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Zeichen der Krankheit. Mit der Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust, der Mammografie, können Tumoren frühzeitig entdeckt werden.
© picture-alliance/ dpa

Mammographie: Zankapfel Brustkrebs-Früherkennung

Zwei Studien bewerten Nutzen und Risiken der Reihenuntersuchung ganz unterschiedlich. Gebraucht werden Methoden, mit denen erkannt werden kann, wie gefährlich ganz kleine Tumore wirklich sind.

Alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, bei denen noch nicht Brustkrebs festgestellt wurde, werden seit 2009 alle zwei Jahre zu einer Röntgenaufnahme ihrer Brüste eingeladen. Das Programm wurde zwischen 2005 und 2009 eingeführt. Etwa die Hälfte der Frauen kommt der Einladung zur Brustkrebs-Früherkennung (Mammografie-Screening) nach. Viele zögern, weil über die Früherkennungsuntersuchung kontrovers diskutiert wird. Ist das Glas nun halb leer oder halb voll? Zwei Studien, die praktisch zeitgleich erschienen sind, kommen zu unterschiedlichen Schlüssen.

Die Gesundheitswissenschaftlerin Suzie Otto von der Universität Rotterdam und ihr Team haben das niederländische Screening-Programm ausgewertet. In der Zeitschrift „Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention“ vertreten sie die Ansicht, dass sich die Teilnahme lohnt. Die Forscher verglichen in einer Fall-Kontrollstudie die Daten von 755 Frauen, die zwischen 1995 und 2003 an Brustkrebs gestorben waren, mit denen von 3739 gleichaltrigen und auch in anderer Hinsicht vergleichbaren Frauen.

Es stellte sich heraus, dass insgesamt knapp 30 Prozent der Brustkrebsfälle bei einer Screening-Untersuchung entdeckt worden waren. 34,4 Prozent fielen zwischen den alle zwei Jahre stattfindenden Reihenuntersuchungen auf, knapp 36 Prozent der betroffenen Frauen waren nie zum Screening gegangen. Fortgeschrittene Tumoren des Stadiums IV, die schon Absiedlungen gebildet hatten, waren in den allermeisten Fällen bei diesen Frauen gefunden worden. Frauen, die in den Anfangsjahren des Programms dreimal hintereinander der Einladung zur Mammografie gefolgt sind, haben dieser Studie zufolge ein fast um die Hälfte verringertes Risiko gehabt, an Brustkrebs zu sterben. Das Hauptargument, das für ein Mammografie-Screening spricht, wurde hier also voll bestätigt: Der Krebs wird früher erkannt, die Heilungschancen sind folglich besser. Davon profitierten am meisten die Frauen der Altersgruppe zwischen 70 und 75 Jahren (die in den Niederlanden im Unterschied zu Deutschland inzwischen in das Programm einbezogen wurden). „Ihre Sterblichkeit war um 84 Prozent gesenkt“, berichten die Forscher.

Doch Vorsicht. Prozentzahlen sind – selbst bei relativ häufigen Erkrankungen wie Brustkrebs – geeignet, die Erfolge einer Maßnahme unangemessen groß erscheinen zu lassen. Das Szenario wird realistischer, wenn man die Auswirkungen in absoluten Zahlen durchrechnet. Das geschieht in einer Broschüre, die hierzulande seit dem vorigen Jahr allen Frauen zusammen mit der Einladung zugesandt wird. Und die auch auf den Schaden eingeht, den die Teilnahme am Screening anrichten könnte (siehe Infokasten).

Eine Studie, die nur zwei Tage nach der frohen Kunde aus den Niederlanden, im „British Medical Journal“ erschien, widmet sich diesem möglichen Netto-Schaden. Negativ sind vor allem zwei mögliche Folgen der Untersuchung zu werten: Zunächst kann ein Verdacht, der aufgrund der Röntgenbilder entsteht, sich später aber nicht bestätigt, ein falsch-positiver Befund, die betroffenen Frauen beunruhigen und weitere, belastendere Untersuchungen nach sich ziehen.

Gesundheitlich noch gravierender ist aber das zweite Problem: Die Überbehandlung, die nach der Entdeckung langsam wachsender Tumore oder Vorstufen von Krebs folgen kann. Sie ist zwar kein psychologisches Problem, da die Betroffenen gar nichts davon merken, kann im Einzelfall aber eine sinnlose Belastung bedeuten. Man dürfe eine Früherkennungsmaßnahme nicht allein an der Anzahl der Todesfälle messen, die sie verhindert, sondern müsse auch die negativen Folgen ins Kalkül ziehen, die sie für die Lebenden habe, argumentieren James Raftery und Maria Chorozoglou von der Uni Southhampton. „Es ist unentschuldbar, wenn man das Problem der Überbehandlung ignoriert.“

Ihr Maßstab dafür, ob das Screening unter dem Strich nutzt, ist das Qaly, eine Abkürzung für „qualitätskorrigiertes Lebensjahr“. Qaly ist ein Maß für gewonnene oder verlorene Lebensjahre bei voller Gesundheit. Für die Abschätzung von Nutzen und Schaden stützen sich die Forscher auf die Daten der Cochrane Review der Dänen Götzsche und Nielsen aus dem Jahr 2009 und einer amerikanischen Analyse aus demselben Jahr, die beide die Abnahme der Brustkrebs-Todesfälle und die Zunahme von Operationen und beunruhigenden falsch-positiven Befunden abschätzen. In den ersten acht Jahren nach Einführung des Screenings sei die Qaly-Bilanz unter dem Strich negativ, erst danach beginne es sich langsam auszuzahlen, so die Bilanz der Autoren.

Bei Licht besehen widersprechen sich die Ergebnisse der zeitgleich erschienenen Studien nicht grundlegend. Sie werfen eher die Frage auf, wie man es schaffen kann, den psychologischen und medizinischen Preis für das verbesserte Überleben zu senken.

„Wir sehen heute mehr Patientinnen aus dem Screening mit sehr kleinen Tumoren, die die Lymphknoten nicht befallen haben“, sagt der Gynäkologe Michael Untch, Leiter des Brustzentrums am Helios-Klinikum in Buch. „Daher brauchen wir dringend Methoden, mit denen wir erkennen, wie gefährlich und behandlungsbedürftig kleine Tumoren in den Milchgängen der Brust und das Brustkrebs-Frühstadium im Einzelfall wirklich sind.“ Gentests, die der Pathologe an kleinen Gewebeproben anstellt, könnten in Zukunft darüber Auskunft geben. „Dann könnten wir viele Frauen weiter beobachten, statt gleich zu operieren“, hofft Untch.

Adelheid Müller-Lissner

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