Mehrere Demonstrationen in Berlin geplant: Aktivisten fordern eine „palästinensische Kampfwoche“
Die Eskalation in Nahost führt auch zu Protesten in Deutschland. Am Samstag gleich mehrmals in Berlin. Etliche radikale Gruppen nehmen teil.
- Muhamad Abdi
- Julius Geiler
- Sebastian Leber
Die Veranstalter sind sich sicher: „Die Stunde der Befreiung hat geschlagen." Sie wünschen sich nichts weniger als die Auslöschung Israels - und auf Deutschlands Straßen „befreundete Befreiungskräfte“, um diesem Ziel näher zu kommen. Die Veranstalter fordern gar eine „palästinensische Kampfwoche“.
Allein für Samstag planen propalästinensische Gruppen drei Aufzüge durch Berlin, auf denen gegen den Staat Israel demonstriert werden soll. Nicht nur wegen der jüngsten Eskalation in Nahost, sondern auch, weil der Sonnabend auf den 15. Mai fällt.
An diesem Tag begehen jährlich zehntausende Palästinenser auf der ganzen Welt den sogenannten „Tag der Nakba“. Im arabischen Sprachgebrauch wird mit dem Wort „Nakba“ (deutsch: Katastrophe) die Flucht und Vertreibung von hunderttausenden arabischen Palästinensern aus dem ursprünglichen britischen Mandatsgebiet Palästina assoziiert.
Schon einen Tag zuvor, am Freitag, demonstrierten palästinensische Gruppen am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Die Versammlung stand offenbar unmittelbar im Zusammenhang mit der Eskalation zwischen Israel und radikalen Palästinensern aus dem Gaza-Streifen und fand unter dem Motto "Demonstration für Palästina" satt.
Aufgerufen wurde von Akteuren aus dem eher zivilgesellschaftlichen Spektrum, aber auch Hamas-Sympathisanten und Fattah-Funktionäre wurden unter den Demonstranten vermutet.
Am Sonnabend um 13 Uhr wollen zunächst 150 angemeldete Teilnehmer vom Hermannplatz zum Rathaus Neukölln laufen. Zwei Stunden später startet ein weiterer Demonstrationszug auf derselben Route unter dem Motto „Tag der politischen Gefangenen Palästinas“. Initiator ist hier die Gruppierung „Samidoun Deutschland“, die von der israelischen Regierung erst im März zur Terrororganisation erklärt wurde.
Sympathisanten der Terrorgruppe PFLP rufen auf
Offizielles Ziel der Organisation ist es, palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu unterstützen. Nach Informationen israelischer Sicherheitskreise dient „Samidoun“ parallel dazu als „Vorfeldorganisation“ der Terrorgruppierung „PFLP“.
Auf Facebook verbreitet "Samidoun" seit einigen Tagen gewaltverherrlichende Propaganda, sich unter anderem positiv auf die massiven Ausschreitungen arabischer Israelis in der israelischen Stadt Lod bezieht. Unter anderem heißt es in einem Beitrag "Die Stunde der Befreiung hat geschlagen ... Dank der Revolution unseres großen Volkes ist der Sieg näher als je zuvor."
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Der dritte Aufzug ist für 16 Uhr angemeldet. Vom Kreuzberger Oranienplatz aus wollen 250 angemeldete Demonstranten zum Neuköllner Hermannplatz laufen. Gefordert wird in dem Aufruf unter anderem der Kampf für „ein freies Palästina, vom Jordan bis zum Mittelmeer“, was das heutige Staatsgebiets Israels einschließen würde und damit das Existenzrecht des Landes verneint.
Experten erwarten, dass die Teilnehmer-Mobilisierung für den „Tag der Nakba“ sehr viel stärker ausfallen könnte als in den vergangenen Jahren. Und es wächst die Sorge, dass sich auf Berlins Straßen Szenen wie vor sieben Jahren ereignen können: Während des damaligen Gaza-Kriegs skandierten Teilnehmer mehrerer anti-israelischer Demonstrationen in der Hauptstadt antisemitische Parolen.
Schlimme Erinnerungen an 2017
Auch Ende 2017 war es in Berlin zu anti-israelischen Aufmärschen gekommen, an denen sich sowohl Anhänger der Terrorgruppen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), der radikalislamistischen Hamas und der schiitischen Hisbollah-Miliz beteiligt hatten. Sie gingen gemeinsam mit türkischen Faschisten, Unterstützern der türkischen Regierungspartei AKP und der palästinensischen Fatah auf die Straße. Hinzu kamen Gruppen, die gerade in Berlin seit Langem durch Hetze und Gewalt auffallen: Die Mitglieder von „F.O.R. Palestine“ etwa schlugen und traten mehrfach auf Kritiker ein.
Auch die Berliner Sektion der Boykottbewegung BDS ruft zum Widerstand auf. Mitglieder der Berliner Ortsgruppe haben seit Jahren Kontakte zu Anhängern der Terrorgruppe PFLP. Daher gilt es als wahrscheinlich, dass der BDS zumindest bei der Demonstration um 15 Uhr mitlaufen wird.
Propaganda der Berliner BDS-Gruppe
Die Berliner BDS-Sektion verbreitet aktuell auf Facebook, israelische Sicherheitskräfte hätten „die Al-Aqsa-Moschee überfallen und palästinensische Demonstranten brutal angegriffen“. Explizit ruft die Gruppe derzeit zum Boykott des Schuhherstellers „Puma“ auf, weil das Unternehmen neben vielen anderen auch israelische Fußballmannschaften unterstütze und damit „israelische Apartheid“ sponsere.
Auch abseits der politischen Gruppierungen wird massiv für das Wochenende mobilisiert. Eine populäre arabischsprachige Facebook-Gruppe, die sich an die gesamte Community in Berlin richtet und sonst vor allem über Alltagsthemen berichtet, postete ein Foto vom Hermannplatz mit palästinensischer Flagge. Die meisten Kommentatoren begrüßen die geplanten Proteste in Deutschland, der Hamas wird selten namentlich gehuldigt, stattdessen ist meist vom sogenannten „Gaza-Widerstand“ die Rede. Einer lobt: „Jetzt übernehmen die Löwen von Gaza die Führung im Krieg“.
Auch kritische Stimmen gegen die Hamas
Andere Nutzer kritisieren die Eskalation der Hamas. Sie unterstellen der Terrororganisation, sie versuche lediglich, mehr Solidarität zu erhalten. Einer schreibt: „Mit euren kaputten Raketen werdet ihr das Leben der Palästinenser erschweren. Denkt nicht, dass ihr mit eurem Angriff Jerusalem befreien werdet.“
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Ein arabischer Journalist, der in der arabischen Community sehr bekannt ist und auf seiner Facebook-Seite mehr als 100.000 Follower hat, schrieb, er wolle sich von diesem Konflikt distanzieren und sich auf seine Themen konzentrieren. In kurzer Zeit hatte er mehr als 2500 Kommentare unter seinem Beitrag. Die meisten sind Beleidigungen. Oder „Ihr Beitrag ist ein Beweis dafür, dass die deutschen Medien von Zionisten kontrolliert werden“.
In Berlin war es schon am vergangenen Sonnabend zu einem Gewaltausbruch gekommen: Bei einem Protest palästinensischer Gruppierungen, an dem sich mit fast 1000 Personen sehr viel mehr als die ursprünglich angemeldeten Teilnehmer beteiligten, gab es am Endpunkt nach Polizeiangaben aus einer Gruppe von etwa 100 Menschen heraus Flaschen- und Steinwürfe auf Polizeikräfte. Beamte setzten infolgedessen Pfefferspray ein. Kurzzeitig blockierten Demonstranten mit Müllcontainern und Holzpaletten die Fahrbahn der Neuköllner Sonnenallee. 16 Polizisten wurden während des Einsatzes verletzt.