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Sünder im Blick: Schon aus 1000 Metern Entfernung erkennt die Polizei ein Auto mit zu hoher Geschwindigkeit.
© dpa

Blitzer-Marathon in Berlin: Alle fünf Minuten ein Knöllchen

Trotz vieler Warnungen tappten hunderte Autofahrer am „Blitzertag“ in die Radarfallen der Polizei. Während die Polizei in Brandenburg von einer „ausgesprochen vorbildlichen Fahrweise“ sprach, waren die Berliner offenbar weniger vorsichtig.

„Überholen ohne einzuholen“ – in Brandenburg hat das, verglichen mit Berlin, am Dienstag prima funktioniert; jedenfalls soweit es das Beachten von Tempolimits betrifft. Die Polizei in der Mark sprach am Nachmittag des Blitzertages von einer „ausgesprochen vorbildlichen Fahrweise“. In Berlin dagegen tappten Hunderte Autofahrer in die vielen Radarfallen – trotz laufender Hinweise im Radio und ausführlicher Ankündigung an den Vortagen.

Zum Beispiel ein Mittvierziger in einem weißen Audi auf der Masurenallee: „Ich ärgere mich sehr“, bekannte er freimütig. Natürlich habe er von der Aktion gewusst, aber im entscheidenden Augenblick wohl beim Spurwechsel zu sehr aufs Gas gedrückt. 73 km/h hatte das Messgerät angezeigt. Davon werden drei Kilometer Gerätetoleranz abgezogen. 35 Euro wird das kosten. Wäre der eilige Fahrer nur einen Kilometer schneller gewesen, hätte er den Bußgeldbereich erreicht.

An 200 Stellen im ganzen Stadtgebiet hatte sich die Polizei mit Laser- und Radarmessgeräten postiert, und auf den Autobahnen und Bundesstraßen waren alle 21 Videomesswagen im Einsatz. Gewöhnlich wird täglich an 50 Orten das Tempo auf den Berliner Straßen gemessen. Der „Blitzermarathon“ sollte vor allem Sensibilität wecken, was aber umstritten ist (siehe Interview).

Auf der Masurenallee wird um die Mittagsstunden im Schnitt alle fünf Minuten ein Schnellfahrer auf den Parkplatz vor der Messehalle herausgewinkt. Bei anderen Kontrollstellen ist es ähnlich. Die meisten Fahrer geben sich betont einsichtig. „Auf der Heerstraße habe ich im Stau zehn Minuten verloren“, erzählte eine blonde Frau um die Dreißig im schwarzen Mercedes. „Die wollte ich aufholen, -um meinen Termin in Wilmersdorf zu schaffen. Nun sitze ich hier fest.“ Geduldig erklärt Torsten Baumgart vom Verkehrsdienst ihr das Vorgehen. „Wir nehmen die Daten von Führerschein, Zulassung, Personalausweis auf. Später erhalten Sie Post mit der Zahlungsaufforderung. Dann besteht auch die Möglichkeit des Widerspruchs.“ Die Frau winkt ab. „Mich stört nur die verlorene Zeit.“

Sehen Sie hier ein Video zu der Verkehrskontrolle:

Kein Autofahrer verliert die Beherrschung oder lässt sich zu Beschimpfungen hinreißen. Es überwiegt eindeutig der Ärger, nicht rechtzeitig vor der Kontrollstelle abgebremst zu haben. Das ist allerdings gar nicht so leicht. „Unser Messgerät kann das Autokennzeichen schon in einer Entfernung von 1000 Metern erfassen“, erklärt Daniel Koch von der Verkehrspolizei. „Meistens messen wir das Tempo aber, wenn die Fahrzeuge 200 bis 300 Meter von uns weg sind.“ Allerdings müssen sich die Beamten auf ein Fahrzeug festlegen. Auf mehrspurigen Fahrbahnen rutschen so oft daneben fahrende, vielleicht sogar schnellere Autos durchs Raster. „Aber in der Regel peilen wir das richtige an“, sagt Koch.

Auf Diskussionen lassen sich die Polizisten ohnehin nicht ein. Die einzige Chance, vor Ort aus der Sünderliste gestrichen zu werden, hätten nur Fahrer mit einer hochschwangeren Frau auf dem Weg in die Klinik, heißt es. „Wichtig war uns die nachhaltige Wirkung dieses Blitzermarathons“, sagt Andreas Tschisch, Referent für Verkehrssicherheit der Berliner Polizei. „Der eine oder andere erwischte Schnellfahrer wird künftig hoffentlich etwas umsichtiger fahren und sich an die Regeln halten.“

Sechs Tote und 1250 Verletzte waren laut Polizei im Vorjahr Opfer von Geschwindigkeitsverstößen. Leider werde in Berlin immer schneller und unangepasster gefahren, was im Vorjahr zu 3480 Unfällen geführt habe. Laut Polizei bedeutet das eine Zunahme um 15 Prozent.

Claus-Dieter Steyer

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