Clans in Neukölln: 50 Aktivisten bei Flashmob gegen Razzien und Vorverurteilung
Die Initiative „Kein Generalverdacht" hatte zum Shisha-Rauchen aufgerufen. Sie kritisiert einen Film, der Vorurteile gegen Neukölln und Clans reproduziere.
Shisha rauchen, aber politisch: Das ist das Ziel der Initiative „Kein Generalverdacht“, die am Dienstag zum Flashmob in Nordneukölln eingeladen hatte. Etwa 50 Anwohnerinnen und Anwohner des Kiezes hatten sich um 19 Uhr an der Ecke Karl-Marx-Straße/Saltykowstraße getroffen um zu essen, Musik zu hören und Wasserpfeife zu rauchen. Laut Polizei war die Veranstaltung bis 21 Uhr angemeldet. Sie soll friedlich abgelaufen sein.
Anlass war eine Vorführung des ZDF-Films „Wem gehört Neukölln“, der am Abend im Neuköllner Heimathafen gezeigt wurde. Die Dokumentation behandelt vor allem Schwerpunkteinsätze der Berliner Polizei rund um Drogen- und Clankriminalität im Bezirk. Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion statt, an der unter anderem der Bezirksbürgermeister Martin Hikel teilnahm.
Die Initiative kann dem Film nicht viel abgewinnen. „Wir haben es satt, dass bewaffnete Hundertschaften auf vermeintlicher Jagd nach organisierter Kriminalität durch unseren Bezirk ziehen und uns und unsere Nachbar*innen terrorisieren. Wir haben es satt, dass eine hysterische Berichterstattung diese Bilder immer weiter reproduziert, anstatt gründlich zu recherchieren und hinter das Spektakel zu schauen“, schreiben die Organisatoren.
Bewohner mit arabischen und türkischen Wurzeln würden als kriminelle Bedrohung dargestellt, kämen aber selbst kaum zu Wort. Kontrollen und Razzien im Bezirk seien wahllos, unverhältnismäßig und brächten Gewalt.
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Die Polizeieinsätze in Neukölln werden auch in der Linkspartei kritisiert. Ende Oktober sagte der Innenpolitiker der Linken Niklas Schrader im Berliner Abgeordnetenhaus in einer Debatte über Organisierte Kriminalität, dass die Einsätze auch unbescholtene Bürger träfen. „Gezielte Einsätze gegen Organisierte Kriminalität ja, Verbundeinsätze ja, aber flächendeckende Einsätze nein“, so Schrader. Er finde den Begriff „Clan" problematisch, da nicht alle Clans kriminell seien. Das würde viele Familien „stigmatisieren".
Der Grüne Abgeordnete Benedikt Lux bemerkte, dass Rot-Rot-Grün die Anschaffung neuer Technik unterstütze, um kriminelle Strukturen aufzudecken. „Es gibt keine Sippenhaft, keine Vorverurteilung. Verstärkte Einsätze sind zielgerichtet, nicht diskriminierend. Nur so kann sich der Rechtsstaat durchsetzen.“ Der Kampf dürfe aber nicht nur auf der Sonnenallee in Neukölln geführt werden. Geldwäsche und Steuerhinterziehung müssten noch viel stärker bekämpft werden.
Anima Müller