Süßigkeiten in Berliner Schulessen: Achtung, Schoko-Schule!
Ein zuckriger Riegel zum Nachtisch? Zu Hause ist das mal erlaubt, beim Schulessen aber nicht. Öffentliche Einrichtungen, die Kinder mit Industrie-Süßigkeiten anfixen, sollten nachsitzen.
Schokoriegel zum Nachtisch? Da war sogar meine Tochter baff: „Ein Corny gab’s heute Mittag, mit fett Schokolade rundrum!“, erzählte sie neulich. Meine Tochter liebt Süßes, wie alle Kinder. Aber wir haben wohl doch nicht alles falsch gemacht bei der Erziehung. Denn so richtig Freude über diesen ernährungsphysiologischen Sündenfall kam bei ihr nicht auf. Weil der Schulhort der Tatort war und nicht in der heimischen Küche genascht wurde. Und das ist: ein Skandal! Jawohl, nichts Geringeres als das.
Darf ich daran erinnern, dass die Schule einen Bildungsauftrag hat? Dass Kinder lernen müssen, dass ausgewogene Ernährung wichtig ist? Weil Burger, Softdrinks und Schokoriegel an jeder Ecke zu haben sind, sich schon im Kindesalter an den Hüften festsetzen und der Gesundheit ganzer Generationen zusetzten, weil sie es nicht besser wussten. Schlagt bitte mal den Sozialbericht auf, da ist es nachzulesen: Reich an Kalorien isst, wer arm an Bildung ist. Und Schokoriegel sind billig und praktisch: Ratsch, auf und rein damit. Die Wirkung setzt sofort ein: „Hmm, fett, Alter!“ Da wächst der Speck – und die Zahl der Adipösen in Berlin.
Alles nicht so schlimm, weil der Riegel aus Müsli war und nicht aus Schoko? Wer das glaubt, hat die Propaganda des Marmeladen-Fabrikanten geschluckt, der Corny mischt. Meine Meinung, aber ich bin in guter Gesellschaft: Rot beim Fettgehalt, warnt der „Ampelcheck“ der Verbraucherzentralen, die den „Ernährungswert“ des Riegels prüfte. Das gilt sogar für die Light-Variante. Krasser noch urteilten die Ernährungsexperten von „Foodwatch“, nachdem sie nach Getreideflocken im Schoko-Corny suchten und nur zehn Prozent fanden, aber dafür massig Zucker: ein Drittel der Zutatenmenge. Und außerdem? Gepresste Mehlbällchen in Körnerform, pflanzliches Fett und Aromen – lecker.
430 Kalorien pro 100 Gramm - fast so viele wie ein Twix
Mit rund 430 Kalorien pro 100 Gramm habe der Riegel nur 53 Kalorien weniger als die Schoko-Keks-Karamell-Bombe Twix. „Das Beste aus dem Korn“, wie der Hersteller warb, sei für die „klebrige, hochgradig verarbeitete Industrie-Süßigkeit“ eine „massive Verbrauchertäuschung“, sagt „Foodwatch“. Der Hersteller weist die Kritik zurück. „Auch wir glauben, dass Schokolade glücklich macht“, schreibt dieser auf seiner Website. Das ist immerhin ehrlich. Und was kann der Fabrikant schon dafür, dass die Minderjährigen in der Schule angefixt werden.
Bitte nicht missverstehen, wir essen auch gern mal was Süßes – ein Corny, ja, warum denn nicht? Aber: Ein Riegel ist keine Nachspeise und gehört schon gar nicht auf den Mittagstisch. Wahrt doch wenigstens den Schein, dass Mahlzeiten zubereitete Speisen sind. Schon vergessen, dass Kochen an der Wiege der Kulturwerdung steht? Dann hier ein Lesetipp: Claude Lévi-Strauss’ „Das Rohe und das Gekochte“.
Wer es gelernt hat oder besser noch erfahren: Gekochtes kann verdammt gut schmecken, gerade wenn es nicht klebt und pappt oder so viel Salz und Zucker enthält, dass der Blutdruck durch die Decke schießt – und in ein paar Jahren die Adern verstopft sind.
Ist dieser Fall auch ein Armutszeugnis für die Berliner Schulpolitik? Seinen Auftrag zur Schulspeisung erhielt der Caterer, obwohl er beim Testessen von Eltern und Schüler durchfiel. Wird da Bürgerbeteiligung vorgetäuscht und dann ausgehebelt? Die Senatsschulverwaltung sagt: Die EU-Richtlinien für die Ausschreibung zwingen sie dazu. Weil Eltern und Kinder von zwölf Schulen dem Schoko-Caterer noch viel schlechtere Noten gaben als die Kontrolljury aus Verwaltungsbeamten, müssen „sachfremde Erwägungen“ vermutet werden. Deshalb bekam der durchgefallene Caterer den Auftrag.
Zur Ehrenrettung der Berliner Behörde sei gesagt: Auf den Riegel-Fall angesprochen, will sie mit dem Caterer sprechen, dass es ja nicht wieder vorkommt. Zumal laut Ausschreibung „die Anbieter im Prinzip auf Portionsverpackungen und einzelverpackte Fertigdesserts verzichten sollten“. Der Caterer will es aber eh nicht gewesen sein: „Schoko- oder Müsliriegel sind generell nicht Bestandteil der Menüs“. Auf „Wunsch einer Schule“ seien diese „einmalig“ ausgegeben worden.