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Martina Münch (SPD, 54) ist seit März Wissenschaftsministerin in Brandenburg. Von 2011 bis 2014 war sie Bildungsministerin, zuvor seit 2009 schon einmal Wissenschaftsministerin.
© picture alliance / dpa

Brandenburgs Wissenschaftsministerin Münch im Interview: „Wir wollen Studierende ins Umland locken“

Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch spricht im Interview über die Anwerbung von Studierenden, die neue BTU Cottbus - und über medizinische Doktorarbeiten.

Frau Münch, Sie haben länger in Berlin gelebt, bevor Sie Mitte der neunziger Jahre nach Cottbus gezogen sind. Hand aufs Herz: Welche Stadt gefällt Ihnen besser?

Berlin und Cottbus sind sehr unterschiedlich, das kann man nicht vergleichen. Der Umzug war natürlich erst einmal eine Umstellung. Aber dann habe ich die Schätze der Region entdeckt. Denken Sie an die Fürst-Pückler-Parks in der Lausitz! Oder unser Theater und unsere Universität. Kurzum: Die Lebensqualität ist sehr hoch.

Sind das auch Argumente, die Studierende überzeugen würden, nach Cottbus zu kommen? Sie wollen als Ministerin verstärkt Studierende für Hochschulen in strukturschwachen Regionen des Landes gewinnen – das haben Sie bei Amtsantritt als eine Ihrer Hauptaufgaben genannt.

Es ist eine Herausforderung, Studierende in Regionen abseits des Berliner Umlands zu locken. Wir haben dort aber entscheidende Vorteile, was Infrastruktur, Ausstattung und Räume angeht. So haben die Hochschulen eine sehr gute Betreuungsrelation. Die Wohnsituation ist entspannter als in den Ballungsräumen. Wir wollen auch noch einmal speziell für Brandenburg eine bundesweite Kampagne auflegen, um Studierende zu werben.

Manche dürften dennoch nur kommen, weil sie Brandenburg als eine Art Überlaufbecken von Berlin betrachten.

Natürlich ist es für Studierende sehr attraktiv, dass Berlin in der Mitte Brandenburgs liegt. Das ist völlig normal. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Wir können aber auch mit beruflichen Möglichkeiten locken. Der Speckgürtel um Berlin ist einer der sich am dynamischsten entwickelnden Regionen in Deutschland.

Die Hochschullandschaft in Brandenburg wurde nach der Wende komplementär zu Berlin aufgestellt, mit kleineren, spezialisierten Hochschulen, die nicht das ganze Fächerspektrum abbilden. Werden Sie an dieser Strategie festhalten?

Die Strategie hat sich durchaus bewährt. „Masse statt Klasse“ kann sicher nicht das Ziel sein. Hochschulen müssen über ihr Profil die Studierenden anlocken, die zu ihnen passen. Da hilft es nicht, wenn man nur Massenfächer anbietet. Wir haben spannende Angebote in Brandenburg, beispielsweise die Gesundheitswissenschaften und die Biotechnologie auf dem Campus Senftenberg der BTU Cottbus. Die Konzentration auf bestimmte Schwerpunkte ist auch für eine leistungsstarke Forschung wichtig.

Die umstrittene Fusion der Fachhochschule in Senftenberg mit der Uni in Cottbus war das Hauptthema der Brandenburger Wissenschaftspolitik in den vergangenen Jahren. Nun hat der Wissenschaftsrat der neuen BTU bescheinigt, auf einem guten Weg zu sein. Gibt es für Sie Kriterien, an denen Sie den Erfolg messen werden?

Die bisherige Entwicklung ist vielversprechend. Wir verfolgen die Entwicklung der BTU Cottbus engmaschig. Die Hochschule wird auch künftig daran gemessen werden, ob sie von den Studierenden angenommen wird. Mit der jetzigen Zahl – rund 8500 – ist die Uni schon ganz gut ausgelastet. Es sind zudem viele neue Professuren zu besetzen, dadurch wird das neue Profil noch erkennbarer werden.

Sehen Sie auch die neue private Medizinische Hochschule Neuruppin auf gutem Wege? Der Wissenschaftsrat ist kritisch.

Wir beschreiten hier einen neuen Weg, ganz klar. Die Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat in den Jahren 2020/21 ist ein anspruchsvolles Vorhaben. Man muss sagen, dass der Wissenschaftsrat Anforderungen an das Medizinstudium formuliert hat, die auch viele staatliche Universitäten teilweise nicht erfüllen können. Das bedeutet, dass die Qualität der Forschung nachgewiesen werden muss.

Bislang hatten deutsche Privatunis Schwierigkeiten, aus ihren eigenen Mitteln Medizinangebote nachhaltig zu finanzieren. Bleiben Sie dabei, dass Brandenburg die MHB finanziell nicht unterstützen wird?

Ja, wir bleiben dabei. Eine staatlich finanzierte Medizinerausbildung können wir uns zusätzlich zum vorhandenen Angebot nicht leisten.

Sie sind Ärztin, wurden selber promoviert. Wie sehen Sie die Debatte um die Qualität medizinischer Doktorarbeiten?

Ich habe eine Doktorarbeit geschrieben, in der ich sehr viel Literatur verwendet habe – sie ist mehr als 300 Seiten lang. Eine Dissertation sollte ein erster Schritt in Richtung wissenschaftlicher Karriere sein. In der Medizin ist das oft nicht der Fall, sondern die Promotion läuft eher nebenbei. Es muss grundsätzlich darüber nachgedacht werden, wie sich das ändern lässt. Denkbar wären zum Beispiel mehr strukturierte Doktorandenprogramme, bei denen die wissenschaftliche Flankierung und die Einbindung in die Forschung verstärkt werden.

Brandenburg steht bei den Ausgaben pro Studierendem im bundesweiten Vergleich ziemlich weit hinten. Die Hochschulen fordern für die nächsten Hochschulverträge – die ab 2019 gelten werden – bereits ein Plus von 200 Millionen Euro im Jahr.

Wir stehen aber nicht mehr am Ende! In meiner ersten Amtszeit musste ich mir das immer anhören. In dieser Legislaturperiode stärken wir die Hochschulen mit zusätzlich 100 Millionen Euro bis 2019. Aber keine Frage: Wir gehören nicht zu den reichen Ländern. Wir werden 2019 unter dem gleichen Diktat stehen wie alle anderen: Die Schuldenbremse kommt, und der Solidarpakt läuft aus. Trotzdem werde ich mich dafür einsetzen, dass die Wissenschaft weiter gestärkt wird.

Wie sehen Sie Brandenburg für die Exzellenzinitiative aufgestellt?

Die Universität Potsdam mit ihrer Forschungsstärke bereitet einen Antrag für ein Exzellenzcluster vor, dabei werden auch länderübergreifende Kooperationen eine größere Rolle spielen. Das Land unterstützt das. Was das Programm Innovative Hochschulen angeht: Da haben alle Hochschulen im Land einiges zu bieten. Denn bei dem Programm geht es um das, was wir eh’ schon machen: um den Transfer in die Wirtschaft, aber auch in die Gesellschaft. Wie sich die Hochschulen genau organisieren für den Wettbewerb, daran arbeiten sie im Moment.

Sie wollen auch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft verbessern. Was muss da geschehen?

Duale Studiengänge werden zum Beispiel von der Wirtschaft immer wieder ganz stark gefordert. Wenn man nachfragt: Was genau stellt ihr euch vor, wisst ihr, dass ihr da mitfinanzieren müsst – dann sieht das schon wieder anders aus. Dass ein duales Studium mehr bedeutet, als nur ein Praktikum zu absolvieren und dass das auch von der Wirtschaft mehr Commitment verlangt, ist vielen Unternehmern oft nicht klar.

Sie waren in der vergangenen Legislaturperiode Bildungsministerin und sind nach heftiger Kritik an Ihrer Amtsführung zunächst nicht mehr im Kabinett berücksichtigt worden. Können Sie die Kritik im Nachhinein nachvollziehen?

Als Bildungsminister steht man immer im Fokus der Kritik. Es ist müßig darüber nachzudenken, was man hätte anders machen können. Wichtig ist, daraus zu lernen. Bei einem Thema wie der Inklusion muss man der Gesellschaft ausreichend Zeit geben. Da kann man nicht alles sofort umsetzen, was man als richtig erkannt hat oder was einem Wissenschaftler als richtig empfehlen. Jetzt gehe ich vielleicht etwas gelassener an die Dinge heran. Man muss versuchen, möglichst viele Leute mitzunehmen.

- Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

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