Landtagswahl: AfD in Brandenburg - auf dem Weg zur Volkspartei
Die AfD in Brandenburg schmiedet eine Allianz mit der Straße. Ein Grund für die Stärke der Partei: Das Land wird unter den Möglichkeiten regiert. Ein Kommentar.
Nun ist es blaue Parteidoktrin. Die AfD in Brandenburg hat ihn vollzogen, den totalen Schulterschluss mit fremdenfeindlichen Initiativen wie Pegida oder „Zukunft Heimat“ in Cottbus, trotz ihrer Nähe zu Rechtsextremen. Alexander Gauland war noch davor zurückgeschreckt, als er den Landesverband und die Fraktion führte. Seitdem ist das Tabu gefallen. Man ist sich einig in dem Ziel, Flüchtlinge aus den Städten und Dörfern der Mark zu vertreiben, und zwar nicht allein Straftäter, sondern im Grunde alle, die hier Zuflucht gefunden haben.
Am Wochenende versammelte sich die Brandenburger AfD in Rangsdorf, um ihre Liste für die Landtagswahl am 1. September 2019 aufzustellen. Bei dieser Gelegenheit wurde der Schulterschluss nicht nur ausgerufen: Die AfD zieht mit einer Doppelspitze in den Wahlkampf, die dafür sinnbildlich ist. Parteichef Andreas Kalbitz, der zum Flügel um den Rechtsaußen Björn Höcke gehört, ist nun Spitzenkandidat.
Und gleich auf Platz zwei folgt Zukunft-Heimat-Chef Christoph Berndt. Fast wäre Berndt sogar selbst Spitzenkandidat geworden. Es fehlten nur fünf Stimmen. Ja, da waren sie, die Geister, die man gerufen hatte... Und man ahnt, warum die Auszählung neben dem Wahlverfahren von Laienspielern 13 Stunden dauerte. Bände spricht auch, dass fast jeder Dritte gegen Kalbitz stimmte. Noch ein T-Shirt „Merkel Jagd Club“ gefällig, für 20 Euro? Auch das bot nämlich die AfD in Brandenburg.
Gleichauf mit der SPD
Kein Zweifel, der traditionell ziemlich rechts stehende Brandenburger AfD-Landesverband ist nicht liberaler geworden und wird es wohl auch nicht mehr mit der künftigen Fraktion, mit noch mehr Kalbitz-Getreuen. Das passt einerseits in das Bild, das man von der Brandenburger AfD schon länger hat. Und dennoch hat dieser Parteitag etwas Neues gezeigt, das womöglich erklärt, warum die AfD so stark werden konnte. Seit Monaten liegt sie in Umfragen stabil gleichauf mit der SPD und könnte tatsächlich stärkste Kraft in der seit 1990 „roten“ Bastion werden, wo die SPD einmal die „Brandenburg-Partei“ war, früher.
Wie das breite Bewerberspektrum für den Landtag offenbarte, hat es die AfD mittlerweile geschafft, neben diversen Neurechten auch attraktiv für Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte zu werden: Handwerker, Landwirte, Ingenieure, Dozenten, Bundespolizisten, Unternehmer, Selbstständige und eine Kita-Erzieherin, die sich im Landeselternrat engagiert. Allerdings, so widersprüchlich ist das alles, hat es ausgerechnet von denen fast keiner auf die Liste geschafft, dafür aber Kalbitz-Getreue, AfD-Funktionäre, Referenten, und zwar auch, weil es Seilschaften und Abrechnungen gab, all die klassischen Muster wie in den geschmähten „Alt-Parteien“ auch.
Auf dem Weg zur rechten Volkspartei
Dieser Parteitag hinterlässt nicht wenige Enttäuschte und Frustrierte. Wer weiß, wohin das noch führt. Und trotzdem ist die gewachsene Anziehungskraft der AfD unübersehbar – und nicht allein mit der Flüchtlingspolitik zu erklären. Das hat auch mit der kleinen Brandenburger Welt zu tun, in der wie in der Großen einiges aus dem Ruder läuft. Dieses Land wird trotz seines Aufschwungs unter dem Möglichen und Notwendigen regiert. Im rot-roten Jahrzehnt erst unter Ministerpräsident Matthias Platzeck und auch unter seinem Nachfolger Dietmar Woidke ist vieles nicht oder nicht konsequent angepackt worden.
Da arbeiten Gerichte – entgegen allen Legenden personell nicht schlechter ausgestattet als anderswo in der Republik – unerklärbar langsam, sodass mal ein Neonazi-Brandstifter, mal ein Mörder freigelassen wird. Da fehlen Landärzte, sind übervolle Pendlerzüge, der miserabel ausgestattete Verfassungsschutz, Feuerwehren am Limit, Streifenwagen, auf die Leute lange warten müssen. Und da ist jene wachsende Ungeduld in der Bevölkerung. Der Befund mag verstören, und macht es für das Land nach der Landtagswahl noch schwieriger: Die AfD ist in Brandenburg auf dem Weg zu einer rechten Volkspartei.