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Heute wäre das Auto weg. Bei dieser Kontrolle 2016 konnte die Polizei die Autos noch nicht einziehen. Das ist jetzt anders.
© Cay Dobberke

Kampf gegen Raser: Allein dieses Jahr 184 neue Verfahren

Justiz nimmt die Verfolgung von Rasern auf - und hat Erfolge auch Dank der im Fahrzeug gespeicherten Daten.

Berlin nimmt die Verfolgung auf und geht gegen Raser verstärkt vor. In diesem Jahr wurden schon 184 Verfahren eingeleitet. 601 waren es insgesamt, seit die Strafrechtsänderung 2017 in Kraft trat. Es wurden seither 199 Anklagen erhoben. 62 rechtskräftige Urteile wurden gefällt.

Derzeit laufen zwei bis drei Hauptverhandlungen pro Woche vor dem Amtsgericht Tiergarten. Die Zahlen stellte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch gemeinsam mit dem ersten Oberamtsanwalt Andreas Winkelmann vor. Winkelmann leitet die Abteilung, die sich um Raser kümmert. Sie wurde eigens eingerichtet, nachdem sich die Rechtslage geändert hatte.

Seit dem 13. Oktober 2017 können Fahrzeuge eingezogen werden, wenn sie zum Rasen benutzt wurden. Sie sind dann Tatmittel. Zahlen, wie viele Autos eingezogen wurden, gibt es nicht, Winkelmann schätzt aber, dass es in mindestens der Hälfte der Fälle zur Einziehung kommt. „Über 200 waren es bisher ganz sicher.“ Es sind vor allem neuere Fahrzeuge, die beschlagnahmt werden, da deren Bordtechnik alles aufzeichnet, was Ermittler wissen wollen.

„Moderne Autos speichern, wo sie entlangfuhren und wie schnell“, sagte Behrendt. „Das ist für uns ein Segen und für manche Autofahrer ein Fluch.“ Chefermittler Winkelmann schilderte die Methoden der Beweisführung und berichtete zufrieden von zahlreichen erfolgten Verurteilungen, die strenger ausgefallen waren als zunächst angenommen.

Er schilderte auch die Rechtslage bei Alleinrasern. Hier ist Deutschland nämlich gespalten. Wer kein Rennen gegen einen anderen fährt, der kann nur verurteilt werden, wenn er aus seinem Wagen alles rausholt, was geht, so die norddeutsche Ansicht, vertreten vom Landgericht Stade. Winkelmann lehnt das ab.

„Das hieße: je dicker der Motor, desto geringer die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung. Das kann’s nicht sein.“ In Berlin sieht man es etwas anders, da geht es um die „situationsbedingte“ Höchstgeschwindigkeit. Das hält Winkelmann auch für das einzig Richtige. Eine Spezialfrage ist, ob es als Rennen anzusehen ist, wenn man vor der Polizei flüchtet und diese die Verfolgung aufnimmt, mit Kamera natürlich.

Die meisten Fahrzeuge sind nur gemietet

Die meisten Raser sind junge Männer aus türkischen oder arabischen Familien und die meisten Fahrzeuge nur gemietet. Sie können dann nur unter engen Voraussetzungen auf Dauer eingezogen werden, nämlich wenn der Eigentümer „leichtfertig“ gehandelt hat. Ist der Fahrer doch mal der Halter, so gehört sein Wagen in der Regel der Bank, die sich den Schlitten zur Absicherung des Kredits hat sicherungsübereignen lassen.

Mitunter gibt es aber auch andere, eher untypische Fälle. Da waren zum Beispiel die sechs jungen Männer, großteils Porsche-Werksangehörige, die im vergangenen August mit sechs gemieteten Porsches durch Berlin bretterten. Fünf davon hat die Polizei beschlagnahmt, der sechste fuhr ihr davon.

Die fünf eingezogenen Porsches wurden inzwischen zurückgegeben und ihre Fahrer sind rechtskräftig verurteilt – zu relativ milden Strafen. Die konnten nur durch einen Deal erreicht werden, denn es war nicht klar, wer denn nun welchen Beitrag zum Rennen geleistet hatte. Teuer wurde es trotzdem, denn die Rennwagen standen monatelang bei der Polizei, und der Vermieter verlangte von jedem der fünf Männer rund 10000 Euro entgangenen Umsatz. „Den sechsten haben wir noch am Wickel“, sagt Winkelmann.

Die meisten Autos werden nach einiger Zeit wieder rausgegeben

Die meisten Fahrzeuge werden befristet einbehalten, die relevanten Daten ausgelesen und gesichert. Nur ein Auto wurde im vergangenen Jahr dauerhaft eingezogen, ein Dreier-BMW. Jüngst wurde ein Motorrad rechtskräftig eingezogen. Diese Fahrzeuge werden nach der Strafvollstreckungsordnung versteigert.

Eingeführt wurde die Rechtsänderung nach dem aufsehenerregenden Fall der Ku'damm-Raser Hamdi H. und Marvin R., die in der Nacht zum 1. Februar 2016 mit PS-starken Autos durch die nächtliche Innenstadt gerast waren und dabei auf dem Ku’damm einen Rentner totgefahren hatten. Danach wurde das Strafrecht verschärft; Autorennen und sogenannte Profilierungsfahrten wurden unter Strafe gestellt. Seither können die Fahrzeuge, mit denen die Taten begangen werden, als Tatmittel eingezogen werden.

Dieses Instrument zeigte schnell Wirkung, zumal sich die Ermittler entschlossen, ihre neuen Möglichkeiten zu nutzen. Raser staunten, wenn die Polizei ihre Autos einkassierte und sie sich plötzlich als Fußgänger fortbewegen mussten. Gelernt haben sie bisher aber nichts, waren sich Behrendt und Winkelmann am Mittwoch einig. Die Zahl der Fälle ist jedenfalls nicht gesunken

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