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Forscherinnen bei der Arbeit.
© imago images/Belga

Der Bund und seine Forschungsagenturen: Zu deutsch bei Innovationen

Der Bund hat zwei Agenturen für Innovationen gegründet - und geht viel zu kompliziert vor. Die Ministerien behindern sich gegenseitig, sagt unser Kolumnist.

Angela Merkel sprach Klartext. Da die Bundesregierung sich entschieden habe, „sehr deutsch“, zwei Agenturen für Sprunginnovationen zu gründen, eine militärische und eine zivile, „haben wir uns natürlich ein weiteres großes Potenzial von Innovation genommen“ – so dass der Output nicht „so dramatisch“ sein werde, prophezeite sie beim Forschungsgipfel im Mai.

Die Selbstkritik der Kanzlerin in Ehren. Doch schon im Spätsommer 2018, als Merkels Kabinett den diesbezüglichen Beschluss fasste, brauchte es nicht die scharfe Intelligenz einer promovierten Physikerin, um zu erkennen: Es kann keine gute Idee sein, die Beamten von mindestens fünf Bundesministerien an der Gründung und der Kontrolle zweier Einrichtungen zu beteiligen, die mit der bisherigen staatlichen Förderlogik brechen sollen.

Erst recht nicht, wenn den Beamten gleichzeitig der Bundesrechnungshof im Nacken sitzt, der regelmäßige Berichte darüber verlangt, dass das investierte Geld nicht verschleudert wird. Wobei für die Rechnungsprüfer jede Investition verschleudert ist, die nicht in kürzester Zeit eine quantitativ nachprüfbare Gegenleistung erzeugt.

Dramatische Fehlkonstruktion

Noch dramatischer wird die Fehlkonstruktion dadurch, dass auch die beteiligten Ministerien jeweils ihrer eigenen Handlungslogik folgen: im Falle der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) das BMBF und das Wirtschaftsministerium. Bei der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit die Bundesministerien für Inneres und für Verteidigung. Und immer mit dabei: die Beamten des Bundesfinanzministeriums.

Die Handlungslogiken sind dabei so ähnlich wie in ihrer Kombination fatal: den Einfluss des eigenen Hauses sichern, nach außen hin wirkmächtig aussehen, die Abläufe in den Agenturen nach den Abläufen im eigenen Ministerium ausrichten und nicht umgekehrt. Und – vor allem – keine politischen Risiken eingehen, was in den meisten Fällen bedeutet: gar keine Risiken eingehen.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.
© Privat

Seit seinem Amtsantritt kämpft SPRIND-Forschungsdirektor Rafael Laguna de la Vera mit dieser Konstellation. Er schwankt zwischen demonstrativem Zweckoptimismus, dass die Politik nun wirklich verstanden hat, und impliziten Andeutungen, dass er irgendwann mit seinem Rücktritt drohen könnte – wenn es gar nicht anders geht und die SPRIND-Holperpartie auf ihn, den erfolgreichen Software-Unternehmer, zurückzufallen droht. Cyberagentur-Chef Christoph Igel hat den Kampf aufgegeben und ist in die Bundeswehr zurückgekehrt.

Die Idee an sich ist nicht das Problem

Was lässt sich aus alldem lernen? Zunächst einmal, dass nicht die Idee an sich das Problem ist. Das sieht offenbar auch Merkel so: Neulich beim Forschungsgipfel sagte sie, der Staat müsse mehr als bislang in Forschung und Innovation stecken, wie es die USA oder China längst täten.

Und in Anlehnung an den Max-Planck-Innovationsforscher Dietmar Harhoff schlug sie wiederum kleinere, unabhängige Forschungsagenturen vor, die „wie etwas freiere Satelliten“ agieren könnten. Freier zum Beispiel von Förderlinien des BMBF. Oder auch vom Gezerre mehrerer Ministerien.

Fest steht aber eben auch: Es reicht nicht, wenn sich eine Bundeskanzlerin solche Agenturen wünscht. SPRIND und Cyberagentur zeigen es: Die nötigen Freiheiten müssen von den zuständigen Ministern und Staatssekretären gegenüber der eigenen Verwaltung und den Haushaltsprüfern gesichert und dann entschieden verteidigt werden. Ohne ein solches persönliches und anhaltendes Commitment wird das nichts.

Schluss mit den vielen Köchen

Schließlich: Schluss mit den vielen Köchen. Ein verantwortliches Ministerium reicht. Das sich dann, Stichwort freiere Satelliten, extrem selbst bescheiden sollte. In dem Zuge sollte die Bundesregierung einmal darüber nachdenken, ihre gesamte Ressortforschung in einem Ministerium zu koordinieren. Dazu ein anderes Mal mehr.

Denn kurzfristig eine andere Erkenntnis wichtiger: Auch das von vielen geforderte Digitalministerium wird nur funktionieren, wenn es nicht nur „koordiniert“, sondern alle digitalpolitischen Kompetenzen, die derzeit über so viele Ministerien verteilt sind, bündelt. Das dürfte mal wieder Ärger geben. Besser man hat ihn gleich. Sonst wird er, siehe Sprunginnovationen, später umso größer.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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