Analphabeten in Berlin: 320 000 Erwachsene können nicht richtig lesen und schreiben
Rund 14 Prozent der Berliner haben Schwierigkeiten, zusammenhängende Texte zu lesen. Jetzt will der Senat eine Strategie gegen Analphabetismus entwickeln.
Rund 320 000 Erwachsene in Berlin können nicht richtig lesen oder schreiben, und sind mit zusammenhängenden Texten überfordert. Von dieser Zahl geht die Senatsbildungsverwaltung aufgrund von bundesweiten Studien aus. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland rund 14 Prozent der erwachsenen Bevölkerung als sogenannte funktionale Analphabeten gelten. Insgesamt 18 Prozent sind in ihrer Lese- und Schreibfähigkeit auf dem Niveau von Zehnjährigen stehengeblieben – das ist beinahe jeder Fünfte. Für die Betroffenen ist dieses oft immer noch ein gesellschaftliches Stigma, das man so gut wie möglich verbergen möchte. Die Folge ist, dass viele Menschen sich deswegen nicht aktiv um Hilfe bemühen.
Der Senat will bis zum Ende des Jahres eine Strategie erarbeiten, um Menschen weiter zu ermutigen, Lesen und Schreiben zu lernen beziehungsweise ihre Fähigkeiten zu verbessern. Denn bisherige Angebote – beispielsweise der Volkshochschulen – erreichen nach Angaben von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nur einen Bruchteil der Betroffenen. Gerade mal ein Prozent von ihnen nehme entsprechende Bildungsmaßnahmen an, sagte Scheeres nach der Senatssitzung am Dienstag. Deswegen müsse man mehr auf die Menschen zugehen und Angebote machen. Dies sei nicht nur eine Sache der Bildungsverwaltung, sondern betreffe alle Senatsressorts.
Schon im Jahr 2012 hatten sich die Bundesländer verpflichtet, im Kampf gegen den Analphabetismus mehr Bildungsangebote zu machen, die Öffentlichkeit stärker für das Thema zu sensibilisieren sowie Anlaufstellen für Betroffene einzurichten. Damals hat der Senat den Runden Tisch Alphabetisierung und Grundbildung gegründet. Dem gehören Vertreter von rund 25 Verbänden an, dazu zählen Gewerkschaften, Bildungsorganisationen und Arbeitgeberverbände. Zudem wurden mehr Kurse für Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten an den Volkshochschulen und bei freien Trägern eingerichtet. Da besonders Verwaltungstexte bereits für Normalbürger oft schwer verständlich sind, hat die die Landeszentrale für politische Bildung zu den vergangenen Wahlen Broschüren in einfacher Sprache veröffentlicht.
Die bereits bestehenden Angebote sollen nach Scheeres’ Angaben jetzt besser aufeinander abgestimmt werden; zudem soll es neue Maßnahmen geben. Beispielsweise soll die Alphabetisierungsberatung in andere soziale Hilfsangebote integriert werden.