BVG investiert Milliarden: 40 Berliner U-Bahnhöfe bekommen zweiten Ausgang
Aus Sicherheitsgründen stattet die BVG ihre Stationen mit weiteren Ausgängen aus, darunter der Adenauerplatz. Jahrzehntelange Bauarbeiten stehen bevor.
Berlins U-Bahn bleibt auf Jahrzehnte eine Baustelle. Nicht, weil neue Linien gebaut werden, sondern weil Tunnel und Bahnhöfe baufällig sind. Milliarden müssen investiert werden. Die BVG hat jetzt mit einem Großprojekt begonnen: Die 40 Stationen, die nur einen Ausgang in der Mitte des Bahnsteigs haben, erhalten aus Sicherheitsgründen einen zweiten.
Auslöser dieser Nachrüstung war die Beinahe-Katastrophe im Juli 2000. Im Bahnhof Deutsche Oper brannte ein Zug vollständig aus, 350 Menschen saßen in der Falle, da es nur einen Ausgang gab. 31 Fahrgäste wurden verletzt, wie durch ein Wunder gab es keine Toten. In einem ersten Schritt bekamen elf Stationen, die nur einen Ausgang hatten, eine zweite Treppe am anderen Bahnsteigende.
Dieser erste Schritt ist abgeschlossen, nun folgt der zweite. Er werde wohl 20 Jahre dauern, schätzt Uwe Kutscher, der Bauchef der U-Bahn. Am Dienstagnachmittag zeigte Kutscher dem Tagesspiegel einige Baustellen der BVG: Auch der Adenauerplatz bekommt einen zweiten Ausgang. Bis 2024 werde man brauchen, schätzt Kutscher. 2018 hatte die BVG angefangen, einen Aufzug zu bauen. In der Summe wird also sechs Jahre gebaut – und das am Kurfürstendamm.
Bei vielen Berlinern hat sich wegen Dauerbaustellen wie den Bahnhöfen Rathaus Steglitz, Rudow oder Bismarckstraße der Eindruck festgesetzt hat, dass dort nichts passiere. Viele Tagesspiegel-Leser haben in den letzten Monaten gefragt, warum es an ihrer Station offenbar nicht vorangehe.
An der Bismarckstraße zum Beispiel wurde Anfang 2016 mit den Bauarbeiten begonnen. Mindestens bis Ende 2022 bleibt der Umstieg zwischen den U-Bahn-Linien 2 und 7 eine Großbaustelle – im besten Fall. Die Sanierung wird dann sieben Jahre gedauert haben.
BVG plant vollständige Erneuerung der Station Adenauerplatz
Ähnliches ist auch am Adenauerplatz zu erwarten. Wie immer kommt bei einem alten Bahnhof vieles zusammen: Die vorhandenen Treppen sind salzgeschädigt und der Bahnsteig der U-Bahn-Linie 7 hat seit einiger Zeit keine Fliesen mehr. Die waren lose und mussten aus Sicherheitsgründen abgeschlagen werden.
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„Kein schönes Bild“, räumt Kutscher ein. Die BVG plant nun eine vollständige Erneuerung der in die Jahre gekommenen Station aus den 70ern. Im Zwischengeschoss soll eine neue Ladenstraße entstehen. Viele kleine Lokale und Imbisse sollen sich künftig einen großen Sitzbereich in der Mitte teilen, sagte ein Planer der BVG-Tochter Urbanis, die die Immobilien betreut.
Dieser Sitzbereich soll nachts mit faltbaren Glaswänden verschlossen werden. „Alles wird heller und freundlicher“, kündigt er an. Am längsten dauern werde der Bau des zweiten Ausgangs in Richtung Wilmersdorfer Straße, der brandschutztechnisch separat von der bestehenden Verteilerhalle sein wird.
Neue U-Bahnstrecken in der SPD umstritten
Der Senat stellt in diesem Jahr 82 Millionen Euro für die Sanierung zur Verfügung, 2021 sogar 91 Millionen. Die BVG kalkuliert für die Grunderneuerung des U-Bahn- und Straßenbahnnetzes zwischen 2020 und 2029 mit 2,7 Milliarden Euro. Diese Summe hatte die Verkehrsverwaltung kürzlich genannt.
In der SPD ist die Frage, ob neue Strecken gebaut werden sollen, umstritten. Kürzlich hatte die designierte Spitzenkandidatin für die nächste Wahl, Franziska Giffey, fünf Streckenverlängerungen gefordert, darunter zum BER, ins Märkische Viertel und nach Pankow Kirche.
Der „Fachausschuss Mobilität“ der SPD lehnt dies jedoch strikt ab. Angesichts des Zustands der Anlagen „verbietet es sich, die Planungs- und Baukapazitäten und die Berliner Finanzen mit Ausbauphantasien zu belasten“, heißt es in einem Papier. Der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kommentierte gegenüber dem Tagesspiegel: „Die neu entdeckte Liebe zur U-Bahn kaufe ich der SPD nicht ab.“
U-Bahnhof Wittenbergplatz ist fertig
Ein Bahnhof immerhin ist fertig, und zwar einer der schönsten der Stadt: Zwei Jahre wurde am Wittenbergplatz für 2,9 Millionen Euro die denkmalgeschützte Fassade saniert. Kaum jemand hat wegen des alles umschließenden Gerüsts mitbekommen, dass die Stahlkonstruktion hinter den historischen Muschelkalkplatten völlig durchgerostet war.
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Die Tunnel vor und hinter dem Platz werden seit 2008 abgedichtet. Ausgerechnet an dem Tag, als die BVG die Sanierung der Fassade feierte, filmte eine Schülerin einen heftigen Wasserfall auf dem östlichen Bahnsteigende. Bei dem Starkregen habe sich das Wasser an dem Tag leider „seinen Weg gesucht“, sagte Kutscher.
Wer zwei Stationen weiter fährt bis Uhlandstraße, kommt in einer Höhle an, andere haben die Assoziation Bergwerksstollen. Alle Fliesen sind abgeschlagen, die Wände muffig-bröselig. Ein Ausgang ist aus Sicherheitsgründen geschlossen: Im Januar 2019 war eine Stufe des westlichen Ausgangs bei einer Probebohrung einfach rausgefallen – die Unterkonstruktion war durchgerostet.
Im Dezember soll der neue Eingang fertig sein, sogar mit einem neu geschmiedeten historischen Grenander-Bogen als Zierde. Kosten: 950.000 Euro. Der Stollencharakter bleibt bis auf Weiteres. Vor 2022 werden am Bahnsteig keine neuen Fliesen installiert, prophezeit Kutscher. „Wir sind erst in der Planungsphase“, sagt Kutscher, die Ausschreibung dauere dann mindestens ein halbes Jahr. Und die Betonsanierung sei langwierig. Kosten: weitere sieben Millionen Euro.