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Das Blaue Radwegeschild signalisiert: Hier muss man den Radweg benutzen, weil die Verkehrsituation gefährlich ist.
© dpa

Streit um Benutzungspflicht von Radwegen: Anwalt setzt Behörden unter Druck

Der Weddinger Rechtsanwalt Andreas Volkmann zieht unermüdlich gegen Radweg-Schilder zu Felde – und hat fast immer Erfolg. Der Streit geht um die Frage: In welcher Verkehrssituation sollte es Pflicht sein, einen Radweg zu nutzen?

Andreas Volkmann hatte nicht vor, seinen Lebensunterhalt auf Kosten der Verwaltung zu bestreiten. Aber es gelingt ihm zunehmend. „Wir überspringen gerade die Marke von 20.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten“, sagt der Weddinger Rechtsanwalt. Gerade endete wieder ein Prozess zu seinen Gunsten. Wieder ging es um die Frage, ob ein Radweg benutzt werden muss. Diese Pflicht besteht seit 1997 nur noch, wenn der Weg mit blauem Schild gekennzeichnet ist. Und die Schilder dürfen nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur an besonders gefährlichen Stellen stehen. Sonst müssen Radfahrer die Wahl haben, ob sie den Radweg oder die Fahrbahn benutzen, auf der sie oft schneller und sicherer vorankommen.

Er klagt die Demontage von Radwegeschildern ein

Anfangs hat sich der begeisterte Radfahrer Volkmann vor allem die Radwege vorgeknöpft, auf denen die Schilder nicht gerechtfertigt waren. Meist gab die Verkehrslenkung Berlin (VLB) seinem Widerspruch gegen die Benutzungspflicht statt und sagte die Demontage der Schilder zu. Dass dies einige Zeit dauern würde, weil die Arbeit erst an die Bezirksämter delegiert und oft Ampelschaltungen geändert werden mussten, war klar. Aber wenn die Schilder nach einem Jahr immer noch hingen, klagte Volkmann die Demontage ein. Inzwischen ist nur noch ein Sechstel der Berliner Radwege benutzungspflichtig.

Oft müssen Ampelschaltungen umprogrammiert werden

In letzter Zeit verschob sich Volkmanns Fokus von den „Demontage-Klagen“ auf solche Strecken, auf denen die Verkehrslenkung die Benutzungspflicht beibehalten will. Der Streit beginnt jeweils mit einem an die Verwaltung adressierten Widerspruch. Dem kann sie zustimmen oder ihn ablehnen. „Aber meistens bekomme ich gar nichts“, sagt Volkmann. Also reicht er Untätigkeitsklagen ein. „Theoretisch könnte ich diese Klagen nach drei Monaten einreichen, aber dazu komme ich gar nicht“, sagt Volkmann. „Diverse Widersprüche sind noch aus dem vergangenen Jahr offen. In all diesen Fällen könnte ich ebenfalls klagen.“ Die Gerichts- und Anwaltskosten setzt die Justiz fest; meist werden pro Straßenzug 1000 bis 2000 Euro fällig. Und da Volkmann die meisten Verfahren gewinnt, muss die Verkehrslenkung zahlen – Steuergeld.

Nach Auskunft der Stadtentwicklungsverwaltung, zu der die VLB gehört, sind von den Streits vor allem Hauptverkehrsstraßen betroffen, was die Umprogrammierung der Ampeln besonders aufwendig macht. Dabei wird jeweils die „Räumzeit“ so verlängert, dass ein Durchschnittsradler bei Dunkelgelb noch heil über die Kreuzung kommt, bevor der Querverkehr startet. Diese Prozedur sei so kompliziert, dass sie angesichts der bekanntermaßen dünnen Personaldecke der VLB kaum beschleunigt werden könne, heißt es. Zudem sei jede Gerichtsentscheidung ein Einzelfall.

"Radfahrer sind für die Behörde wie eine alte Dame", sagt Volkmann

Volkmann dagegen sagt, die Verkehrslenkung verkompliziere die Sachen. „Es würde nicht schaden, wenn man sich da etwas externen Sachverstand holen würde, beispielsweise beim ADFC.“ Sein Eindruck sei, „dass eine Autofahrerbehörde am Verwaltungstisch über den Radverkehr entscheidet“. Als Beweis führt er die zunehmend übliche Regelung an, die Radfahrer direkt vor Kreuzungen mit dem blauen Schild von der Fahrbahn zurück auf den Radweg holt, „also genau dorthin, wo die schweren Abbiegeunfälle passieren“. Radfahrer seien für die VLB „wie eine alte Dame, der über die Straße geholfen werden muss. Im Zweifel müssen sie absteigen.“ Mit dem alltäglichen Stadtverkehr habe das nichts zu tun.

Für die Verkehrslenkung dürfte Volkmann mit bisher fast 20 Gerichtsverfahren eine Plage ohnegleichen sein. Insgesamt hatte die Behörde in jüngster Zeit etwa 40 Prozesse am Hals, wie die Stadtentwicklungsverwaltung mitteilt: 24 beträfen die Radwegbenutzungspflicht, acht die Demontage der entsprechenden Schilder.

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