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Andreas Geisel (SPD), Senator für Inneres und Sport in Berlin, trägt einen Mund-Nasen-Schutz.
© Britta Pedersen/dpa

Berlins Innensenator warnt vor Leichtsinnigkeit: „Akzeptanz für Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus schwindet“

Andreas Geisel setzt weiter auf Freiwilligkeit bei der Einhaltung der Maßnahmen. Er will die Berliner mit Kommunikation von der Richtigkeit der Regelungen überzeugen.

Wegen der zunehmend aggressiven Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen in Berlin erwägt die Polizei, ihre bisherige Taktik zu ändern. „Wir werden eine genaue Analyse vornehmen, um taktisch entsprechend zu reagieren“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschusses des Abgeordnetenhauses. 

Auch bei der Neuausrichtung des Polizeivorgehens sei die Maxime weiterhin: Verhältnismäßigkeit, Kommunikation und Deeskalation.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte, die Polizisten bekämen derzeit „den ganzen angestauten Frust ab“. Am Samstag hatten auf dem Alexanderplatz etwa 1200 Menschen bei einer nicht angemeldeten Demonstration gegen die Corona-Verordnungen protestiert. Dabei waren unter anderen Neonazis, Verschwörungsideologen, Esoteriker und Impfgegner – angefeuert von etwa 35 BFC-Hooligans.

Demonstranten mit „hoher Aggressivität gegen die Polizei vorgegangen“

Polizisten wurden mit Flaschen beworfen. Als Beamte Teilnehmer zum Verlassen des Platzes bewegen mussten, wurden sie als „Stasi“ beschimpft. Slowik sprach von der „Spitze der Gewalttätigkeit“, acht Beamte seien verletzt worden. 

Die Demonstranten seien mit „hoher Aggressivität gegen die Polizei vorgegangen“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD). Aus seiner Sicht schwindet die Akzeptanz für die scharfen Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus. „Es ist sehr deutlich zu sehen, dass die Berlinerinnen und Berliner der Regelungen überdrüssig sind“, erklärte Geisel.

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Für eine 3,7-Millionen-Einwohner-Stadt beobachte er aber insgesamt noch Disziplin. „Die Akzeptanz für die Maßnahmen der Eindämmungsverordnung ist nach wie vor da, aber leider sinkt sie.“ Zugleich mahnte Geisel: „Wer die Eindämmungsverordnung in Gänze kritisiert, weiß nicht, was er tut.“ Von diesen Demonstrationen würden „beträchtliche Gefahren“ ausgehen – wegen der Infektionsgefahr in der Menge, für Polizisten sowie wegen der Nähe von Teilnehmern zu extremistischen Positionen.

Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zu hoch für Berlin

Geisel will die Bürger aber weiterhin mit Kommunikation von den Anti-Corona-Maßnahmen überzeugen, nicht mit Zwang. „Wir können nicht 3,7 Millionen Berliner mit der Polizei überwachen“, sagte er. „Wichtig ist, dass die Menschen im Kopf verstehen, dass sie sich entsprechend verhalten müssen und dass die Gefahr nach wie vor noch allgegenwärtig ist. Angesichts der Infektionszahlen lauert jetzt nicht hinter jeder Häuserecke der Tod. Das ist tatsächlich nicht so. Weil entsprechend gehandelt worden ist.“

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Trotzdem wäre eine völlige Lockerung „leichtsinnig“. Daher führe an Überzeugung kein Weg vorbei. „Zwang ist kein vielversprechender Ansatz.“

Aktuell gibt es in Berlin 518 aktive, registrierte Corona-Infektionen (Stand Montagabend). Die Infektionslage scheine „relativ niedrig“, sagt Geisel, aber die Gefahr sei nicht gebannt, die Situation „fragil“. Der Senat halte die von Bund und Ländern beschlossene Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche für „viel zu hoch“. Das wären in Berlin 1900 Neuinfizierte. Daher müsse man in Berlin mit erneuten Verschärfungen früher eingreifen. (mit dpa)

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