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Ausweitung der Kampfzone: Nach dem Entscheid für das Feld ist vor dem Entscheid zur Rettung des Volksgesetzes.
© dpa

Verfassungsänderung in Berlin: 15.000 Unterschriften - Schnellstart für neuen Volksentscheid

Die Initiative "Volksentscheid retten" will die Verfassung ändern: Ihr Ziel: Das Parlament soll Volksgesetze nicht mehr auf die Schnelle kippen können.

Das geht ab: 15.000 Unterschriften in 15 Tagen haben die Initiatoren des Volksentscheids zur Rettung von Volksentscheiden gesammelt. Damit beteiligten sich mehr Berliner in kürzerer Zeit als beim Start des erfolgreichen Volksentscheids zur Abwehr der Baupläne für das Tempelhofer Feld. Unmut und Trotz ist vielleicht auch dabei, denn der neue Volksentscheid ist mit dem alten eng verbunden: Kommt das neue „Volksgesetz“ durch, können Senat und Abgeordnete künftig nicht mehr auf die Schnelle ein Gesetz kassieren, das die Berliner zuvor per Volksvotum in Kraft gesetzt haben – so wie es beim Tempelhofer Feld Anfang des Jahres drohte.

Bis Ende Mai brauchen sie 50.000 Unterschriften

„Großartig“, nennt Kerstin Meyer, Mitstreiterin beider Kampagnen, den Start des neuen Volksentscheids, „aber wir brauchen noch viel mehr Stimmen in kurzer Zeit“. Der Zeitplan ist ehrgeizig: Bis Ende Mai sollen 50.000 Unterschriften vorliegen, damit die erste Hürde in diesem Volkslauf für direkte Demokratie genommen wird. Nur dann kann die Initiative sicher sein, dass die Berliner über ihren Gesetzesentwurf am Tag der Bundestagswahl 2017 abstimmen können. Nur an einem Tag wie diesem, wo die meisten ohnehin ins Wahllokal gehen, besteht die Chance, dass mindesten 1,25 Millionen von ihnen zugleich für die Änderung der Berliner Verfassung zugunsten von mehr direkter Demokratie votieren.

Die Macht zwischen Volk und Parlament ausgleichen

Warum das für die Initiative so wichtig ist? Weil das Abgeordnetenhaus nach gegenwärtiger Verfassungslage in wenigen Wochen ein Gesetz wieder kassieren kann, das das Volk kurze Zeit zuvor nach teilweise jahrelangen öffentlichen Debatten durchgesetzt hatte – oft genug gegen den Willen des Senats.
Kurzum, es gehe darum, das „Machtverhältnis zwischen Abgeordnetenhaus und Volksentscheiden auszugleichen“, sagt Meyer. Dazu wollen die Initiatoren des Volksentscheids ein „Einspruchsreferendum“ nach dem Vorbild von Hamburg einführen. Dieses könnten die Berliner dann ausrufen, wenn das Abgeordnetenhaus ein Volksgesetz wieder ändern will. Sammeln Aktivisten dann 50 000 Stimmen binnen vier Monaten gegen die geplante Revision eines Volksgesetzes, wären Abgeordnetenhaus oder Senat am Zuge: Diese müssten dann das Volk über ihre Pläne abstimmen lassen und 20 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich bringen, rund 500000 Berliner.

"Die Leute haben viel Demokratie in sich"

Gestartet war die Initiative „Volksentscheid Retten“ vor gut zwei Wochen mit einer Veranstaltung in Neukölln. Einige Dutzend Aktivisten stehen seitdem am Flugfeld Tempelhof, auf Märkten und verteilen Unterschriftslisten in Läden. Wer unterschreibt, bekommt eine Liste mit auf den Weg, mit der im Büro, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis mobilisiert wird. Die Mitverhafteten ziehen mit, sagt eine der Aktivistinnen: „Die Leute haben viel Demokratie in sich“.

Linke: "Senat trickst bei jedem Volksentscheid rum"

Allerdings „tut der Senat so, als ob die Stadt ihm gehört“, sagt Klaus Lederer von den Linken. Nicht einen Volksentscheid gebe es, „bei dem nicht rumgetrickst wird“, um das Gesetz zu verhindern. Dabei gehöre „zur funktionierenden Demokratie, dass sich deren Repräsentanten für korrigierbar halten“. Die Linke habe deshalb selber in ihr Wahlprogramm eine verkürzte Frist zur Intervention der Bürger sogar bei Parlamentsgesetzen eingeräumt. Dass damit die Handlungsfreiheit des Gesetzgebers zu stark eingeschränkt sei, sieht er nicht: „Nicht jede Frage törnt die Berliner so an, dass bei den Bürgern genug Energie und Resonanz da ist, um ein Gesetz zu stoppen“.

Politikforscher hält Bindungsfristen für "vertretbar", aber mahnt

Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung Halle hält „Bindungsfristen für Volksentscheide prinzipiell für vertretbar“, damit nicht der Eindruck entsteht, ein Gemeinderat oder Senat könne jederzeit kurzfristig ein eben erlassenes Gesetz wieder kippen. Er warnt aber auch davor, das Tor zur direkten Demokratie bedenkenlos aufzustoßen. Neun von zehn Nicht-Wählern in Sachsen-Anhalt seien für direkte Demokratie, wesentlich mehr als im Durchschnitt der Bevölkerung. Allerdings würden Nicht-Wähler sie nicht als Korrektiv ansehen, sondern als „System-Alternative“ zu der als eigennützig oder gar korrupt eingeschätzten politischen Klasse. Holtmanns Rat lautet daher, „den lädierten Ruf der parlamentarischen Demokratie zu reparieren“.

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