„Verrückt nach Westerland“: Ab Mai wieder Direktflüge von Berlin nach Sylt
Über Jahre gab es für Berlins große Sylt-Fangemeinde keinen schnellen und direkten Weg auf ihre Lieblingsinsel. Easyjet will das ab Mai ändern.
„Es ist zwar etwas teurer, dafür ist man unter sich“, sangen die Ärzte 1988 in ihrem Spottlied „Westerland“. Es ging um die bereits zu Zeiten der geteilten Stadt weit verbreitete Sehnsucht der Berliner nach der nördlichsten – und exklusivsten – deutschen Nordseeinsel Sylt.
In den 1980er Jahren durfte keine deutsche Airline Flüge von und nach West-Berlin anbieten. So verband zeitweilig die kleine US-Airline „Modern Air“ und British Airways Tegel direkt mit dem kleinen Flughafen Sylt (Code GWT), der nur zwei Kilometer östlich des Zentrums der Inselhauptstadt Sylt liegt. Wer das nötige Kleingeld hatte, flog mit der "Mittagsmaschine" aus der Mauerstadt auf die Insel am weiten Meer.
Nach der Wende flog auch Air Berlin eine Weile direkt. In den letzten Jahren vor der Pleite 2017 mussten Berlins Sylt-Fans aber an Air-Berlins damaligen Drehkreuz Düsseldorf umsteigen, um dann mit einer Turboprop-Maschine, einer „Dash 8“, auf die Insel zu kommen.
Bald können Sylt-Fans diese Zeit wieder aufleben lassen. Die britische Fluggesellschaft Easyjet, die diverse Flieger und Strecken von Air Berlin übernommen hatte, kündigte am Donnerstag an, vom 4. Mai an wieder direkt von Tegel nach Sylt zu fliegen. Allerdings gibt es keine tägliche "Mittagsmaschine" mehr, sondern nur noch eine pro Woche. Jeden Sonnabend geht es ab 18:40 Uhr ab Tegel in 1 Stunde und 15 Minuten hin, um 20:40 Uhr hebt der relativ kleine Mittelstrecken-Airbus (Typ A319) dann wieder von Sylt gen Tegel ab.
Die Strecke ist vorerst für den Sommerflugplan bis zum 26. Oktober eingeplant, teilt Easyjet auf Nachfrage mit. Insgesamt sollten zunächst 8000 Tickets verkauft werden. Allerdings gilt Sylt als touristisches Ganzjahresziel. Sollte die Verbindung gut laufen, könnte die Airline auch daran festhalten. Die Ticketpreise starten ab 39,99 Euro pro Person je Richtung, basierend auf zwei Passagieren, die mit der gleichen Buchung reisen - inklusive Steuern sowie Verwaltungs- und Kreditkartengebühren, heißt es.
Was will man auf Sylt?
Doch was will man überhaupt da? Ein Teil des Mythos gründet auf Filmen wie dem Atze-Brauner-Streifen "Heißer Sand auf Sylt" von 1968. Auch die Zeiten, wo Berliner auf die Insel gereist sind, um einmal den silbergrauen "Berliner Playboy" Rolf Eden in Badehose zu sehen oder Moderator Johannes B. Kerner beim Schnitzelessen in der "Sansibar" zu beobachten, sind irgendwie vorbei.
Doch das schöne für manchen Berliner ist und bleibt, dass es auf Sylt ein bisschen so ist wie zu Hause - nur eben am Meer: So heißt die zentrale Flaniermeile in Westerland "Friedrichstraße". An deren Ende weist ein steinerner Bär den Weg zurück: 516 Kilometer bis Berlin.
In der Friedrichstraße 37, in der Schank- und Speisewirtschaft "Alt Berlin", treffen sich zwar nicht nur Fans von Hertha oder Union, wenn man den Wimpeln an der Saaldecke glauben darf, auch gibt es dort kein Schultheiß vom Fass, wie der Tagesspiegel einmal vor Ort recherchierte, aber immerhin Berliner Weiße. Und auch die Spandauer Eis-Fabrik Florida Eis wird ihre kleine Westerland-Filiale (Norderstraße 81) hoffentlich wieder eröffnet haben, sobald die ersten Easyjet-Berliner im Mai aus dem Airbus stolpern.
Es geht auch klimafreundlicher
Speziell einen Tag bevor die junge Klima-Aktivistin Greta Thunberg zur großen "Fridays For Future"-Demo in Berlin erwartet wird, sei gesagt, dass man natürlich auch klimafreundlicher mit der Deutschen Bahn über den Hindenburgdamm vom Festland nach Sylt fahren kann.
Die Fahrzeit beträgt gut fünf Stunden mit Umsteigen in Hamburg. Oder man kompensiert den Ausstoß der 359 Kilogramm Kohlendioxid (CO2), die eine Flugreise im A319 von Tegel nach Sylt und zurück produziert, bei einem Anbieter wie Atmosfair. Der investiert die dann fälligen 20 Euro in zertifizierte Klimaschutzprojekte in aller Welt - zum Beispiel den Vertrieb effizienter Kochöfen in Afrika und Asien, der dazu führt, dass die Bewohner dort weniger Holz verfeuern.
Ein Petition, wonach der Bahndamm auch für Radfahrer geöffnet wird, führte bisher nicht zum Erfolg. Und auch das Unternehmen Flixbus, das vor drei Jahren erwogen hatte, direkt von Berlin nach Westernland zu fahren, konnte sich bisher offenbar nicht dazu durchringen. Bleibt also die Anreise per Privatyacht, per Zug und - ab Mai - eben per Flug. Vor lauter Vorfreude werden viele Berliner nun wieder den Ohrwurm der Ärzte im Kopf haben: "Ohhh ich hab' solche Sehnsucht / Ich verliere den Verstand! / Ich will wieder an die Nordsee, ohoho / Ich will zurück nach Westerland".
Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes waren andere Abflugzeiten angegeben. Easyjet hat diese korrigiert.