Schüler schicken Brief an Regierenden Bürgermeister: 170 Berliner Schulen votieren gegen Abschlussprüfungen
Am 20. April sollen die Berliner Abiturprüfungen beginnen. Der Landesschülerausschuss ist für einen Verzicht – und hofft auf Unterstützung von Michael Müller.
Mit einem eindringlichen Appell hat sich der Landesschülerausschuss (LSA) an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie an den Berliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh gewandt und für den Verzicht auf alle diesjährigen Abschlussprüfungen geworben. Den Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt und am Samstagmorgen verschickt wurde, tragen alle zwölf Bezirksschülerausschüssen sowie über 170 Schulen mit. Dies sind fast alle öffentlichen Schulen, die zum Mittleren Schulabschluss und zum Abitur führen. Vereinzelt haben sich auch freie Schulen dem Appell angeschlossen.
Der Landesschülerausschuss verweist darauf, dass Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Italien die diesjährigen Prüfungen abgesagt hätten. Österreich habe Änderungen des Abiturs beschlossen.
"Wir möchten nicht das Land sein, welches das Risiko eingeht, die schlechtesten Abschlüsse Europas zu schreiben und dafür nebenbei in Angst und Panik versetzt, unser Leben und das unser Angehörigen zu riskieren", heißt es in dem Appell. Daher fordere der Ausschuss ein Abitur, das auf der Grundlage der Semesternoten vergeben werde.
LSA-Sprecher Miguel Góngora betonte, dass das Gremium der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Vorschläge unterbreitet habe, um die Prüfungen nicht komplett absagen zu müssen: "Wir empfahlen Hausarbeiten, wie in der 5. Prüfungskomponente des Abiturs, für Schüler*Innen zu ermöglichen, welche ihren Wohnungsort nicht verlassen können, weil entweder sie selbst oder ihre nächsten Angehörigen zu Risikogruppen gehören".
Scheeres warnt vor einem Alleingang Berlins
Wie berichtet, ist Scheeres gegen einen Alleingang Berlins bei den Abiturprüfungen und warnt davor, dass die anderen Bundesländer das Berliner Abitur unter Umständen nicht anerkennen könnten. Der LSA will aber erreichen, dass Scheeres sich in der Kultusministerkonferenz (KMK) für den Berliner Sonderweg einsetzt und die Anerkennung der Prüfungen absichert. Die KMK wird kommende Woche über das Thema verhandeln.
Das Schülergremium, das 360.000 Berliner Schüler vertritt, verweist auf die Ängste der Abiturienten, "sich oder ihre Angehörigen mit dem Virus anzustecken", andere litten gar unter der "massiven psychischen Belastung". Viele Schüler beklagten zudem Zeitmangel und Konzentrationsschwierigkeiten, da sie sich um ihre Geschwister, Angehörigen oder andere Personen kümmern müssen oder sich infiziert haben. In jedem Fall würden in diesem Jahr "keine vergleichbaren Prüfungsbedingungen" herrschen. Zudem sei es nicht möglich gewesen, Bibliotheken aufsuchen oder sich in Lerngruppen für Prüfungsvorbereitungen zu treffen.
"Weinende, wütende Schüler"
"Täglich empfangen wir als Landesschülerausschuss Berlin hunderte Anrufe von weinenden, enttäuschten oder wütenden Schüler*Innen, welche uns um Hilfe bitten", schreibt der LSA und betont, dass sich nicht nur Schüler, sondern auch Experten, Schulleiter, Lehrkräfte und auch einige Eltern gegen die diesjährigen Prüfungen ausgesprochen hätten. Er wisse nicht mehr, "wie er die Schülerschaft Berlins beruhigen soll" . Da der Landesschülerausschuss "die Hoffnung in die Senatorin dieser Stadt verloren" habe und er sich nicht mehr zu helfen wisse, wende er sich nun an den Regierenden Bürgermeister.
In der ganzen Stadt sollen Karikaturen verteilt werden
Zudem kündigte das Gremium weitere Aktionen an. "Derzeit haben wir unsere Ressourcen auf ein Auffordern der Senatorin und der gesamten Kultusministerkonferenz umgestellt. Dadurch erhält jetzt jede*r Kultusminister*In die persönlichen Schilderungen und Beschwerden der Schüler*Innen, welche unter den Berliner Entscheidungen leiden". Zudem werde man in der gesamten Stadt Karikaturen verteilen, "in denen Prüfungsräume voller Corona-Viren zu sehen sind". Dadurch sollten "die Auswirkungen der Entscheidungen der Senatorin allen Menschen dieser Stadt klar werden". Außerdem werde eine gemeinsame Erklärung und Aufforderung der Landesvorsitzenden mehrerer Landesschülervertretungen folgen, in welcher der LSA-Berlin Rückendeckung erhalten werde.