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Eine junge Frau sitzt auf einer Terrasse mit Blick auf eine große Stadt.
© privat

30 Jahre Erasmus-Programm: Zu Hause im Ausland

Das Erasmus-Programm feiert 30-jähriges Jubiläum. Hier erzählen Berliner Studierende, was sie beim Austausch an der Uni und im Alltag erleben.

Dilara Ünlüel (25) studiert an der TU im Bachelor im 6. Semester Stadt- und Regionalplanung. Sie war ein Semester in Barcelona.

Für mich als Stadt- und Regionalplanerin ist es selbstverständlich, meinen Horizont zu erweitern – das gehört zu meinem Fach einfach dazu. Dass ich nach Spanien gehe, stand für mich früh fest: Ich wollte unbedingt mein Spanisch verbessern. Und ich wollte in ein südeuropäisches Land gehen, dessen Mentalität herzlicher als die deutsche ist. Lange habe ich dann zwischen Barcelona und Madrid geschwankt, letztlich war es eine Bauchentscheidung zugunsten Barcelonas.

Ich bin nicht enttäuscht worden – die Stadt ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Zwar sind die Katalanen etwas verschlossen. Es war daher nicht so einfach, tiefe Freundschaften mit ihnen aufzubauen. Dafür habe ich viele Leute aus anderen Ländern kennengelernt. Meine WG glich einem offenen Haus, ich habe mit Chilenen, Schweizern, Spaniern zusammengewohnt. Von meinen Kursen habe ich hinterher allerdings nur wenige anerkennen lassen können. Ich muss deswegen jetzt ein Semester länger im Bachelor studieren. Ein großes Problem bedeutet das für mich aber nicht. Auch für viele andere Studierende scheint das kein großes Hindernis zu sein – das ist mein Eindruck aus dem International Office, wo ich inzwischen Kommilitonen berate.

Was die angebliche südeuropäische Laisser-faire-Mentalität angeht, kann ich nur sagen: So organisiert wie die Orientierungswochen in Barcelona wünscht man sich die Uni immer.

Philipp Kuscher (22) studiert an der HTW im Bachelor im 5.Semester Wirtschaft und Politik. Er ist derzeit in Kopenhagen:

Phillipp Kuscher.
Phillipp Kuscher.
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Für mich beginnt gerade der Endspurt in Kopenhagen: Die letzte Klausur ist schon geschrieben, jetzt will ich noch einmal das Studentenleben genießen, bevor es Ende Januar zurück nach Berlin geht. Ursprünglich wollte ich einen Austausch in Australien oder Neuseeland machen. Das war aber zu teuer. Mit Erasmus ist es einfacher, weil die Studiengebühren erlassen werden und man ein Stipendium bekommt. Bei mir sind es knapp 275 Euro im Monat. Mein Fachbereich hat mir Skandinavien empfohlen, weil die Lehre dort sehr gut ist und die Kurse auf Englisch sind. Das war mir sehr wichtig.

Man duzt sich, jeden Freitag ein Umtrunk mit Dozenten

Sofort aufgefallen ist mir hier, dass die Distanz zwischen Lehrenden und Studierenden viel geringer als in Deutschland ist. Man duzt sich, jeden Freitag richtet meine Business School einen Umtrunk aus, an dem auch die Dozenten teilnehmen. Gemeinsam mit denen Bier trinken – das war eine Art positiver Kulturschock für mich. Der Unterricht ist viel intensiver. In keinem Kurs sind mehr als 20 Studierende, alles findet in Gruppenarbeit statt. Die Klausuren sind praxisorientierter: Wir müssen zum Beispiel einen Geschäftsplan für eine Firma entwerfen und den dann mündlich verteidigen. Das wird mir sehr viel eindringlicher im Gedächtnis bleiben als der in Deutschland abgefragte Lehrstoff, wo es doch meistens nur ums Auswendiglernen geht.

Ich mag auch das Lebensgefühl in Dänemark: Es ist viel gelassener, die meisten scheinen glücklicher als in Berlin. Ich will auf jeden Fall zurückkehren, es war eine aufregende Zeit in Kopenhagen.

Laila Taubert (22) studiert an der FU im Bachelor im 8. Semester Geschichte und Germanistik mit Lehramtsoption. Sie war für neun Monate in Tours:

Laila Taubert.
Laila Taubert.
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Als Berlinerin habe ich mich bewusst für eine kleinere Stadt entschieden – ich wollte das Gegenteil von Großstadt erleben. Die Universität in Tours hat zwar nicht den allergrößten Ruf, aber nach allem, was ich im Vorfeld im Internet recherchieren konnte, gefiel mir die Stadt. Mein Französisch wollte ich aufpolieren, ich kannte das Land aus dem Urlaub und mochte es. Es war auf jeden Fall spannend, an einen Ort zu kommen, wo ich niemanden kannte und Freundschaften ganz neu aufbauen musste.

Mein Mentor stellte mich schnell seinen Freunden vor

Geholfen hat mir vor allem das Partnerschaftsprogramm, das die Uni anbot. Jedem Austauschstudenten war ein französischer Mentor zugeteilt. Meiner hat mich relativ schnell seinem eigenen Freundeskreis vorgestellt, mit seiner Clique habe ich mich sehr gut verstanden. Das wäre auch mein Rat an Austauschstudenten: Geht auf die Einheimischen zu, habt keine Angst, sie könnten euren Akzent oder anfängliche Sprachschwierigkeiten komisch finden.

Die Kurse an der Uni glichen eher Vorlesungen: Entweder der Prof oder ein Student haben einen Vortrag gehalten. Was ich schade fand: Wir haben viel weniger über die Quellen und Texte diskutiert als in Berlin. Inhaltlich war das Geschichtsstudium natürlich mehr auf Frankreich konzentriert. Anrechnen lassen habe ich mir nur die Kurse, bei denen ich mit der Note zufrieden war. Letztlich habe ich dadurch etwas Zeit verloren. Das ist aber nicht schlimm: Ich habe sehr früh mit dem Studium begonnen. Als Nächstes plane ich eine längere Südamerika-Reise. Das Erasmus-Jahr hat mir gezeigt, wie gut es ist, eine Zeitlang im Ausland zu sein.

In Jerusalem geht es vor allem ums Faktenwissen

Alexander Zachrau (23) studiert an der FU im Master im 3. Semester Geschichte und Informatik auf Lehramt. Derzeit ist er in Jerusalem:

Alexander Zachrau.
Alexander Zachrau.
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Zum Studium nach Israel? Vor allem meine Mutter war wegen der Sicherheitslage erst einmal besorgt, umso mehr, weil ich mich für Jerusalem entschieden habe. Ich bin beim Thema Terror gelassen: Es ist statistisch gesehen einfach unwahrscheinlich, dass es einen selber trifft. Ich habe bereits mein freiwilliges soziales Jahr in Israel verbracht. Dieser Aufenthalt war ein Grund zurückzukommen, inhaltlich passt es sowieso: Ein Fokus in meinem Geschichtsstudium ist das deutsch-jüdische Leben.

Jüdische Studien, Nahoststudien, Politikwissenschaft

Hier an der Hebrew University bin ich in kein festes Programm eingebunden, so dass ich meine Kurse – die alle auf Englisch sind – frei wählen kann: jüdische Studien, Nahoststudien, Politikwissenschaft. Zum ersten Mal im Studium habe ich das Gefühl, das machen zu können, was ich wirklich will. Das bedeutet aber nicht, dass ich Kurse wieder abgeben kann, wenn sie mir nicht gefallen. Ich muss schon nachweisen, dass ich hier eine bestimmte Anzahl von Leistungspunkten absolviere, selbst wenn ich die in Berlin nicht einbringen werde.

Nicht erwartet hätte ich, dass es hier sehr ums Faktenwissen geht. Diskussionen, das Hinterfragen von Narrativen fehlen dagegen. Man könnte zum Beispiel analysieren, warum international gesehen so viele die Besiedlung des Westjordanlandes kritisch sehen – aber das passiert nicht. Womit ich nicht sagen will, dass ich hier nur pro-zionistische Dozenten habe. Das ist gemischt, viele haben anti-religiöse Meinungen.

In meiner WG lebe ich mit zwei Israelis zusammen, anfangs habe ich gar nicht so sehr den Kontakt zu internationalen Studierenden gesucht. Das hat sich inzwischen geändert: Manchmal bin ich froh, wenn ich mich mit anderen Deutschen oder auch Dänen über Studium und Alltag austauschen kann. Gerade habe ich um ein Semester verlängert. Ich verstehe endlich die Sprache so gut, dass ich richtig in das Leben eintauchen kann. Da wäre es schade, ausgerechnet jetzt wieder zu gehen.

José Gil (22) studiert im 7. Semester Pharmazie, kommt von der Uni Coimbra (Portugal und ist derzeit in Berlin.

José Gil.
José Gil.
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Meine Freundin wohnt in Berlin. Das war ein wichtiger Grund, hierherzukommen. Deutschland fand ich immer faszinierend, ich wollte in ein Land, das einen anderen als den südeuropäischen Lebensstil hat. Obwohl ich in Portugal ein Jahr lang Deutsch gelernt habe, war der Start hart. Ich belege an der FU die normalen deutschsprachigen Kurse. Am Anfang musste ich immer einen Übersetzer mit in die Uni nehmen. Inzwischen verstehe ich aber fast alles, auch wenn es mit dem Sprechen immer noch etwas schwierig ist. Die Atmosphäre an der Uni ist sehr motivierend. Mir gefallen vor allem die Seminare, in denen wir nur 20 Studenten sind und an praktischen Fällen lernen – für ein Paukstudium wie Pharmazie eine echte Abwechslung.

In Berlin kann es so kalt sein, aber Ukulele-Unterricht hilft

Es wird ja oft gesagt, dass internationale Studenten unter sich bleiben, aber das kann ich nicht bestätigen. Viele Deutsche habe ich kennengelernt, weil ich neben der Uni Musikunterricht gebe, zum Beispiel Ukulele-Kurse.

Was mir in Berlin nicht gefällt? Das Wetter. Es kann hier so kalt sein. Und manchmal habe ich so viel um die Ohren, dass ich die Stadt gar nicht richtig genießen kann. Gut, dass ich jetzt ein Semester dranhänge. Ein Ziel dafür: mehr Museen besuchen, mehr Kultur erleben.

Protokolliert wurde die Umfrage von Tilmann Warnecke. Informationen zum Jubiläum des Erasmus-Programms finden Sie hier.

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