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Richard von Weizsäcker ist der bisher einzige Politiker, der es als ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin zum Bundespräsidenten brachte.
© dpa

Trauer um Richard von Weizsäcker: 2000 Gäste beim Staatsakt im Berliner Dom

Nach der offiziellen Trauerfeier wird der Sarg mit einer Eskorte in den Südwesten gebracht. Solche Staatsakte hat es schon mehrfach in Berlin gegeben.

Der Sarg wird nicht zu sehen sein. Die Bundesdienstflagge wird ihn bedecken, das ist Staatspraxis. Auch wird das Fahrzeug, in dem der Sarg des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker nach dem Staatsakt im Berliner Dom zum Dahlemer Waldfriedhof gefahren wird, keine Kennzeichen tragen – „um die verwendeten Staatssymbole in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken“, wie es im „Protokoll Inland“ der Bundesregierung heißt.

Gegen 13.15 Uhr wird die letzte Fahrt des am 31. Januar gestorbenen sechsten Bundespräsidenten beginnen, begleitet von einer fünfköpfigen Motorradeskorte der Polizei, vorbei am Büro von Weizsäckers Am Kupfergraben, am Reichstagsgebäude, am Schloss Bellevue und der Siegessäule, weiter nach Dahlem zum Begräbnis im Kreise der Familie. Die 2000 Gäste werden zu diesem Zeitpunkt auf Einladung des Bundespräsidenten Joachim Gauck im Roten Rathaus an einem Trauerempfang teilnehmen, der den offiziellen Teil der Feierlichkeiten beschließt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird unter den Gästen sein

Begonnen haben sie um 11 Uhr mit einem Trauergottesdienst im Dom, die Predigt hält Altbischof Martin Kruse. Ihm folgt am selben Ort der Staatsakt, bei dem Bundespräsident Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Antje Vollmer, Ex-Vizepräsidentin des Bundestages, und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprechen. Unter den Trauergästen wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sein. Dem Staatsakt schließt sich ein militärisches Abschiedszeremoniell an, bevor der Sarg zum Friedhof gefahren wird.

Vor fast genau neun Jahren war der Dom bereits der Schauplatz für Trauerfeier und Staatsakt zu Ehren des verstorbenen achten Bundespräsidenten Johannes Rau. Damals sprachen Raus Nachfolger Horst Köhler, der langjährige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel und Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer, der auch diesmal unter den Trauergästen ist. Am Tag nach der Beerdigung im Familienkreis auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof hatten die Bürger Gelegenheit, dem früheren Präsidenten die letzte Ehre zu erweisen. Sie taten es zahlreich, legten ihre Blumensträuße zwischen die offiziellen Kränze – ein Bild der Sympathie, die Rau genossen hatte.

Der Staatsakt für Altbundeskanzler Willy Brandt, wie Richard von Weizsäcker als ehemaliger Regierender Bürgermeister Berlin besonders verbunden, hatte 1992 im Reichstag stattgefunden. Unter den Trauergästen waren der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand, Uno-Generalsekretär Boutros Ghali, Prinz Charles wie auch Spaniens Ministerpräsident Felipe Gonzalez, der seine Rede mit einem letzten Gruß an den Verstorbenen schloss: „Adios, Willy, lieber Freund.“

Die Teilnahme der Bevölkerung an den heutigen offiziellen Trauerfeierlichkeiten sei nicht möglich, hieß es. Das war bei Brandt nicht anders, dennoch hatten sich tausende Berliner an den Absperrungen eingefunden. Und 1000 Menschen brachen nach der Feier zu einem spontanen Trauermarsch zum Rathaus Schöneberg auf. Brandt war damals auf dem Waldfriedhof Zehlendorf begraben worden.

Viele Berliner hätten es sich damals wohl gewünscht, auch an den Feierlichkeiten teilnehmen zu können. Bei dem am 29. September 1953 im Amt gestorbenen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter war das noch ermöglicht, ja gewünscht worden. Und die Bevölkerung erfüllte diesen Wunsch, vielhunderttausendfach. Schon am Haus des Verstorbenen in der Zehlendorfer Bülowstraße, davor zwei Polizisten als Ehrenwache, hatten sich viele Bürger versammelt, hielten respektvoll Abstand. Am Abend des 1. Oktober wurde Reuter zum Rathaus Schöneberg überführt. Auf dem Sarg lag die berühmte Baskenmütze, als es per Wagen erst zum rasch umbenannten Ernst-Reuter-Platz ging, vorbei an einer „ehrfürchtig schweigenden Menge“, wie der Tagesspiegel schrieb. Am Platz wurde der Sarg auf eine von sechs Pferden gezogenen Lafette gehoben, dann formierte sich der Ehrenzug samt Fackelträgern zu Reuters letzten Weg ins Rathaus, wo bei der Ankunft die Freiheitsglocke zu läuten begann. Am folgenden Tag wurde der Sarg auf der Freitreppe aufgestellt, die Bevölkerung hatte Gelegenheit, von Reuter Abschied zu nehmen, der Staatsakt folgte einen weiteren Tag später auf dem Platz vor dem Rathaus. Zehntausende Berliner waren gekommen, selbst Bundespräsident Theodor Heuss war da. Auch Reuter wurde auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof begraben, hunderttausende säumten seinen letzten Weg, auf dem ihm eine Eskorte von 40 Motorradfahrern der Polizei das letzte Geleit gab. „Stille lag über den Straßen der Stadt; viele verbargen die Tränen nicht, als sie den Sarg erblickten“, hieß es tags darauf im Tagesspiegel.

Auch Reuters Ost-Berliner Gegenspieler Friedrich Ebert, Sohn des früheren Reichspräsidenten und von 1948 bis 1967 Oberbürgermeister im Ostteil der Stadt, erhielt nach seinem Tod 1979 einen Staatstrauerakt des ZK der SED, gefeiert im heutigen Soho House in der Torstraße. Sechs Jahre zuvor waren diese sozialistischen Ehren dem früheren starken Mann der DDR, Walter Ulbricht, zuteil geworden, im Staatsratsgebäude am Schlossplatz. 1971 war er entmachtet worden, Erich Honecker hatte seither in der DDR das Sagen. Und wenngleich Staatsakt und Begräbnis aufwendig inszeniert wurden – sie galten doch einem Mann, der längst ausgespielt hatte. Kurz vor seinem Tod hatte Ulbricht noch die Umbenennung des zuvor seinen Namen tragenden Stadions der Weltjugend erleben müssen.

Lesen Sie mehr zu den Verkehrsbehinderungen in der Stadt unter diesem Tagesspiegel-Link.

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