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Jede Menge Kies: Am Gleisdreieck wird weitergebuddelt. Jetzt entsteht ein neues Viertel, zu dem auch Hochhäuser gehören.
© Fabiana Zander

Berlin-Kreuzberg: Am Gleisdreieck soll die "Urbane Mitte" entstehen

Rund ums Gleisdreieck war noch vor wenigen Jahren nicht viel los, mittlerweile sind dort Parks und Häuser entstanden. Und es wird weitergebaut: Eine Bürgerinitiative bringt das Areal für die Zentral- und Landesbibliothek ins Gespräch.

Der Westpark am Gleisdreieck hat seine Bewährungsprobe längst bestanden. Radfahrer, Jogger und Spaziergänger teilen sich die asphaltierten Wege. Den Spielplatz hat eine Kindergartengruppe in Beschlag genommen. Doch nebenan liegt alles in Trümmern. Hier wird noch an der Wiederbelebung des alten Bahngeländes gearbeitet. Zwei Bagger thronen auf Schutthaufen gegenüber dem U-Bahnhof und tragen die Überreste eines Bahnviaduktes ab. Man habe die alten Bögen nicht halten können, ihre Integration wäre zu schwierig gewesen, sagt Hans Panhoff (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg.

Der Schutthaufen gehört zu den letzten, noch unbebauten Flächen am Gleisdreieck. Vor einem halben Jahr hat der Planungsprozess begonnen, an dem sich auch die Anwohner beteiligen. Die Brache hat schon einen Namen: „Urbane Mitte“. Insgesamt 43.000 Quadratmeter misst das Gelände, das sich in V-Form um den U-Bahnhof legt. „Wir haben einen Nutzungsmix besprochen“, sagt Panhoff, also eine Mischung aus Läden, Gastronomie und Büroflächen. Hochhäuser von bis zu 90 Metern sind möglich – und damit bis zu 100.000 Quadratmeter Geschossfläche.

Wohnungen sind an diesem Standort nicht vorgesehen. „Ist eines Tages die neue S-Bahn-Linie 21 gebaut, sind die Gebäude zwischen den Gleisen eingeklemmt“, sagt Panhoff. „Das gibt Probleme mit dem Lärmschutz.“ Die S 21 soll am östlichen Rand des Westparks verlaufen. Der Eröffnungstermin der Linie liegt aktuell im Jahr 2026. Sie soll als schnelle Nord-Süd-Verbindung vom Nordring über den Hauptbahnhof bis zum Südkreuz führen. Der nördliche Abschnitt ist bereits im Bau.

Die Trasse der S 21 verläuft genau dort, wo bislang die alten Viadukte standen. „Ursprünglich waren sie 700 Meter lang“, sagt Niko Kupfer vom Technikmuseum. „Die Bahnstrecke verband damals das Zentrum mit der südlichen Ringbahn.“ 1946 wurde der Verkehr eingestellt. Am Ende als Garagen genutzt, standen die Bögen wegen Baufälligkeit in den vergangenen Jahren leer. Schilder warnen vor Einsturzgefahr. Dass die Bögen trotzdem genutzt wurden, als Unterkunft für Obdachlose, bezeugen Müllsäcke und Matratzen in den Ruinen.

Anwohner wünschen sich öffentliche Nutzung

Unsere Grafik zeigt, was am Gleisdreieck vorgesehen ist: Weite Teile sollen mit der "Urbanen Mitte" überplant werden, ein Teilstück ist für die S-21-Trasse vorgesehen.
Unsere Grafik zeigt, was am Gleisdreieck vorgesehen ist: Weite Teile sollen mit der "Urbanen Mitte" überplant werden, ein Teilstück ist für die S-21-Trasse vorgesehen.
© Tagesspiegel/Anna Schmidt

Viele Anwohner wünschen sich, die „Urbane Mitte“ künftig öffentlich nutzen zu können. „In den Dialogen sind drei Hauptanliegen deutlich geworden“, sagt Markus Vogel: „Nahversorgung, Gastronomie und guter Zugang vom künftigen Bahnhof zum Park.“ Vogel ist neben der Immobiliengruppe CoPro Eigentümer der Urbanen Mitte. „Wir wollen etwas bauen, das die Menschen auch in zehn Jahren noch brauchen“, sagt er. In zwei bis drei Monaten soll der städtebauliche Wettbewerb starten. „Der erfolgt in zwei Stufen und weiterhin im Dialog mit den Bürgern“, sagt Vogel.

Matthias Bauer von der AG Gleisdreieck, einer Bürgerinitiative, hat jede Menge Vorschläge: Theater, Restaurants, Kunst, kleine Läden. „Vielleicht auch ein kleines Hotel“, sagt er. „Wir wollen nicht, dass 70 Prozent mit Büroräumen gedeckt werden.“ Die Bebauung solle sich „dem Park zuwenden“.

"Wir wollen keinen toten Bürostandort"

Vor Kurzem reichte er den Vorschlag ein, einen Teil der Fläche als Standort für den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) zu nutzen. Die Senatskulturverwaltung will den Vorschlag prüfen. Neben der Amerika-Gedenkbibliothek und dem Tempelhofer Flughafengebäude wäre es die dritte Standortvariante. Stadtrat Panhoff glaubt allerdings nicht, dass die Bücher ans Gleisdreieck ziehen werden. „Kann ich mir nicht vorstellen. Dafür müsste das Land Berlin dem Eigentümer das Gelände erst mal abkaufen.“ Es sei unwahrscheinlich, dass keine Büroflächen am Gleisdreieck entstehen.

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stefan Evers, sagt: „Wir wollen keinen toten Bürostandort. Aber alles muss sich refinanzieren.“ Er wünscht sich lediglich im Erdgeschoss eine öffentliche Nutzung. Letztendlich bleibe das Grundstück Privateigentum. „Das Dialogverfahren der Eigentümer mit den Anwohnern ist sowieso schon vorbildhaft“, sagt Evers.

Am Parkhaus, das zu den Ausläufern der Bebauung am Potsdamer Platz gehört, entstehen bald Wohnungen.
Am Parkhaus, das zu den Ausläufern der Bebauung am Potsdamer Platz gehört, entstehen bald Wohnungen.
© Fabiana Zander

Abgesehen von den alten Viadukten sollen keine weiteren Baurelikte abgerissen werden. Die U-Bahn-Viadukte an der Luckenwalder Straße werden integriert, ebenso der Wasserturm, der an das Technikmuseum anschließt. Auch der Fernradweg Berlin–Leipzig, der im Süden durch die Baustelle führt, soll bestehen bleiben. Im Oktober wird im städtebaulichen Wettbewerb entschieden, was mit dem Rest der Urbanen Mitte passiert.

Miteigentümer Vogel will in der Zwischenzeit Kultur auf die Baustelle bringen. Dafür sollen auch die verbliebenen Bögen genutzt werden. „Es soll eine Mischung aus Kunst, Kultur und Gastronomie sein“, sagt Vogel. „Etwas, das zu dem Park und zu Kreuzberg passt.“

Nördlich der Urbanen Mitte, auf Höhe des Debis-Parkhauses, sind Wohnungen geplant, dazu soll die westliche Hälfte des Parkhauses abgerissen werden, die östliche wird für die S-21-Trasse gebraucht. Die Planungen stehen aber noch ganz am Anfang. Fortgeschritten sind dagegen die Wohnhäuser der Baugenossenschaft Möckernkiez in der Südostecke des Parks. 460 Wohnungen sollen hier entstehen. Das Projekt war zuletzt finanziell ins Schlingern geraten, weil die Banken mehr Eigenkapital forderten und die Baukosten deutlich gestiegen waren.

Laura Worsch

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