Infrastrukturfonds Siwana: 650 Millionen für Berlins Infrastruktur
Mit dem Siwana-Topf werden Investitionen in die wachsende Stadt gefördert. Wohin geht das Geld in der nächsten Runde? Eine neue Liste liegt vor.
Solange die Steuergelder in Berlin noch üppig fließen, will der Senat überschüssige Gelder im Landeshaushalt für wichtige Investitionsvorhaben und öffentliche Kapitalrücklagen einsetzen. Aus dem Jahresüberschuss 2018 in Höhe von 2,4 Milliarden Euro sollen 650 Millionen Euro dem „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ (Siwana) zugeführt werden. Allein für neue Schulcontainer und für Kita-Modulbauten sollen 85 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Im Detail ist die Projektliste zwischen den Koalitionsfraktionen noch strittig. Das Papier wurde am Montag der Staatssekretärskonferenz und den Chefs der Regierungsfraktionen zur Kenntnis gegeben. Vor allem Grüne und Linke haben Nachbesserungsbedarf. Am Donnerstag wird die Siwana-Verteilung in einer Klausurtagung des Senats ausführlich besprochen.
Zuschüsse für den Bau von Gotteshäusern
Auf der aktuellen Liste, die Grundlage der weiteren Gespräche ist, stehen auch kleinere Zuschüsse zur Verteilung an, die aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt von großer Bedeutung sind. So werden für das „House of One“, das am Petri-Platz in Mitte entstehen soll, 10 Millionen Euro bereitgestellt. Unter dem Dach des Gebäudes sollen eine Synagoge, eine christliche Kirche und eine Moschee entstehen. Ein Architekturentwurf liegt vor, die Bauarbeiten werden voraussichtlich in diesem Jahr beginnen.
Weitere zwei Millionen Euro werden im Rahmen von Siwana bereitgestellt, um die Planungen für den Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer voranzubringen. Das Gotteshaus in Kreuzberg wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 weitgehend zerstört und soll neu erstehen – als Synagoge und religionsübergreifendes Begegnungszentrum.
Sanierung von Verwaltungsgebäuden
Weitere 23,1 Millionen Euro will der Senat für die Sanierung des Rathauses Charlottenburg spendieren, außerdem rund 10 Millionen Euro für das Rathaus Köpenick und 13 Millionen Euro für das Rathaus Pankow. Die öffentlichen Verwaltungsgebäude in Berlin sind generell marode. Deshalb wird auch für andere Bezirke, die bisher noch kein Geld für die Sanierung ihrer Rathäuser erhalten haben, eine Pauschale von etwa 30 Millionen Euro eingestellt. Und für die zweite Sanierungsstufe des Hauses der Statistik sollen im Rahmen von Siwana etwa 30 Millionen Euro reserviert werden, geht aus der Liste hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.
6,5 Millionen für neue Kreißsäle
Geld gibt es auch für die dringende Sanierung der KFZ-Zulassungsstelle in der Jüterboger Straße in Kreuzberg. Und zwar 20 Millionen Euro, einschließlich der Technik für die elektronische Autozulassung, die bundesweit eingeführt wird.
Dann gibt es noch kleinere Zuschüsse: Etwa für den Neubau einer Wasserballarena auf dem Gelände des Kombibades Spandau-Süd, für ein neues Bootshaus in der Regattastraße und eine neue Sportanlage am Mellowpark, beides in Köpenick.
Zusätzliches Geld aus der Landeskasse ist außerdem für ein neues Flüchtlings-Ankunftszentrum in der Oranienburger Straße in Mitte und für Gebäudesanierungen im Bereich des Flüchtlingswesens. Der landeseigene Krankenhauskonzern Vivantes darf sich für 3,5 Millionen Euro ein neues Grundstück kaufen, für die Planung eines gemeinsamen Ausbildungszentrums von Charité und Vivantes werden 10 Millionen Euro Planungskosten locker gemacht und die öffentliche Krankenhausförderung wird um 20 Millionen Euro aufgestockt. Für neue Kreißsäle stehen zusätzlich 6,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Für neue Feuerwehrfahrzeuge und für die Erhöhung der Sicherheit in Berlins Haftanstalten gibt es jeweils 10 Millionen Euro. Die Evangelische Hochschule in Berlin bekommt zwei Millionen Euro Sanierungsgelder und für zusätzlichen studentischen Wohnraum am Aristotelessteig in Friedrichsfelde werden 20 Millionen Euro eingeplant.
U-Bahnwagenpark der BVG soll erneuert werden
Der richtig dicke Brocken ist aber ein Zuschuss für die Fahrzeugfinanzierungsgesellschaft der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), vor allem um den völlig überalterten U-Bahnwagenpark komplett zu erneuern. Das wird mindestens bis 2033 dauern. Insgesamt werden drei Milliarden Euro benötigt, dies ist sozusagen das Startkapital. Eine zweite große Zuwendung in Höhe von 70 Millionen Euro kommt den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zugute, um weitere Immobilienbestände aus bisher privatem Eigentum zu kommunalisieren. Zu guter Letzt will der Senat rund 40 Millionen Euro als Finanzreserve zurücklegen. Etwa um zusätzliche Wohnungsankäufe zu finanzieren oder um drohende Baukostensteigerungen abzufedern.
Geld aus Haushaltsüberschüssen wird nur langsam verbaut
Das ist schon die fünfte Überschussrate aus dem Landeshaushalt, die Siwana zugute kommt. Der öffentliche Investitionsfonds wurde 2015 noch unter der rot-schwarzen Landesregierung eingerichtet. Mit der neuen Tranche haben sich im großen Topf 3,7 Milliarden Euro angesammelt. Abgeflossen sind bisher allerdings erst 750 Millionen Euro. Rot-Rot-Grün, aber auch der Vorgänger-Regierung, fiel es bislang schwer, die Gelder aus den Haushaltsüberschüssen zügig zu verbauen. Das liegt auch daran, dass in den ersten beiden Siwana-Tranchen sehr viele kleine Projekte gelistet waren, die alle durch die öffentlichen Planungs- und Genehmigungsinstanzen müssen. Außerdem wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, Baufirmen und Handwerker für öffentliche Aufträge in Berlin zu begeistern. „Warum diese Projekte über Siwana laufen und nicht korrekt im Haushalt veranschlagt werden, bleibt das Geheimnis des Finanzsenator", kritisierte die FDP-Haushaltsexperte Sibylle Meister. Investitionen in die Infrastruktur seien richtig, Berlin habe aber ein massives Umsetzungsproblem. "Nur Planen hilft nicht, man muss es auch machen.“
Nachhaltigkeitsfonds für Zeiten der Schuldenbremse
Bestandteil von Siwana ist auch ein Nachhaltigkeitsfonds. Dort schlummern bisher 290 Millionen Euro, jetzt sollen 150 Millionen Euro hinzukommen. Diese finanzielle Rücklage ist dafür gedacht, in Zeiten der Schuldenbremse (ab 2020) zu helfen, konjunkturell bedingte Haushaltsdefizite auszugleichen. Seit 2012 produziert der Berliner Etat Haushaltsüberschüsse, aber dafür gibt es in den nächsten Jahren keine Garantie.
Und Berlin ist immer noch extrem hoch verschuldet. Ende 2018 betrug der Schuldenberg des Landes 57,6 Milliarden Euro. Ohne die seit Jahren historisch niedrigen Zinssätze wäre Berlin aus den roten Zahlen nie herausgekommen. Erst seit 2011, dem historischen Höchststand des Berliner Schuldenbergs von 62,9 Milliarden Euro, baut der Senat wieder Schulden ab.
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