Linker Protest trotz Corona-Krise: 5000 Polizisten am 1. Mai in Berlin – und weniger Toleranz
Autonome planen dezentrale Aktionen für den 1. Mai in Berlin. Die Polizei will früh eingreifen. Die Walpurgisnacht am heutigen Donnerstag ist ein erster Test.
Die ersten Steine fliegen schon. In der Nacht zu Mittwoch wurden Einsatzkräfte der Polizei in der Rigaer Straße in Friedrichshain attackiert. Auch für den 1. Mai stellt sich die Polizei auf eine Art Guerilla-Taktik ein: Wegen der Coronakrise sind Demonstrationen mit mehr als 20 Teilnehmern nicht erlaubt, die autonome Szene setzt deshalb ab Donnerstagabend auf kleinere dezentrale Aktionen.
Für die Polizei ist das eine besondere Herausforderung. Dies sonst übliche Taktik, Demonstrationen der linken Szene eng zu begleiten, Gewaltausbrüche zu unterbinden, Gewalttäter zügig festzusetzen, geht diesmal nicht auf.
Stattdessen setzt die Polizei auf die Raumschutz-Taktik. Kritische Bereiche werden großräumig kontrolliert, auf Aktionen soll schnell reagiert werden. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte an, die Polizei werde Absperrungen aufstellen, frühzeitig eingreifen und konsequent gegen verbotene Gruppenbildungen vorgehen.
Alles werde dem Infektionsschutz untergeordnet. Statt Deeskalation und Toleranz müssten die Regeln „in diesem Jahr strenger ausgelegt werden“.
Deshalb ist trotz weniger erlaubter Mini-Demonstrationen ein massiver Polizeieinsatz nötig. Etwa 5000 Beamte werden es sein, 1400 Kräfte wurden aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei angefordert, von Brandenburg sogar eine weitere Hubschrauberstaffel, um den Überblick zu behalten. 2019 waren 5500 Polizisten im Einsatz – und es gab weitaus mehr Demonstrationen und Feste.
Walpurgisnacht in Friedrichshain ist der Auftakt
Erste Proteste hat die linksautonome Szene für Donnerstagabend in Friedrichshain angekündigt. Am 1. Mai wollen linke Gruppen bunte Aktionen im Grunewalder Villenviertel starten. Auf dem Rosa-Luxemburg-Platz soll es erneut die nicht erlaubte Hygiene-Demonstration gegen die Anti-Corona-Maßnahmen geben, ein Querfront-Konglomerat aus Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und linken Aktivisten.
Ab 18 Uhr wollen linke Gruppen in Kreuzberg spontane Aktionen abhalten, gesteuert übers Internet, ab 20 Uhr soll es Feuerwerke geben. Für die linke Szene Ausdruck dafür, dass der 1. Mai „ein Kampftag für eine befreite Gesellschaft“ sei.
Masken als Problem: Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Politik
„Wir werden sicher Provokationen und bewusste Gesetzesübertretungen erleben, weil es der Szene vor allem darum geht, polizeiliche Maßnahmen und dementsprechende Bilder herauszufordern“, kommentierte der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Kelm, die Pläne der Linken. „Unsere Kolleginnen und Kollegen werden mit Augenmaß agieren, aber dagegen vorgehen müssen.“
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Als kritischen Punkt benannte der Berliner GdP-Vize das Thema Vermummungsverbot. „Die Politik hat eine klare Regelung bis hierhin leider verpasst“, sagte Kelm. „Das Vermummungsverbot wird aufgrund der momentan durchaus präsenten Anlegung von Mund-Nasen-Schutzmasken aus unserer Sicht schwer zu händeln sein. Man kann auch niemandem verbieten, dazu eine dunkle Sonnenbrille zu tragen.“ Der Gewerkschafter baut auf die Erfahrung der Einsatzkräfte, kritisiert aber die Politik. „Dieser Umstand aber hätte geklärt werden können.“