-Containern im Jahr 2019 auf der Bürgerversammlung im Heimathafen versprochen“, sagt Christiane Bongartz, die vom Volksentscheid Tempelhof in die „Feldkoordination“ gewählt wurde. Das Gremium soll die Entwicklung der Freifläche begleiten. Bongartz sagt: „Eigentlich lohnt sich der Aufbau des Containers für diesen kurzen Zeitraum nicht“. Sie hätte sich von der rot-rot-grünen Koalition deshalb Alternativen zu dem Notbehelf erhofft. Dass der Container einfach über das Jahr 2019 hinaus stehen bleibt, sei rechtlich zurzeit jedenfalls nicht möglich: „Das Tempelhof-Gesetz lässt das nicht zu“.
976 Container auf dem Feld
Laut Senatsverwaltung für Integration sollen „insgesamt 976 Container auf dem Feld entstehen“. Eine Wohneinheit bestehe aus zwei Grundcontainern mit Küche und Bad. Ferner gebe es Gemeinschaftsräume und Bereiche etwa für Kinderbetreuung und Sprachkurse.
Ursprünglich waren ähnliche Aktivitäten in der Blumenhalle geplant. Doch diese wird wieder abgebaut – „aufgrund der geringen Belegung als Spiel- und Sportflächen finden solche Aktivitäten nun innerhalb der Hangars statt“, heißt es aus der Senatsverwaltung für Integration. Die Blumenhalle hatte die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin eigentlich für die IGA in Marzahn angeschafft und für das Flüchtlings-Camp nur ausgeliehen. Am Ende kaufte der Senat das gut eine Million Euro teure Bauwerk ab – und ließ es weitgehend leer stehen.