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Eine neue Perspektive. Schön ist der Blick auf die Stadt vom Wasser aus. Bötchentouren sind beliebt.
© picture alliance / dpa

Tourismus in der Heimat: Als Berlinerin die eigene Stadt entdecken

Berliner entdecken die Schönheiten der Stadt oft erst, wenn sie Besuch durch die Gegend führen. Da hört man unerwartete Loblieder.

Ja, es macht Spaß, in den Ferien fremde Länder zu erkunden. Aber einige meiner schönsten Urlaubserinnerungen verdanke ich Ferien in der eigenen Stadt. Die sammele ich vor allem dann, wenn ich einem meiner Lieblingshobbys nachgehe: Als Stadtführerin in Berlin unterwegs. Dafür braucht man möglichst viele Freunde von außerhalb. Kürzlich hatte ich Glück: eine Woche frei und sieben liebe Menschen aus den USA in der Stadt, drei Generationen. Meine Freundin, ihr Mann und ihre drei Kinder leben in der Peripherie ihrer Hauptstadt, ihre Mutter und ihre Schwester auf dem Land, nicht weit von Woodstock entfernt.

Um es gleich vorweg zu sagen. Es hagelte nur so Komplimente für den öffentlichen Nahverkehr. Nach Wochen ärgerlichen Rückzugs zum Taxistand, wenn nachts in der Friedrichstraße schon wieder an der S-Bahn gebastelt wurde und der Ersatzverkehr laut Auskunft der wortkargen Bahnmitarbeiter nur in nicht vorhersagbaren größeren Abständen lief, war das eine erfrischende Erfahrung.

Eine Kletter- und Strandwelt mitten in Berlin

In dieser Woche habe ich die Tram lieben gelernt. Die Familie hatte sich in zwei Apartments am Rosenthaler Platz eingemietet. Den erreicht man mit der M1 vom Hackeschen Markt oder der M8 vom Hauptbahnhof völlig unkompliziert. Und kann sogar noch einen Stopover einlegen am „Mount Mitte“ mit umliegenden Volleyballfeldern, einer wunderbaren Kletter- und Strandwelt mitten in Berlin, wo man auch einfach nur in der Bar sitzen und das Treiben ringsum genießen kann. In der Alltagshektik kommt man da nie hin. Tourist müsste man sein!

Abhängen am Ufer. Nicht nur Touristen genießen die Strandbars.
Abhängen am Ufer. Nicht nur Touristen genießen die Strandbars.
© Imago

Am Ende haben sich alle über mich lustig gemacht, wenn ich sagte: Theodor-Heuss-Platz? Ganz einfach, Zwei Stationen Richtung Hermannstraße, dann Umsteigen am Alexanderplatz, U 2 Richtung Olympiastadion. Klar, dass den Auswärtigen das kompliziert vorkam. Mit der Welcome Card brauchten sie wenigstens nicht über Tarife nachzudenken. Normalerweise sind das Binsen, schon klar. Aber wenn man eine ganze Woche angestaunt wird, weil man in einer Stadt lebt, in der es diese Art von öffentlichem Nahverkehr gibt, die einen in nullkommanix ziemlich nah an jeden Ort bringt, an den man gerade möchte, kommt man sich am Ende schon ein bisschen cool vor. Besonders wenn man mit dem Netz umzugehen weiß, was natürlich ausschließlich eine Frage des Trainings ist. Ein bisschen Fremdschämen war aber auch dabei. Mir war es jedes Mal peinlich, wenn in U- und S-Bahnen junge Leute stur sitzenblieben, obwohl der Schwester das Stehen schwer fiel, weil sie eine unsichtbare Behinderung hat. Sie wollte nicht drauf pochen, weil sie sich nicht ausweisen konnte. Aber wenn man hört, dass jemand dreimal gefragt wird, ob es noch geht, ob ihm das Stehen nicht zu schwer fällt, dann würde ich das als Signal auffassen, mal meinen Sitzplatz aufzugeben.

Im ehemaligen "Gastmahl des Meeres" ist der Flaggschiffladen der Kette

Man lernt übrigens auch die Freuden des Snackens neu kennen. Der vermeintlich unglamouröse Tipp, einen Lunch in der „Nordsee“ in den Potsdamer Platz Arkaden einzunehmen, erwies sich als Riesenhit und führte im Laufe der Woche dann auch noch zu einem Besuch im Flaggschiffladen der Fischkette im früheren „Gastmahl des Meeres“ gegenüber der Marienkirche. Überhaupt der Potsdamer Platz! Der schnellste Aufzug Europas verführte die New Yorker zwar zu der Bemerkung, dass der im neuen World Trade Center schneller sei. Aber die Aussicht von oben begeisterte und fast mehr noch die Ausstellung über die Baustelle und das Werden des Platzes. Den Rest der Woche haben wir in fast jedem Souvenirladen, den wir passiert haben, nach einem Vorher-Nachher-Buch oder einer Entwicklungsgeschichte des Platzes gefragt. „Gibt's nicht mehr. Ist doch alles schon so lange her“, hieß es dann. Also falls ein Verleger gerade auf der Suche nach einer Marktlücke ist, könnte er sich hier sogar mit einer Wiederauflage begnügen.

In Berliner Souvenir Shops kenne ich mich jetzt auch gut aus. Ich hätte auf „Berlin Story“ gesetzt, wenn es um besondere Attraktivität geht. Zu meiner größten Überraschung schlugen die beiden Ladys vom Lande richtig erst im Dom-Shop zu, von dem ich nicht mal gewusst hatte, dass es ihn gibt. In der Tat hat er aber eine große Auswahl von frommen CDs bis zu Schlabberlätzchen für kleine Prinzessinnen. Aus dem Sachsenladen am Gendarmenmarkt habe ich Mutter und Schwester kaum wieder rausgekriegt. Die Schnitzereien aus dem Erzgebirge und die Plauener Spitze werden Weihnachten in Woodstock retten. Das Nivea House fanden sie klasse, schon weil die Creme in den USA nach ihrem Eindruck nicht so gut ist, wie die in Deutschland.

Bummel durch Mitte. Ein beliebtes Ziel sind die Hackeschen Höfe.
Bummel durch Mitte. Ein beliebtes Ziel sind die Hackeschen Höfe.
© Doris Spiekermann-Klaas

So eine alte Wessipflanze hat, was Shopping betrifft, natürlich ein ziemlich fest abgestecktes Jagdrevier zwischen Wittenbergplatz und Savignyplatz. KaDeWe musste natürlich sein, überhaupt, weil jedes Teil aus dem Kaufhaus am Wittenbergplatz als typisches Berlin-Souvenir gilt, auch wenn es eine graue Stola ist. Oder gerade dann. Und die Törtchen von Lenôtre sind einfach ein Evergreen, das hat sich seit dem Fall der Mauer nicht verändert. Wenn nur der langsame Service nicht wäre. Und etwas Freundlichkeit würde den Kuchen auch nicht völlig ungenießbar machen.

Immer wieder neu sind die Geschäfte zwischen Hackeschem Markt und Rosenthaler Platz, in der Tor- und in der Brunnenstraße. Völlig begeistert folgte ich den Besuchern in hübsche kleine Boutiquen mit überraschend individueller Auswahl. Da will ich bald wieder hin zum Stöbern, und weiß doch, dass es erstmal wohl nicht klappen wird.

Bootstouren sind immer ein Hit

Bootstouren sind immer ein Hit, besonders die dreistündige durchs neue Regierungsviertel zum Osthafen und dann zurück über den Landwehrkanal. Viele Detailfragen kann ich auch nicht beantworten, aber manches lernt man bei den Erklärungen. Die vielen Bars mit den Liegestühlen am Ufer fallen mir normalerweise nicht so auf, sind ja immer da. Aber in dieser Woche ließ ich mich mit Begeisterung in einen der Ampelmann-Liegestühle fallen, während die Besucher den tollen Käsekuchen lobten. Berlin kann so einfach sein!

Auch mein Lieblingsschokoladenladen am Gendarmenmarkt versetzte die Kameras in einen kleinen Rausch. Und bald kramten alle in kleinen Zellophan-Tütchen. Deutsche Trüffel. „Köstlich!“ Sollte man sich vermutlich öfter gönnen. Komplimente gab es auch für die meisten Restaurants. Auch hier gilt: Es muss weder teuer noch superoriginell sein. So Läden wie Dudu oder Chen Che haben schon von sich aus einen hohen Cool-Faktor.

Nur eines störte die Freunde. „Wieso hört man hier überall nur Englisch statt Deutsch?“ Die Antwort fiel mir ziemlich prompt ein. „Wenn ihr Deutsch hören wollt, geht mal durch die Straßen von Manhattan.“

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