Berliner Abgeordnetenhaus: AfD soll auf Platz im Untersuchungsausschuss verzichten
Die AfD-Fraktion wurde kleiner, also verliert sie einen Platz im Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatz-Anschlag. Doch die Sache ist kompliziert.
Sie tagen in abhörsicheren Räumen ohne Fenster, unter strengster Geheimhaltung und sie versuchen, Licht in das von Pannen geprägte Ermittlungsvorgehen der Berliner Behörden im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz zu bringen. Die Rede ist einerseits vom Verfassungsschutzausschuss und andererseits von dem am 14. Juli ins Leben gerufene Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus – deren Arbeit ist für die Aufklärung des Parlaments und damit der Öffentlichkeit elementar. In beiden Ausschüssen ist jeweils eine Höchstzahl von zehn Mitgliedern vorgeschrieben, auch weil das, was die ausgewählten Parlamentarier dort erfahren, nur teilweise nach außen dringen darf.
Auch die AfD-Fraktion stellt je Ausschuss zwei Mitglieder, das aber kann sich demnächst ändern – wenn das Parlament entscheidet, einen auszuschließen. Was auf den ersten Blick erscheinen mag wie Verschwörung von fünf Fraktionen gegen eine sechste, ist bei näherer Betrachtung geltende Rechtslage. Allerdings steht ein wichtiges Recht der Opposition, das Minderheitenquorum mit dem sie gegen die Mehrheit Beweisanträge stellen kann, auf dem Spiel. Die Sache ist kompliziert – und heikel.
Beide Ausschüsse sind derzeit entgegen dem Grundsatz im Gesetz nämlich nicht mit zehn, sondern mit zwölf Parlamentariern besetzt. Das liegt an dem in der Landesverfassung verankerten Zählverfahren nach dem belgischen Juristen Victor D'Hondt. Ausschüsse müssen spiegelbildlich nach Fraktionsstärke besetzt werden. Da es in dieser Legislatur sechs Fraktionen gibt, mussten die Gremien auf zwölf Mitglieder verstärkt werden, um auch einen Vertreter der kleinsten Fraktion, der FDP, dabei zu haben. Nur deshalb bekam die zweitkleinste Fraktion, die AfD, einen zweiten Sitz.
Doch es gibt einen Haken
Vor diesem Hintergrund erscheint das Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes (WPD) keine großen Probleme zu bereiten, wenn es empfiehlt, den Ausschuss für Verfassungsschutz und den Untersuchungsausschuss um jeweils ein Mitglied auf elf zu verkleinern. Den Grund dafür lieferte die AfD-Fraktion selbst, als sie im Juli den Abgeordneten Andreas Wild ausgeschlossen hatte. Damit änderten sich die Verhältnisse im Parlament so, dass nach Ansicht des WPD die Verkleinerung zwingend sei.
Einen Haken gibt es: So elementar die Aufklärung zumal im Untersuchungsausschuss ist, so wichtig sind die Minderheitenrechte der Opposition. Verliert die AfD ein Ausschussmitglied, können FDP und AfD, gemeinsam zwei Mann stark, keine Beweisanträge gegen den Willen der anderen Parteien durchsetzen. Denn dafür ist laut Gesetz „ein Fünftel der Ausschussmitglieder“ nötig. Auch bei elf Mitgliedern sind das mehr als zwei.
FDP und AfD müssten handlungsfähig bleiben
In den Augen des innenpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion, Karsten Woldeit, liegt dort das Problem. Da auch die CDU in einer für den Untersuchungsausschuss relevanten Phase vor dem Terroranschlag im vergangenen Dezember mit Frank Henkel den Innensenator gestellt hatte und Teil der Regierung war, müssten FDP und AfD handlungsfähig bleiben. Sollte das Parlament auf den Antrag eine Verkleinerung beschließen, wolle man Verfassungsbeschwerde erheben.
Woldeit ist außerdem Vize-Vorsitzender des Untersuchungsausschusses – diesen Posten kann er auch als alleiniges AfD-Mitglied in dem Gremium behalten. Die FDP sieht wegen des gefährdeten Minderheitenquorums den richtigen Moment für eine Gesetzesänderung. „Als Gesetzgeber können wir das heilen, aber dafür braucht man den Willen aller Fraktionen“, sagt ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Paul Fresdorf. Den gibt es, wie man hört, derzeit nicht. Torsten Schneider (SPD) weist darauf hin, dass das Minderheitenquorum in den letzten zehn Jahren nie zum Zuge gekommen sei und der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer, warnt davor, Gesetze nur für einzelne Fraktionen zu verändern. Damit ist er ausnahmsweise nah an der Linken: Aus Sicht von Steffen Zillich, sei die Verkleinerung vielmehr zwingend, denn „wenn der Untersuchungsausschuss falsch besetzt ist, droht uns, dass Entscheidungen angezweifelt werden, weil wir nicht richtig zusammengesetzt waren.“
Ein frommer Wunsch
Ob und wer den Antrag im Plenum stellt, darüber müssen sie in den Fraktionen noch beraten. Wahrscheinlich ist, dass das Parlament in seiner nächsten Sitzung am Donnerstag kommender Woche entscheidet. Zillich hoffe aber, keine Abwahl machen zu müssen, die AfD also freiwillig ein Mitglied abziehe. Das bleibt wohl ein frommer Wunsch.