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Udo mit Orden. Eigentlich hat er es nicht so mit Ehrungen, aber für „Wowiman“ machte er eine Ausnahme. Und trat auch noch auf: Udo Lindenberg, im Roten Rathaus.
© dpa

Udo Lindenberg mit Berliner Verdienstorden: Als Panik-Udo die Mauer überwand

Udo Lindenberg bekommt im Roten Rathaus den Verdienstorden Berlins überreicht. Wofür noch gleich? Irgendwas zwischen Hüten und Freiheit. Klaus Wowereit würdigt den Musiker als „Überwinder der Mauer“.

Wahrscheinlich müßig, an einem Tag wie diesem darüber nachzudenken, ob es wirklich der eine Song von Udo Lindenberg war, der die Mauer geöffnet hat. „Sonderzug nach Pankow“. Ist ja doch nur ein Song gewesen. Zugegeben, ein ziemlich frecher, weil für sich gleich einen Sonderzug zu reklamieren, ging im Stil weit über das hinaus, was gewöhnliche DDR-Reisende damals zu hoffen wagten. Aber wenn irgendetwas die Macht des Popstars über die Politik verdeutlicht, die selbst Diktaturen erweichen kann, dann ist es eben dieses Lied, das als Selbsteinladung des „kleinen Udo“ in die DDR gedacht war – und das hat dann ja auch wunderbar funktioniert. Klaus Wowereit muss schmunzeln, als er Lindenberg bei einem Feierstündchen ihm zu Ehren im Roten Rathaus einen „Überwinder der Mauer“ nennt, dessen Name mit dem 9. November verbunden sei. Der Lohn: Ein Verdienstorden des Landes Berlin.

Dabei hat es zu mehr als einem Auftritt im Arbeiter- und Bauernstaat nicht gereicht. Ein Orden für ein Konzert?

Es braucht kein Pathos

Geschichte zahlt in anderer Münze. Udo Lindenberg hat sich auf seine Art in die Zeitläufte Berlins eingeschrieben. Und das Schmunzeln Wowereits gehört dazu. Es ist die Antwort der frappierten Zeitgenossen auf Lindenbergs größte Kunst – sich auf das Naheliegende zu stürzen. Das Lächeln einer Frau und auch mehr. Einen Drink und auch mehr. Eine gute Textzeile, für die es kein Pathos braucht. Und es immer so wirken zu lassen, als sei es irgendwie passiert.

Lindenbergs Naivität ist, was ihn groß macht. Hallööchen, schubidu. Dabei lässt sie ihn kleiner aussehen, ein grandioser Trick. Vor allem Pedanten fallen darauf herein. Und von solchen hatte der DDR-Apparat nicht gerade wenige. Lindenbergs Masche konnten die nicht dekodieren, mit der er die Schlichtheit seines Wünschens von jeher maskiert. Sie lässt das Schwierige leicht aussehen. Mentale Lockerungsübung. Lindenberg ist die verkörperte Entspannungspolitik, damals, als dieses Wort noch einen anderen Klang besitzt. Ey, Honey, keine Panik. Nuschel, nuschel.

Er, der das Leben als Abenteuer begreift, um es bloß nicht langweilig werden zu lassen, wusste selbst nicht, wo das alles hinführen würde, als er Anfang der Siebziger für einen Tag durch Ost-Berlin schlenderte, ein verführerisch „heißes“ Mädchen traf und nicht so schnell wieder weg wollte, aber musste, mit seinem Tagesschein.

Warum daran zweifeln, dass es das Mädchen aus Ost-Berlin je gegeben hat? War nicht auch die Mauer einfach nur gut erfunden? Lindenberg packte das deutsch-deutsche Teilungsdrama in ein romantisches Liebeslied, in dem zwei Für-einander-Bestimmte eben nicht zueinander finden können. Romeo & Julia auf dem Alexanderplatz. „Wir wollen doch einfach nur zusammen sein“, lautet der Schlusssatz. Und den haucht Lindenberg den Leuten im Roten Rathaus wie eine nie veraltete Liebesbotschaft entgegen, denen, die aus ihren Büros herbeigeströmt sind, um der Ehrung samt Ständchen des Geehrten beizuwohnen. Begleitet von einer Rumpfformation seiner Panik-Truppe singt er noch „Gegen den Strom, gegen den Wind“, abermals eine Gemeinschaftshymne, die vom Abschmieren in Lebenskrisen erzählt und davon, dass die Folgen einfacher zu tragen sind, wenn man es nicht alleine tun muss. Zuletzt folgt das unvermeidliche „Horizont“, das die ewigschöne Zeile enthält „Das mit uns ging so tief rein, das kann nie zu Ende sein“.

Wowereit? "Ein charmanter Vogel"

Lindenberg sagt, dass er so etwas normalerweise nicht mache, Orden und so, aber „Wowiman“ zuliebe, „charmanter Vogel“, habe sich eine Ausnahme einrichten lassen. Und, ja, der 9. November sei auch sein glücklichster Tag gewesen. Er sei sofort losgedüst, um dabei zu sein, „natürlich gut getarnt, mit Rapper-Mütze und Kapuze“.

Jetzt, 25 Jahre nach dem Mauerfall, wird er am Brandenburger Tor auftreten, die Jubiläumsfeier „n’ bisschen anlockern“, wie er sagt.

Große Bühne. Im nächsten Jahr will Udo Lindenberg wieder auf Stadiontour gehen. Was genau er plant, will er nächste Woche im Olympiastadion verkünden.
Große Bühne. Im nächsten Jahr will Udo Lindenberg wieder auf Stadiontour gehen. Was genau er plant, will er nächste Woche im Olympiastadion verkünden.
© picture alliance / dpa

Ohnehin ist Lindenberg nach schwierigen Jahren wieder auf der Höhe seines Könnens. Die Stimme klar, präsent und gütig, er selbst schmal, aber voll konzentriert. Und das hat mit Berlin zu tun. Denn aus jenem Moment mit dem Mädchen ist das Musical „Hinterm Horizont“ entstanden, seit vier Jahren der Renner am Potsdamer Platz. 1,8 Millionen Zuschauer. Das ist natürlich ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt, aber vor allem hat dieser Erfolg Lindenbergs eigene Rückkehr auf die großen Bühnen eingeleitet. Als wollte er nun selbst wissen, ob er mehr als eine Figur der Zeitgeschichte ist. Vergangenen Sommer füllte er Arenen in Dresden und Düsseldorf, im kommenden Jahr wird er auch im Berliner Olympiastadion sein.

Lindenbergs Musik ist nie revolutionär gewesen. Er selbst auch nicht. Trotzdem hat er es fertig gebracht, dass sich die Staatsführung der DDR mit ihm beschäftigte. Wenn er sie nur abgelenkt hat von dringenderen Problemen, ist das auch gut gewesen.

Kai Müller

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