Olympische Spiele 2016: Zika ist nicht das einzige Risiko in Rio
Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro wegen der Zika-Epidemie verschieben? Nein. Aber die Besucher sollten vorsichtig sein. Ein Kommentar.
Unverantwortlich. Unethisch. Ein unnützes Risiko. Die Formulierungen, die der Jurist und Biologe Amir Attaran von der Universität Ottawa und seine Mitstreiter in einem offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation WHO verwenden, sind drastisch. Die Forscher fordern, die Olympischen Spiele angesichts der Zika-Epidemie zu verlegen oder zu verschieben.
Man dürfe die 15.000 Athleten, die ab August in Brasilien um Medaillen kämpfen werden, nicht zwischen ihrer Gesundheit und dem Sport wählen lassen. Noch schlimmer: Einige der 400.000 Besucher könnten von infizierten Mücken gestochen werden und das Virus in weitere Regionen der Welt tragen. Die mehr als 200 Unterzeichner zweifeln an der Neutralität der WHO, die eng mit dem IOC zusammenarbeite. Kann es angesichts solch geballter Expertise noch Zweifel daran geben, dass die WHO mit dem Feuer spielt?
Zumindest sollte man skeptisch bleiben. Unter den Unterzeichnern sind auffällig wenige Virologen oder gar Zika-Experten. Diese Gruppe ist nicht nur unterrepräsentiert, sondern viele haben auf den Brief irritiert reagiert.
Olympia hat wahrscheinlich keine Auswirkung auf Verbreitung
1. Zika hat längst den Erdball umrundet. Derzeit melden 60 Staaten und Territorien die Übertragung des Virus, im Sommer werden kleine Ausbrüche in den USA und in Südeuropa erwartet. Den regen Reiseverkehr zwischen all diesen Gebieten kann man nicht zum Stillstand bringen. Der britische Tropenmediziner Jeremy Farrar, Direktor des Wellcome Trust und sonst nicht um Kritik an der WHO verlegen, sagte dem britischen „Guardian“: „Der Reiseverkehr rund um die Spiele macht etwa 0,25 Prozent des Aufkommens weltweit aus.“ Das reiche nicht, um die Verbreitung des Virus wirklich zu beeinflussen. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass die Besucherzahlen durch die Olympischen Spiele nicht steigen. Denn viele reguläre Touristen und Geschäftsreisende lassen sich von den Sportfans abschrecken.
2. Voraussichtlich werden sich höchstens ein bis vier Olympiateilnehmer oder -zuschauer mit Zika anstecken, errechneten Experten. Schließlich gibt es im brasilianischen Winter weniger Mücken.
Die größte Sorge gilt nach wie vor Schwangeren
3. Zika ist nicht Ebola. Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Erkrankung meist milde, wenn sie überhaupt erkannt wird. Neurologische Komplikationen wie das Guillain-Barré-Syndrom sind selten. Schwere Verläufe werden vor allem bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Immundefiziten vermutet. Die größte Gefahr besteht für ungeborene Kinder. Nach ersten Schätzungen tragen bei einer Infektion während der Schwangerschaft zwischen einem und 30 Prozent der Babys Hirnschäden davon, manche kommen sogar mit zu kleinem Kopf zur Welt. Auch Fehlgeburten sind möglich. Die größte Sorge gilt daher schwangeren Frauen.
4. Wenn man jetzt ein Land wie Brasilien abstraft, das transparent mit Zika umgegangen ist, wird ein anderer Staat die nächste Seuche lieber unter den Teppich kehren, als die Welt zu warnen. Mit erheblichen Folgen für alle.
5. In Brasilien lauern noch andere Gesundheitsrisiken – etwa Dengue, Chikungunya, Malaria und Gelbfieber, oder die mit Abwässern verseuchten Buchten wie die Guanabara Bay, keimbelastete Lebensmittel oder die Gefahr durch multiresistente Mikroben in Krankenhäusern. Das alles ist lange bekannt und hat niemanden besonders gekümmert.
Worauf Sportfans, die nach Rio fliegen, achten sollten
Ist also alles egal? Nein, Athleten und Besucher sollten sich vor der Reise beraten lassen und vor Ort vorsichtig sein. Dass Schwangere die Zika-Gebiete meiden sollten, versteht sich von selbst. Auch alle anderen sollten sich vor Mückenstichen schützen: Klimatisierte Zimmer, lange Kleidung, wirksames Insektenspray bewahren vor Erregern und die Daheimgebliebenen davor, dass die Viren und Parasiten zu ihnen getragen werden. Impfschutz hilft gegen Gelbfieber, Hepatitis A und Influenza. Auf der Südhalbkugel ist Winter und damit Grippezeit.
Hygieneregeln sollten beachtet und nicht vor lauter Begeisterung vernachlässigt werden. Lebensmittel sind in Brasilien oft mit Keimen belastet, darunter Salmonellen und Hepatitis A. Safer Sex ist wichtig, auch nach der Rückkehr. Zika kann sich monatelang in der Samenflüssigkeit des Mannes verstecken. In den Wochen nach der Heimreise, auf jeden Fall beim Sex mit einer schwangeren Partnerin, sollten daher konsequent Kondome benutzt werden.