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Üble Brühe. Abwasser kann Betonröhren im Lauf der Zeit zerstören.
© IMAGO

Schäden im Abwassernetz: Zerfressene Röhren

Sulfat im Abwasser richtet erheblichen Schaden an, dabei ließe sich das Problem leicht entschärfen, meinen australische Forscher. Dazu muss die Trinkwasserreinigung verändert werden.

Ein Blick über den Tellerrand könnte den Abwasserbetrieben der Welt jährlich Milliardenausgaben ersparen. So viel muss nämlich für den Ersatz von Betonröhren ausgegeben werden, die von Schwefelsäure aufgefressen werden. Das Problem ließe sich verringern, wenn man die Trinkwasseraufbereitung verbessert und dort kein Aluminiumsulfat mehr einsetzt, berichten Zhiguo Yuan von der Universität von Queensland in Brisbane und Kollegen im Fachmagazin „Science“.

Diesen Zusammenhang entdeckten die Australier, als sie die gesamte Kette von der Trinkwassergewinnung bis zum Klärwerk zunächst im Südosten des Bundesstaates Queensland und später in ganz Australien untersuchten. Das eigentliche Problem ist Sulfat im Abwasser, und das kommt zu 52 Prozent aus der Trinkwasserreinigung, stellten die Forscher fest.

In Berlin wird kein Sulfat zugesetzt

In vielen Weltregionen wird Aluminiumsulfat in das Wasser gegeben, um Schweb- und Trübstoffe sowie natürliche organische Substanzen herauszuholen. Ob das nötig ist, hängt von der Qualität des Rohwassers ab, in Berlin zum Beispiel ist dieser Schritt nicht erforderlich. Über die Wasserleitung kommt das Sulfat zum Verbraucher, wobei es weder den Menschen noch den Wasserleitungen oder den Geräten schadet. Auch im Abwasser ist die chemische Verbindung zunächst unproblematisch. Es sei denn, der Sauerstoff wird knapp.

Das kommt häufiger vor. So kann zum Beispiel in manchen Regionen das Klärwerk nicht im tiefsten Gebiet angelegt werden, weil die Gegend ziemlich flach ist. Abwasserbetriebe setzen dann Pumpen ein, die die Brühe durch Druckleitungen auf ein höheres Niveau schieben, damit es von dort zum Klärwerk fließt, erläutert der Experte für Siedlungswasser Wolfgang Rauch von der Universität Innsbruck. Allerdings laufen die Pumpen nur kurz, die meiste Zeit steht das Wasser in den aufwärtsführenden Druckleitungen.

Es entsteht stinkendes, giftiges Gas: Schwefelwasserstoff

Und dort fehlt der Sauerstoff. Unter diesen Bedingungen werden Bakterien aktiv, die den im Sulfat vorhandenen Sauerstoff für ihre Lebensprozesse nutzen. Übrig bleibt mit dem Schwefel das zweite Element, aus dem das Sulfat besteht. Und zwar in Form einer „Sulfid“ genannten Verbindung, die zusammen mit Wasserstoff das übelriechende, giftige Gas Schwefelwasserstoff bildet.

Auf seinem weiteren Weg kommt das Abwasser dann normalerweise wieder mit frischer Luft und damit auch mit Sauerstoff in Berührung. „Dann kommt eine weitere Bakteriengruppe zum Zug, die sich von Sulfid ernähren und es mit Sauerstoff verbrennen“, sagt Rauch.

Dabei entsteht Schwefelsäure. Sie reagiert mit dem Kalk, der im Beton der Rohre enthalten ist und dort als Bindemittel fungiert. Fehlt der Kalk, bröseln die Leitungen.

Betonfraß: Jedes Jahr werden einige Millimeter zersetzt

Rauch zufolge können durch die Schwefelsäure jedes Jahr einige Millimeter des Betons zersetzt werden. Im Lauf der Zeit werden die Schäden größer und entsprechend teuer. Dazu macht der Wissenschaftler folgende Rechnung auf:

Weltweit sind fast zwei Drittel aller Menschen an ein Abwassersystem angeschlossen, allein die Installationskosten dafür liegen bei rund zehn Billionen Euro, schätzt er. Normalerweise sollten Betonrohre 50 bis 100 Jahre ihren Dienst tun, kalkulieren Abwasserexperten. Allein die Instandhaltung kostet demnach weltweit mindestens 100 Milliarden Euro im Jahr. Findet man eine Möglichkeit, den Betonfraß so zu verringern, dass die Rohre nur ein Jahr länger liegen können, würde das mindestens eine Milliarde Euro jährlich sparen, rechnet Rauch vor.

Es gibt Alternativen zu Aluminiumsulfat

Bisher gingen Abwasserbetriebe den Betonfraß an, indem sie den ohnehin giftigen Schwefelwasserstoff bekämpften, aus dem die Schwefelsäure später entsteht. Das ist aber ähnlich teuer wie die Korrosionsschäden am Beton. Billiger wäre es daher, das Aluminiumsulfat bei der Wasserreinigung zu ersetzen. Das verringert die Korrosion um rund 60 Prozent, stellen die Forscher aus Australien fest. Alternativen gibt es, etwa Polyaluminiumchlorid oder die teurere Nanofiltration durch Membranen, sagt Rauch. Dabei seien bisher keine Probleme bekannt geworden.

Roland Knauer

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