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Studierende stehen im Foyer einer Universität und unterhalten sich miteinander.
© Fabiana Zander Repetto

Flüchtlinge an die Hochschulen: Zu Gast bei Humboldts

Die Humboldt-Uni hat Geflüchtete über ihr Gasthörer-Angebot informiert. Gekommen sind Menschen, die bereits im Asylverfahren Kontakt aufnehmen wollen - um dann richtig zu studieren.

Ihre Muttersprache ist Arabisch, daneben spricht Dunja fließend Deutsch, Englisch und Japanisch. Schon vor drei Jahren floh die 46-Jährige studierte Maschinenbauingenieurin aus dem umkämpften Aleppo nach Berlin. Den Terror des Krieges hat Dunja in Syrien am eigenen Leib erfahren, sie weiß um die tiefen Spuren, die Krieg und Vertreibung auf der Seele hinterlassen. Nun möchte sie Psychologie studieren, „um anderen Flüchtlingen zu helfen, mit ihrer Situation fertigzuwerden“.

Gemeinsam mit vielen anderen ist Dunja am Dienstagvormittag an die Humboldt-Universität gekommen, zu einer Informationsveranstaltung über die Gasthörerschaft für Flüchtlinge, die die HU ab diesem Wintersemester anbietet. Zunächst auf ein Semester begrenzt sollen Flüchtlinge die Möglichkeit erhalten, einzelne Lehrveranstaltungen des regulären Seminarplans zu besuchen.

Der Senat übernimmt die Gasthörergebühren für Flüchtlinge

„Ein Überbrückungsangebot“ nennt Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales, die Gasthörerschaft. Eine Hochschulzugangsberechtigung sei hierfür nicht erforderlich. Jochen O. Ley, der Leiter der Studienberatung, erklärt noch, den Geflüchteten werde nach Möglichkeit die Gasthörergebühr erlassen. Unterdessen hat aber schon die Wissenschaftsverwaltung per Pressemitteilung vom Dienstag angekündigt, dass das Land die Gebühren übernimmt - zwischen 30 Euro pro Veranstaltung an HU und TU beziehungsweise 160 Euro für die Gasthörercard der FU. Die Hochschulen sollen auch Geld für Sprachkurse und studienvorbereitende Kurse der Studienkollegs erhalten. An der Humboldt-Uni betont Vizepräsident Kämper-van den Boogaart, man plane – über die Gasthörerschaft hinaus – schnellstmöglich Perspektiven auch für ein reguläres Studium zu schaffen.

Achmed will Deutsch lernen, dann in den BWL-Master

Dies scheint auch dringend geboten. Befragt man die überwiegend aus Syrien stammenden Teilnehmer der völlig überfüllten Infoveranstaltung zum Schnupperstudium, so erfährt man, dass sich die allermeisten sehnlichst einen richtigen Studienplatz wünschen. So wie der 29-jährige Achmed, der seit vier Monaten in Deutschland ist und wie Dunja aus dem größtenteils zerstörten Aleppo stammt. Aus Syrien bringt er einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre mit, jetzt sucht er nach einer Möglichkeit, in Berlin seinen Master zu machen. Doch vorher muss er Deutsch lernen, das ist Achmed bewusst. Bis es für eine offizielle Bewerbung um einen Studienplatz reicht, will er englischsprachige Seminare und Vorlesungen an der HU belegen – als Gasthörer.

Geflüchteten, die weder Englisch noch Deutsch sprechen, bietet das Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Uni ab Oktober drei sozialwissenschaftliche Veranstaltungen auf Arabisch, Farsi und Kurdisch zu Themen wie Feminismus, Migration und Terrorismus an.

Die Charité beteiligt sich nicht - für viele eine Enttäuschung

Das Gasthörer-Programm geht quer durch alle Fachbereiche der HU. Die Charité allerdings beteiligt sich vorerst nicht – eine Enttäuschung für viele, die am Dienstag zur Infoveranstaltung gekommen sind. Die 24-jährige Nour aus Damaskus zum Beispiel hat vier Jahre lang Medizin studiert und hatte gehofft, etwas über ihre Chancen auf einen Abschluss in Berlin zu erfahren. Belal, 25, aus Homs, geht es ähnlich; er ist Zahnmediziner, weiß nicht, ob sein Abschluss in Deutschland anerkannt wird, würde aber gerne auf dem Gelernten aufbauen und Medizin studieren. „Auf jeden Fall will ich weitermachen“, sagt er. „Die Untätigkeit lässt meine Fähigkeiten verkümmern.“ Aber auch wenn sein Wunschstudium außen vor ist, wird Belal das Angebot der Gasthörerschaft nutzen. „Für die Integration“, sagt er, „um Leute zu treffen und die Sprache zu lernen.“

Gasthörerschaft als Zwischenlösung

Im ersten Stock des Hauptgebäudes der HU sammeln sich an diesem Dienstag etliche Menschen, die schon ein Studium absolviert haben oder weiterstudieren wollen. Sie stecken im laufenden Asylverfahren, wünschen sich, ihre Potenziale nutzen zu können. Der Gasthörerstatus an der HU und ähnliche Programme anderer Universitäten können, wie Michael Kämper-van den Boogaart betont, nur eine Zwischenlösung sein. Doch auch wenn sich die neuen Gaststudenten die besuchten Veranstaltungen wohl nicht auf ein späteres Studium anrechnen lassen können: Immerhin haben die Geflüchteten die Möglichkeit, sich in den deutschen Universitätsbetrieb einzufinden und sind nicht länger genötigt, in Untätigkeit zu verharren.

Der Bund will Ausbau der Studienkollegs fördern

Der Bund hat angekündigt, die Studienkollegs, die ausländische Bewerber auf ein reguläres Studium vorbereiten, auszubauen. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka spricht von zusätzlich 2500 Plätzen. Finanziert werden sollten auch „gebührenfreie Schnellkurse in Deutsch“. Wie viel Geld der Bund dafür zur Verfügung stellt, konnte das Ministerium bis zum Redaktionsschluss nicht sagen. Berlin rechnet mit Kosten von 4000 Euro pro Platz.

Bislang ist auch unklar, wie Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt im Studium finanzieren sollen. Für Asylbewerber wird die Wartezeit auf das Bafög ab dem 1. Januar 2016 von vier Jahren auf 15 Monate verkürzt. Berlin will erreichen, dass die Wartezeit ganz wegfällt. Alternativ könnten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anders als bisher möglich in den ersten 15 Monaten auch für studierende Flüchtlinge gezahlt werden, heißt es. Weggefallen ist bereits das Berliner Studierverbot: Der Innensenator verzichtet seit Anfang September auf einen entsprechenden Stempel in Papiere von Asylbewerbern, frühere Stempelungen gelten nicht mehr, sagt ein Sprecher.

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