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Hörgenuss. Die Evolution von Zufallstönen erreicht nicht die Spitzenklasse. Das schaffen nur echte Komponisten und Musiker.
© dapd

Musik: Wohlklang setzt sich durch

Evolutionsexperiment mit Musik: Forscher stellen schräge Töne ins Netz und lassen Hörer über den Klang abstimmen. Die besten Tracks dürfen sich "paaren" und bringen noch bessere Nachkommen hervor.

Am Anfang war nur Fiepen und Heulen. Die Geräusche vermehrten und entwickelten sich, und bald rieselten flotte, melodische Klänge aus dem Lautsprecher. Nachzuhören ist diese musikalische Evolution bei „Darwin Tunes“. Was nach der jüngsten Mode von Soundtüftlern klingt, ist ein ernsthaftes Forschungsprojekt von Robert MacCallum vom Imperial College London und seinen Kollegen. Sie wollten herausfinden, ob Musik womöglich auch ohne einen Komponisten entstehen kann. Allein durch Evolution.

Dazu stellten sie 100 Musikstücke von je acht Sekunden Länge ins Internet. Wobei Musik etwas hoch gegriffen ist – es handelt sich um Programme, die vorgeben, wie hoch und wie lange welcher Ton erklingt und wie er wiedergegeben wird. Diese Programme sind gewissermaßen das Erbgut der Musiktitel, die dann für die Evolution freigegeben wurden.

Die beinhaltet zunächst Selektion: Besuchern von „Darwin Tunes“ wurden 20 zufällig ausgewählte Titel präsentiert, die sie bewerteten. Die zehn beliebtesten wurden miteinander „verpaart“, woraus je zwei Töchter hervorgingen. Wie in biologischen Systemen ist auch das neue Erbgut der Musikstücke eine zufällige Mischung aus dem Erbgut der beiden elterlichen. Zudem gab es Mutationen, kleine zufällige Änderungen des musikalischen Erbmaterials. Auch das Problem einer drohenden Überbevölkerung wurde einfach gelöst. Neben den zehn schlechter bewerteten Musikstücken müssen auch die „Eltern“ der neuen Songs sterben, so dass stets nur 100 Titel im Ökosystem vorhanden sind.

Im Fachjournal „PNAS“ präsentieren die Forscher nun das Zwischenergebnis nach 2513 Generationen und dem selektierenden Einfluss von 6931 Hörern. Demnach waren zu Beginn eine sehr schnelle Entwicklung hinsichtlich ästhetisch empfundener Klänge und Rhythmen zu verzeichnen: Von wirrem Geräuschbrei hin zu einer Art Musik. Ab etwa der tausendsten Generation jedoch verlangsamte sich die Evolution, berichten MacCallum und Kollegen. Die Bewertungen der Hörer legten kaum noch zu.

An dieser Stelle wirken die zufällige Neukombination des elterlichen „Erbguts“ und die Mutation bei jeder Verjüngung kontraproduktiv, argumentieren die Wissenschaftler. Beide Vorgänge zerstören immer wieder ausgereifte Sequenzen. Auf der anderen Seite läuft die Evolution weiter, so dass sich ein Gleichgewicht des Klangs einstellt. Ralf Nestler

Das Projekt im Internet unter

www.darwintunes.org

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