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Simulation von Gravitationswellen
© Abb.: C. Reisswig (AEI), L. Rezzolla (AEI/ITP), M. Koppitz (AEI/ZIB)
Update

Physik: Wurden Gravitationswellen entdeckt?

Einstein hatte sie vorhergesagt, der direkte Beweis fehlt jedoch. Der US-Physiker Lawrence Krauss behauptet nun: Der Ligo-Detektor habe Gravitationswellen gefunden.

Gravitationswellen sind eines der letzten großen Rätsel der Physik. Wie Wellen auf einem See breiten sie sich durch das Universum aus, stauchen und zerren dabei die Raumzeit – so hatte es Albert Einstein vor 100 Jahren vorhergesagt. Mit verschiedensten Detektoren versuchen Physiker seitdem, die „Kräuselungen“ der Raumzeit direkt zu messen. Möglicherweise ist das am Advanced Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (aLigo) in den USA erstmals gelungen. Zumindest behauptet das der Theoretische Physiker und bekannte Kosmologe Lawrence Krauss von der Universität von Arizona in Tempe. Die aLigo-Kollaboration stimmt weder zu noch dementiert sie.

Sollte die Vermutung stimmen, wäre das eine Sensation. Nicht nur, weil Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie damit einmal mehr bestätigt würde. Gravitationswellen würden es ermöglichen, den „dunklen Kosmos“ besser zu erkunden. Zum Beispiel Schwarze Löcher: Da sie kein Licht aussenden, sind sie schwer zu erforschen. Verschmelzen zwei solcher Schwerkraftmonster miteinander, strahlen sie der Theorie zufolge Gravitationswellen ab, die Astronomen helfen können, das Ereignis zu rekonstruieren. Die Erwartungen sind entsprechend groß.

Bereits im September spekulierte Krauss über eine Entdeckung

Die Kurznachrichten, die Krauss via Twitter verschickt, heizen Spekulationen an. Bereits im September, damals war das runderneuerte Observatorium gerade in den Wissenschaftsbetrieb gestartet, setzte er die Vermutung in die Welt, man habe etwas gefunden. „Wir analysieren die Daten“, kommentierte damals die aLigo-Sprecherin Gabriela Gonzalez, was im Grunde gar nichts sagte. Nun legte Krauss nach. Seine Vermutung sei jetzt von unabhängigen Quellen bestätigt worden, schreibt er auf Twitter. „Aufregend.“

Nicht nur er ist aufgeregt, viele Physik-Interessierte sind wie elektrisiert. Sollte es endlich gelungen sein, das Kräuseln der Raumzeit nachzuweisen?

Die Messungen erfordern höchste Präzision. Gravitationswellen, so mächtig sie auf Computergrafiken erscheinen mögen, sind extrem schwache Phänomene, die ein Mensch niemals spüren würde. Das kann, wenn überhaupt, nur mit höchst sensiblen Detektoren gelingen.

Eine Gravitationswelle staucht die Vakuumröhre minimal

Advanced Ligo ist das größte Observatorium seiner Art. Es besteht aus vier Kilometer langen Vakuumröhren, die in unterschiedliche Richtungen weisen. Die Idee dahinter: Läuft eine Gravitationswelle durch den Apparat und seine Umgebung, verändert sich die Länge der Röhren minimal – die Betonung liegt auf „minimal“. Die Messungen müssen so genau sein, dass sie Längenänderungen um ein Zehntrillionstel (10 hoch –19) Meter erfassen. Dazu wird ein Laserstrahl aufgespalten und in zwei Röhren geschickt, wo er einige Male zwischen jeweils am Ende montierten Spiegeln hin- und hergeworfen wird, bevor die Strahlen einen Empfänger erreichen. Sind beide Röhren gleich lang, überlagern sich die Laserpulse und verstärken sich. Ändert sich die Länge der einen, kommt der Laser früher oder später an. Das könnte ein Hinweis auf eine Gravitationswelle sein. Es könnte aber auch zig andere Ursachen haben. Kleinste Erschütterungen der Erde oder auch temperaturbedingte Veränderungen beeinflussen die Längenmessung und müssen herausgefiltert werden.

„Erdgebundene Detektoren wie aLigo können Gravitationswellen mit einer Frequenz zwischen 20 Hertz und 10 Kilohertz messen“, sagt Benjamin Knispel vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover, das den Detektor Geo600 betreibt und mit Bauteilen und Datenanalysen an dem US-Experiment beteiligt ist. Zudem haben AEI-Forscher die Form von Gravitationswellen berechnet, wie sie etwa bei kollidierenden Schwarzen Löchern entstehen, damit die Physiker wissen, wonach sie suchen sollen. Die Frequenz der Wellen nimmt beständig zu, je näher sich zwei einander umkreisende Objekte kommen, erläutert Knispel. Erst kurz vor dem endgültigen Verschmelzen ist sie hoch genug, dass der Detektor sie „hören“ kann. Nach wenigen Sekundenbruchteilen sei das Spektakel vorüber – und wurde hoffentlich erfasst.

Forscher werden mit künstlichen Signalen getestet

Man muss allerdings wissen, dass bei aLigo eine kleine Gemeinheit enthalten ist. Drei Experten dürfen dort, ohne das Wissen der übrigen, die Spiegel für kurze Zeit minimal versetzen. Sozusagen eine Gravitationswelle vortäuschen. Im Idealfall wird die Welle erkannt, werden die Daten genau geprüft, abgestimmt, ob man damit an die Öffentlichkeit gehen will – und erst dann rücken die drei mit der Wahrheit heraus. Das Verfahren soll helfen, Mensch und Maschine zu sensibilisieren. Zwei Mal wurde es bereits angewandt. Im aktuellen Fall soll es sich aber nicht um ein künstliches Signal handeln, will Krauss erfahren haben.
„Ich vermute, er hat mit Astronomen gesprochen, die nicht an Ligo beteiligt sind, aber von unserem System bei einem Verdacht automatisch benachrichtigt werden“, schreibt David Reitze, geschäftsführender Direktor des Ligo-Laboratory am California Institute of Technology, in einer E-Mail. Diese frühen Analysen seien mit großer Vorsicht zu behandeln, es müssten umfangreiche Auswertungen folgen. „Derzeit analysieren wir die Messungen der ersten Beobachtungsphase eingehend und hoffen, in ein oder zwei Monaten Ergebnisse präsentieren zu können.“ Von den Gerüchten, die Reitze vor allem „amüsiert“ haben, wolle er sich möglichst wenig ablenken lassen. „Wir versuchen, uns auf unsere Arbeit zu konzentrieren.“

Eien Skandal wie bei Bicep2 will man sich sparen

Die Zurückhaltung ist verständlich. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine scheinbare Sensation später zerfällt. Wie vor zwei Jahren, als Forscher des „Bicep2“-Experiments behaupteten, sie hätten Hinweise auf Gravitationswellen unmittelbar nach dem Urknall gefunden und damit die Hypothese für die rasende Expansion des jungen Universums, die kosmische Inflation, bestätigt. Später stellte sich heraus, dass die Messwerte durch den Einfluss kosmischen Staubs verfälscht waren.
Einen solchen Skandal will man sich bei aLigo unbedingt ersparen, ist zu hören. Es soll sehr genau geprüft und erst dann die Öffentlichkeit informiert werden.

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