Gestohlene Gedenkkreuze aus Berlin-Mitte: Aktionskünstler fahren an die EU-Außengrenzen
100 Personen sind heute mit Bussen von Berlin aus nach Griechenland gestartet. Dort sollen sich auch die weißen Gedenkkreuze vom Spreeufer befinden. Die Bundespolizei wollten aber vorher noch einen Blick in die Busse werfen.
Vor mehreren Tagen wurden die weißen Gedenkkreuze am Spreeufer neben dem Reichstag durch die Künstlergruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ gestohlen, um damit auf die Menschen aufmerksam zu machen, die heutzutage an den EU-Außengrenzen sterben. Am Freitag sollten um 13 Uhr zwei Busse mit 100 Personen das Festival „Voicing Resistance“ vor dem Maxim Gorki Theater eröffnen und in Richtung der EU-Außengrenzen starten. Mithilfe einer Crowdfunding-Aktion haben sie in den letzten Tagen statt der geplanten 5900 mehr als 30.000 Euro gesammelt und rufen damit zum vermeintlich "ersten europäischen Mauerfall" auf.
Große Aufruhr und viele Menschen begleiteten die umstrittene Eröffnungsaktion. Die fehlenden weißen Gedenkkreuze gaben der Bundespolizei Anlass, die Busse der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ auf mögliche Werkzeuge „mit denen Straftaten begangen werden könnten“ zu durchsuchen und so die Eröffnung des Festivals und folglich die Abreise der Busse zu verzögern. „Sie befinden sich mitten in der Inszenierung.“, so Philipp Ruch, künstlerischer Leiter der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ und einer der Regisseure der Inszenierung. Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters musste ihre Eröffnungsrede mehrfach nach Hinten verschieben.
Nach einer etwa einstündigen Verzögerung auf Grund der Durchsuchung der Busse ohne, dass verdächtige Werkzeuge von der Polizei sicher gestellt werden konnten, eröffnete das Festival dann mit dem Musiker Daniel Kahn, der abwechselnd auf Deutsch und Englisch die Zeilen „Wir werden gehasst und gejagt,“, sang. Anschließend sprach Shermin Langoff und bedankte sich zunächst für das zahlreiche Erscheinen. Zuerst sagte Langhoff, dass sie keinesfalls das Andenken an die Mauertoten schmälern möchte. Laut Langhoff sei es jedoch wichtig, sich gegen die Kriminalisierung einer Kunstaktion zu stellen. Sie sei froh, dass die Aktivisten den Mut haben, eine Debatte zu forcieren. „Gedenken kommt von Denken“, sagt Langhoff und sieht Geschichte als politischen Antrieb. Laut Langhoff seien viele der Aktivisten selber Opfer der Berliner Mauer gewesen.
Aktionskünstler wollen "bessere Kreuze" herstellen
In Berlin wird an diesem Wochenende mit einer großen Ballonaktion an den Mauerfall und die friedliche Revolution vor 25 Jahren erinnert. „Während in Berlin inhaltsleere Ballons in die Luft steigen und die üblichen Gedenkenträger nostalgische, verschleiernde und sedierende Reden halten, bringen wir die europäische Außenmauer mit Bolzenschneidern zu Fall! Hunderttausende Menschen sehnen hinter den europäischen Mauern einen neuen Mauerfall herbei“, so die Filmemacherin Cesy Leonard, Mitglied der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“.
Mehr als 300 Personen hatten sich nach dem Aufruf der Aktionskünstler am Montag bereit erklärt, die Busreise anzutreten und die Gruppe tatkräftig an der EU-Außengrenze zu unterstützen. „Leider reichen unsere Kapazitäten nur für 100 Personen aus, sodass wir bedauerlicherweise 200 friedlichen Revolutionären absagen mussten“, sagt Philipp Ruch, künstlerischer Leiter der Gruppe. „Einige von ihnen haben sogar geweint, als wir ihnen absagten.“
Philipp Ruch verspricht, dass die Kreuze am Sonntag unbeschadet zurückkommen, und unterbreitet zudem ein Angebot, „bessere Kreuze“ herzustellen. Ob sie pünktlich zu den Feierlichkeiten des 25. Mauerjubiläums wieder am Spreeufer neben dem Reichstag hängen, bleibt offen.
Merle Collet
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