Geschichte: Winnetou kam aus Sibirien
Vor 15.000 Jahren wanderten Menschen aus Asien nach Amerika ein und siedelten an der Pazifikküste. Der Zeitpunkt der Besiedlung ist unter Forschern jedoch umstritten.
Es dürften nicht viele Menschen gewesen sei, die vor ungefähr 15 000 Jahren in Booten von Alaska aus entlang der Pazifikküste nach Süden aufbrachen. Gerade erst war der schmale Küstenstreifen unter den schmelzenden Gletschern der Eiszeit aufgetaucht. Nur wenige Kilometer hinter dem Strand zog sich noch immer ein mächtiger Eispanzer quer über Amerika bis zum Atlantik. Die Frauen und Männer in den Booten kannten das raue Klima gut, kamen sie doch vom Rand dieser Gletscher in Alaska.
Die Bootsfahrer waren die Ersten, die das von ihrer Art noch unberührte Land betraten. Aus ihnen gingen die Indianer Nordamerikas hervor, wie Autoren um Ted Goebel (Zentrum für das Studium der ersten Amerikaner, Texas A&M Universität in College Station) jetzt im Fachjournal „Science“ (Band 319, S. 1497) schreiben. Später fuhren andere Boote weiter und erreichten die Küsten Südamerikas. Bis in den Amazonasregenwald hinein und nach Feuerland hinunter besiedelten die aus Sibirien stammenden Menschen den Doppelkontinent Amerika, den vor ihnen keine anderen Menschen betreten hatten.
Diese Beschreibung ist unter Archäologen allerdings nicht unumstritten. Vor allem in den USA gehen viele Forscher von einer erheblich späteren Besiedlung aus. Vor rund 12 000 Jahren hätten sich die Gletscher der Eiszeit so weit zurück gezogen, dass die Mammutjäger aus dem Norden auch zu Fuß in die Prärien Nordamerikas hätten wandern können. Dazu passen die Spuren einer Kultur aus der gleichen Zeit, die sich in Teilen Nordamerikas finden. Vor dieser, nach einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New Mexico „Clovis-Kultur“ genannten, Epoche hätten keine Menschen in Amerika gelebt, behauptet diese Archäologengruppe.
Die Indizien, die das Team um Goebel jetzt zusammentrugen, konnten die Clovis-Theorie allerdings widerlegen. Denn im Erbgut der Ureinwohner Nordamerikas finden sich Spuren, die auf eine Besiedlung vor deutlich mehr als 12 000 Jahren hinweisen. Außerdem gibt es eine Reihe von Fundstätten vor allem auch in Südamerika, die sich eindeutig auf moderne Menschen zurückführen lassen und die deutlich älter als die Clovis-Kultur sind. Auch für Michael Hofreiter, der am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig das Erbgut längst verstorbener Menschen, Tiere und Pflanzen untersucht, klingt die These der frühen Besiedlung Amerikas vor rund 16 000 Jahren erheblich plausibler als die Clovis-Theorie.
Mit Sicherheit erreichte jedenfalls erst der moderne Mensch Homo sapiens Amerika, Frühmenschen haben den Weg dorthin anscheinend nie gefunden. Entstanden ist die Art Homo sapiens in Afrika. Vor rund 50 000 Jahren verließen die Menschen diesen Kontinent und tauchten vor 40 000 Jahren in Zentralasien auf. Damals lag über großen Teilen Nordamerikas und Nordeuropas ein mächtiger Eispanzer, der oft einige Tausend Meter dick war. In Sibirien waren dagegen vielerorts die Niederschläge zu gering, um Gletscher entstehen zu lassen, der größte Teil des Landes blieb daher eisfrei.
Weil sehr viel Wasser in den Eismassen in hohen Breiten festsaß, lag der Meeresspiegel damals mehr als hundert Meter niedriger als heute. Die heute gerade einmal dreißig bis fünfzig Meter tiefe Beringstraße zwischen dem Osten Sibiriens und Alaska war während der Eiszeit trocken gefallen. Problemlos wanderten Jägergruppen aus dem Gebiet zwischen dem Altai-Gebirge südwestlich des Baikalsees und dem Amurtal, das heute die Grenze zwischen China und Russland bildet, vor weniger als 30 000 Jahren trockenen Fußes nach Nordamerika. Allerdings endete dieser Highway nach Amerika in einer Sackgasse. Alaska war zwar eisfrei, im Süden und Osten versperrten aber mächtige Gletscher den Weg.
Das Erbgut verrät auch, dass die ersten Menschen von Alaska aus frühestens vor 16 600 Jahren weiter nach Süden vorstießen. Zu dieser Zeit war der Höhepunkt der Eiszeit vorüber, die Gletscher zogen sich zurück. Allerdings wurde nur an der Pazifikküste vor etwa 15 000 Jahren ein Streifen Land eisfrei, weiter im Osten bildeten die Eismassen noch eine nicht zu überwindende Barriere.
Viele Menschen waren es nicht, die vermutlich auf Booten entlang der Pazifikküste nach Süden fuhren. Aus dem Erbgut lesen Paläogenetiker ab, dass alle Indianer und Indios in Amerika von höchstens 5000 Menschen abstammen.
Es können aber auch nur ein paar Hundert gewesen sein, die vielleicht in mehreren Expeditionen Jahre nach Süden vorstießen, erklärt Hofreiter. Möglicherweise kamen auch einige Menschen aus Alaska in die Prärien Nordamerikas, als die schmelzenden Gletscher vor 13500 Jahren weiter landeinwärts einen Korridor zwischen den Eismassen der Rocky Mountains und den Gletschern weiter im Osten Nordamerikas öffneten. Sie könnten dann die Clovis-Kultur gegründet haben.
Die ersten Menschen im Süden der Gletscher waren diese Clovis-Menschen aber mit Sicherheit nicht, weil selbst im heutigen Chile Menschen ihre Spuren hinterlassen haben, die tausend Jahre älter als die Überbleibsel der Clovis-Kultur sind. Vermutlich fuhren damals einige Boote der ersten Siedler an der Pazifikküste entlang weiter nach Süden.
Andere Jäger aus Alaska ließen dagegen wohl ihre Boote zurück und folgten entlang des Südabbruchs der Gletscher den Spuren der Mammuts und Mastodons in das Innere Nordamerikas hinein. Als Karl May seine Romane schrieb, hätte er sich wohl kaum träumen lassen, dass die Vorfahren seiner Romanfigur „Winnetou“ von Alaska aus in die Prärien Nordamerikas gekommen waren.
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