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Nur in wenigen europäischen Ländern gibt es eine Impfpflicht.
© Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance/dpa

Unicef-Bericht: Wo ist die Masern-Epidemie besonders dramatisch?

Wie ist die Situation in Deutschland? Wo gibt es eine Impfpflicht gegen Masern? Fragen und Antworten zu dem Masern-Bericht der Unicef.

Erst warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO, nun schließt sich das UN-Kinderhilfswerk Unicef an: Weltweit steigt die Zahl der Masernfälle. In einem in New York veröffentlichten Bericht von Unicef stehen alarmierende Zahlen.

In welchen Ländern ist die Situation besonders dramatisch?

Laut Unicef ist im vergangenen Jahr in 98 Länder die Zahl der Masernfälle angestiegen. Dadurch würden in der Vergangenheit erzielte Fortschritte gegen diese gefährliche Virusinfektion zunichte gemacht. Das Problem konzentriere sich vor allem zehn Länder, die für rund drei Viertel des gesamten Masernanstiegs verantwortlich gewesen seien.

Am höchsten sei die Zunahme mit rund 30 Prozent in der Ukraine gewesen. Dort erkrankten im vergangenen Jahr 35.120 Menschen an Masern. Nach ukrainischen Regierungsangaben steckten sich seit Jahresbeginn 24.042 weitere Personen an. Ein deutlicher Anstieg sei auch auf den Philippinen mit 13 Prozent zu verzeichnen. Dort erkrankten im vergangenen Jahr 15.599 Menschen an Masern. Und seit Jahresbeginn wurden dort 12.736 weitere Fälle registriert.

Brasilien meldete laut Unicef 10.262 Fälle. Im Jahr zuvor hatte es in dem südamerikanische Staat keine einzige registrierte Masern-Erkrankung gegeben. In Frankreich wurden 2269 Fälle gemeldet. In Madagaskar steckten sich seit September mehr als 76.000 Menschen mit Masern an. Auch im Jemen, in Venezuela, Serbien, dem Sudan und Thailand stiegen die Zahlen laut Unicef deutlich.

Wie gefährlich ist eine Impf-Weigerung?

Bereits im Januar hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Verweigerung von Impfungen zu einem der zehn größten globalen Gesundheitsrisiken erklärt – und als Beleg dafür ebenfalls den Ausbruch von Masern genannt. Im Jahr 2017 seien weltweit 30 Prozent mehr Menschen daran erkrankt als im Vorjahr. Und im Jahr 2018 wurden 229.000 Fälle der Infektionskrankheit gemeldet. 110.000 Menschen seien daran gestorben, die meisten von ihnen Kinder unter fünf Jahren. Die hohe Dunkelziffer nicht eingerechnet.

Dabei wird schon nach Kräften geimpft. Dadurch würden, so die Hochrechnung der WHO, pro Jahr zwei bis drei Millionen Todesfälle verhindert. 1,5 Millionen weitere Tote könnten allerdings vermieden werden, wenn sich weltweit mehr Menschen impfen ließen. Und das Problem liegt nicht etwa nur in fehlendem Zugang zu Impfstoffen , sondern – speziell in Ländern mit guter Gesundheitsfürsorge – auch in Nachlässigkeit und fehlendem Vertrauen. Auch hierzulande verbreiten Impfgegner on- und offline medizinisch unhaltbare Behauptungen, etwa den vielfach widerlegten Mythos, es gebe einen Zusammenhang zwischen Masern-Impfungen und Autismus.

Wie ist die Situation in Deutschland?

In Deutschland hat die Zahl der Infektionen im vergangenen Jahr abgenommen: Nach Angaben des Robert Koch-Instituts gingen die gemeldeten Fälle von 929 Fällen (2017) auf 543 Fälle zurück. Allerdings dürfte hierzulande nach WHO-Rechnungen die Zahl von 80 Erkrankungen pro Jahr nicht überschritten werden, um die oft todbringende Krankheit auszurotten. Den Rekord seit Einführung der Meldepflicht 2001 bildete das Jahr 2015 mit 2465 gemeldeten Masernfällen.

Ein Problem ist weiterhin eine viel zu geringe Impfrate. Laut Robert-Koch-Institut sind nur 92,9 Prozent der Erstklässler zweimal gegen Masern geimpft. Weit größer sind die Impflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Eine Studie des Instituts zeigte, dass mehr als 40 Prozent der 18- bis 44-Jährigen nicht gegen Masern geimpft sind. Es werde „oft zu spät und nicht vollständig geimpft“, sagte Ole Wichmann vom Robert-Koch-Institut, als der Ethikrat vor kurzem eine Anhörung zu dem Thema veranstaltete.

Gibt es in Deutschland eine Impfpflicht?

Experten zufolge lassen sich Masernepidemien nur eliminieren, wenn mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Die deutschen Behörden setzen beim Impfen bislang auf Freiwilligkeit. Seit 2015 gibt es lediglich ein paar kleinere Verpflichtungen: So müssen Eltern seither beim Kita-Eintritt eine Impfberatung nachweisen. Und wenn es in Kinderhort oder Schule zu Masernerkrankungen kommt, dürften nicht geimpfte Kinder kurzzeitig ausgeschlossen werden.

Früher waren die Gesundheitsbehörden rigoroser. In Westdeutschland zum Beispiel musste jedes Kind im Alter von bis zu zwölf Jahren bis Ende 1975 gegen Pocken geimpft werden. Und im Osten hatten sich Heranwachsende bis zum 18. Lebensjahr sogar obligatorisch insgesamt 20 Schutzimpfungen zu unterziehen

Wo gibt es derzeit eine Impfpflicht?

In Australien gibt es finanzielle Sanktionen. Wer sich dort weigert, seine Kinder impfen zu lassen, verliert einen Steuervorteil für Familien („No Jab, no Pay“), pro Monat beträgt der Verlust für Impfmuffel mehr als 50 Dollar. In Frankreich wurden die obligatorischen Impfungen 2018 massiv ausgeweitet. Jedes Kind dort muss in den ersten zwei Lebensjahren nun gegen elf Krankheiten geimpft werden, darunter Masern, Diphtherie, Tetanus, Polio, Röteln, Mumps und Keuchhusten.

In Italien gibt es seit einem größeren Masernausbruch neuerdings ebenfalls zehn Pflichtimpfungen für Kinder und Jugendliche; wer sich weigert, wird mit Bußgeldern bedroht. Auch Kroatien, Lettland Tschechien und Ungarn schreiben Impfungen vor. Allerdings lag Kroatien bei der Masern-Fallzahl trotz Impfpflicht im Jahr 2015 im EU-Vergleich an vorderster Stelle.

In den meisten anderen europäischen Ländern gibt es lediglich Impfempfehlungen, die sich an denen der WHO orientieren. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) mit Sitz am Robert-Koch-Institut derzeit Schutzimpfungen gegen 14 Krankheiten.

Wie steht die Bevölkerung dazu?

Unter den Bürgern gibt es eine klare Mehrheit für eine generelle Impfpflicht. Nach einer repräsentativen Befragung der Schwenninger Krankenkasse vom Dezember 2018 befürworten 77 Prozent eine solche Vorgabe für bestimmte Personengruppen – allen voran für Kleinkinder im Krippen- oder Kindergartenalter (87 Prozent), Schulkinder (81 Prozent) und Säuglinge (73 Prozent). In den neuen Bundesländern liegt die Quote bei 86 Prozent, im Westen bei 75 Prozent.

Lediglich für Erwachsene überwiegt die Skepsis, hier sind nur 39 Prozent für eine Impfpflicht. Auf Krankheiten bezogen finden die Bürger vor allem Impfungen gegen Tetanus (88 Prozent), gegen Kinderlähmung (75 Prozent) und gegen Masern (69 Prozent sinnvoll). Es folgen Röteln (67 Prozent), Mumps, und Diphterie (jeweils 66 Prozent), FSME (53 Prozent), HPV (50 Prozent) und Grippe (38 Prozent).

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