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Diversität - ein Thema, mit dem sich auch Hochschulen beschäftigen müssen.
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/ZB

Diverse Hochschulen in Deutschland?: Zur inklusiven Uni ist es ein Marathon, kein Spaziergang

Diversität und Exzellenz dürfen nicht länger als Widerspruch gelten: So gelingt es, dass auch Unis die Heterogenität der Gesellschaft abbilden. Ein Gastbeitrag.

Angela Ittel ist Vizepräsidentin für Strategische Entwicklung, Nachwuchs und Lehrkräftebildung an der Technischen Universität Berlin.

In seinem Beitrag „Unis sind noch lange keine inklusiven Orte“ formulierte Jan-Martin Wiarda im Tagesspiegel unlängst die berechtigte Forderung, dass sich Hochschulen, wie andere öffentliche Institutionen auch, endlich der Herausforderung stellen sollten, institutionelle Ausschlussmechanismen abzubauen und strukturelle Diskriminierung zu verhindern.

Außen vor bleibt indes, wie Hochschulen diese Aufgabe bewältigen sollten. Die TU Berlin hat sich im Dezember 2019 auf einen Weg gemacht, dieses Ziel zu erreichen. In seinem Durchdringungsgrad und damit die gesamte organisatorische Kultur der Hochschule betreffend ist er derzeit fast einzigartig.

Hochschulen müssen auf diese Forderung auf vielfältige Art und Weise reagieren: als Institutionen zur Schaffung und Vermittlung von Wissen und Innovation, als prägende Instanzen für die (ganzheitliche) akademische Bildung im Kontext globaler Herausforderungen und als moderne Arbeitgeberinnen.

Vielleicht tun sich Hochschulen sogar schwerer als anderer Einrichtungen

Ziel ist, dass die Mitglieder unabhängig von jeglichen diskriminierenden Zuschreibungen bezüglich Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung ethnischer und nationaler Herkunft, sozialer Lage oder religiösen Überzeugungen gleichwertige Chancen erhalten und sichtbarer Teil der Institution sind, um die Heterogenität in der Gesellschaft angemessen abzubilden. Vielleicht tun sich Hochschulen sogar schwerer als manch andere Organisation, hier explizit und offensiv vorzugehen - ist es doch unser Selbstbild, Orte der Bildung und Weltoffenheit zu sein.

Folgt man dem universitären Postulat einer neutralen Fähigkeits- und Leistungsbeurteilung, scheint der Handlungsbedarf vielleicht nicht allzu groß. Aus dem Bekenntnis, dass auch diese Prozesse notwendigerweise innerhalb gesellschaftlicher Diskriminierungsstrukturen stattfinden, folgt die Anfälligkeit dafür, diese zu reproduzieren.

Kein Widerspruch zwischen Exzellenz und Diversität

Dies zu verstehen und Konsequenzen daraus zu ziehen, ist die Voraussetzung dafür, den vermeintlichen Widerspruch zwischen angestrebter wissenschaftlicher Exzellenz und Diversität aufzulösen, Diskriminierung abzubauen und Chancengleichheit herzustellen. Wie unsere gesamte Gesellschaft, haben auch die Hochschulen hier noch einen langen Weg vor sich. Sie sind sich dessen bewusst und sie sind entschlossen, das zu ändern.

Die Autorin: Angela Ittel ist Vizepräsidentin der Technischen Universität Berlin.
Die Autorin: Angela Ittel ist Vizepräsidentin der Technischen Universität Berlin.
© David Ausserhofer

Wie so viele Universitäten hat auch die Technische Universität Berlin sich daher auf den Weg gemacht und eine Diversitätsstrategie entwickelt, die in unserem Fall auch explizit das Ziel der Antidiskriminierung enthält. Dass die Universität hinter diesem Ziel steht, wird daran deutlich, dass die Strategie im Dezember letzten Jahres einstimmig im Akademischen Senat verabschiedet wurde.

Wie so viele Universitäten bildet auch die TU Berlin in Leitung, Professor*innenschaft und Verwaltung bei Weitem nicht die Heterogenität unserer Gesellschaft ab. Trotzdem und auch genau deshalb, hat sie sich dazu bekannt, Diversität, Chancengleichheit und den Schutz vor Diskriminierung als strategische Kernthemen ihrer Hochschulentwicklung zu benennen.

Ein Verfahren, um Diskriminierung innerhalb der Uni zu erkennen

Mit der Verabschiedung ihrer Strategie hat die TU Berlin auch explizit beschlossen, es nicht bei diesem starken Statement zu belassen, sondern sich mit dem in Deutschland noch kaum genutzten Verfahren des Diversity-Impact-Assessments (DIA) auf den Weg zu machen, Diskriminierung innerhalb der Organisation auch auf struktureller Ebene zu identifizieren, zu reflektieren und nachhaltig abzubauen. Die Europäischen Union nutzt Impact Assessments schon lange für die Themen Gleichstellung und Umwelt in jedem Gesetzgebungsprozess und zahlreiche britische Universitäten untersuchen mit diesem Instrument bereits systematisch ihre Strukturen, Prozesse und Maßnahmen auf Diskriminierungs- und Ausschlussrisiken.

Ein Diversity-Impact-Assessment fragt systematisch und auf allen Ebenen: Welche Auswirkung hat ein Prozess, eine Strategie, Maßnahme oder Regelung auf die Diversität, Chancengleichheit und den Schutz vor Diskriminierung? Was können wir ändern, um Barrieren abzubauen und die Chancengleichheit zu erhöhen? Die TU Berlin hat sich damit bewusst für einen breit angelegten Prozess des Mainstreamings und der Organisationsentwicklung entschieden, da sie weiß, dass Einzelmaßnahmen hier nicht ausreichen.

Die Heterogenität der modernen Gesellschaft muss abgebildet werden

Diese Vorgehensweise folgt nicht nur aus der Verantwortung gegenüber allen, auch künftigen Hochschulangehörigen heraus, sondern ebenso aus der Überzeugung, dass nur so die TU Berlin ihrer Verantwortung als moderne Universität wirklich gerecht werden kann. Wissenschaftlich exzellente und gesellschaftlich relevante Forschung und Lehre ist nur dann zu leisten, wenn sie die Heterogenität der modernen Welt und ihrer Gesellschaft bewusst und durchgängig einbezieht und auch personell spiegelt. 

Die besten Köpfe, die wir, wie alle anderen Universitäten, bei uns versammeln möchten, sind auch und besonders jene, die unsere implizite und explizite Norm des Homo Academicus erweitern. Diversität und Exzellenz dürfen nicht mehr länger als Widerspruch gelten. Die passenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, ist unsere Aufgabe als Hochschule. Schnelle Erfolge können auf diesem Weg nicht erwartet werden, doch um hier voran zu kommen, müssen wir den Weg beschreiten.

Angela Ittel

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