Klimawandel: Wie wird das Wetter im Klimawandel?
In einem groß angelegten Forschungsprojekt werden extreme Wetterereignisse untersucht, um Vorhersagen, Frühwarnsysteme und Schadensprävention zu verbessern.
Weltweit mehr und heftigere Waldbrände als üblich, langanhaltende Hitzewellen, Sandstürme auf brandenburgischen Äckern. Starkregen mit Niederschlagsmengen von 40 Liter pro Quadratmeter und immer wieder Tornados in Deutschland! Und die Winter? Eiskalt war gestern: Sie sind wärmer als in vergangenen Jahrzehnten, und dennoch gibt es lokal extreme Schneefälle.
Sind das nur zufällige Ereignisse, erleben wir eine vorübergehende Klima-Episode, oder ist der Klimawandel in vollem Gange? Was kommt da auf uns zu, und wie können wir uns darauf einstellen? Im Projekt „ClimXtreme - Klimawandel und Extremereignisse“ wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 26 Universitäten und Forschungseinrichtungen diesen Fragen in drei Teilprojekten nachgehen.
„Es geht zum einen um ein detailliertes Verständnis der Mechanismen, die Extremwetter-Ereignissen zugrunde liegen und wie der Klimawandel sie verändert. Der zweite Forschungsansatz ist eher statistisch: Geklärt werden soll, wie hoch die Wahrscheinlichkeiten für solche Ereignisse sind und sein werden - mit oder ohne Klimawandel. Und im dritten Projekt untersuchen wir die konkreten Auswirkungen von Extremwetter auf Mensch, Natur und Infrastruktur“, erklärt Professor Uwe Ulbrich. Der Meteorologe von der Freien Universität Berlin koordiniert mit seinem Team das dritte Teilprojekt.
Genauere Vorhersagemodelle für extreme Wetterlagen
ClimXtreme wird mit insgesamt rund 11,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für drei Jahre gefördert. Am Teilbereich, der an der Freien Universität koordiniert wird, sind die Universitäten Dresden, Gießen, Freiburg, Potsdam, die Fachhochschule Vechta sowie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Deutsche Wetterdienst, die Helmholtz Forschungszentren in Jülich und Hamburg, und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt.
Anhand von weltweiten Wetterbeobachtungen, Analysen von über Jahrzehnte gesammelten Wetterdaten und Klimasimulationen wollen die Forscherinnen und Forscher genauere Vorhersagemodelle für extreme Wetterlagen sowie verbesserte Informationssysteme für Frühwarnung und Schadenseinschätzungen entwickeln.
Was versteht Uwe Ulbrich als Meteorologe eigentlich unter „Extremwetter“? „Es sind keine neuen Wetterphänomene. Aber solche, die in dieser Stärke eher selten vorkommen, und heftige Auswirkungen auf Menschen und ihre Umwelt haben“, sagt Ulbrich. Zu den Phänomenen, die im Rahmen von ClimXtreme erforscht werden, gehört unter anderem Extremwind in Kombination mit der Standfestigkeit von Bäumen.
Wie sind die relevanten Windfelder aufgebaut? Wie stark anfällig sind Bäume durch ihre Vorgeschichte? „Es gibt Hinweise, dass der vorausgegangene Winter eine wichtige Rolle dabei spielt, ob ein Sturm Bäume zu Fall bringen kann“, erklärt Ulbrich. „Macht ein besonders kalter Winter bestimmte Baumarten anfälliger? Wie stark wirkt sich die Durchfeuchtung des Bodens aus? Hier arbeiten wir sehr eng mit Forstwirten zusammen.“
Ein weiteres Thema sind Erdrutsche: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Fachhochschule Vechta analysiert das Berliner Team dokumentierte Erdrutsche in Deutschland und die dazu gehörigen Wetterdaten. „Wir sehen uns an, wie stark und wie lange in der Region zuvor Regen gefallen war, der die Erde ins Rutschen gebracht hat. Lässt sich die Systematik dahinter erfassen? Auf der Basis dieses Wissens berechnen wir anhand von statistischen Modellen, ob und in welcher Weise sich bei Klimaänderungen das Risiko für Erdrutsche in Deutschland verändert.“
Wechselwirkungen zwischen dem schwindenden Eis an Nord- und Südpol und dem Klima hierzulande werden gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut in Potsdam untersucht. „Man weiß seit langem: Wenn es wärmer wird, kann die Luft mehr Wasser aufnehmen. Aber das ist längst nicht alles“, sagt Uwe Ulbrich: Wenn bei fortschreitender Klimaerwärmung das Meereis zurückgehe, wirke sich das weltweit auf die Strömung der Luftmassen aus, sagt der Meteorologe. „Extremwetterereignisse hängen aber auch von der Strömungssituation ab, und folglich kann sich ihre Wahrscheinlichkeit allein durch eine Änderung der Häufigkeit solcher Situationen ändern.“
Luftmassen, die über weite Strecken zu uns transportiert würden, stünden häufig in Zusammenhang mit speziellen Wetterphänomenen. „Feuchtwarme Luft aus dem Südwesten kann zu starken Niederschlägen führen. Ist die Luft jedoch relativ trocken, weil sie zum Beispiel aus Nordafrika kommt, erleben wir in Europa große Trockenheit – so wie in den Sommern 2018 und 2019.“
Extremste Niederschläge sind ein weiteres Phänomen, dem sich das Wissenschaftlerteam widmet. „Wir wollen klären, wovon die Entwicklung dieser Prozesse abhängt.“ Sommerliche Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen seien natürlich nichts Neues. „Aber wenn sich die Wolkentürme selbst organisieren, zum Beispiel, indem sie anfangen, in gewissen Teilen zu rotieren, kann es zu einer deutlichen Verstärkung der Effekte und damit zu größeren Schäden führen“, sagt Uwe Ulbrich.
"Wahrscheinlichkeiten kann man berechnen"
Lässt sich eigentlich rückwirkend sagen, von wann an Wetterereignisse aufgetreten sind, die eindeutig mit dem Klimawandel in Verbindung stehen? „Nein, so einfach sei es nicht“, sagt Uwe Ulbrich, denn es gehe stets um Wahrscheinlichkeiten. „Sieht man sich beispielsweise die Tagestemperaturen eines Jahres an, ragen extreme Werte als Spitzen aus der Kurve, die das mittlere Klima darstellt, heraus. Dieses mittlere Klima tendiert nun eindeutig zu höheren Temperaturen. Zwar ist das Auftreten und die Höhe einzelner Spitzen zufällig, aber wenn der Mittelzustand ansteigt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Temperaturspitzen. Und diese Wahrscheinlichkeit kann man berechnen.“
Forscherinnen und Forscher erwarten, dass Hitzewellen und Starkregen künftig häufiger auftreten werden. Die Auswirkungen können in Großstädten wie Berlin besonders groß sein. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass hier die Flächen größtenteils versiegelt sind, die Kanalisation kaum für Starkregen ausgelegt ist und sich tagsüber aufgeheizte Innenstädte durch den sogenannten Wärmeinsel-Effekt in der Nacht weniger abkühlen können.
Kann man selbst etwas tun, um die Folgen zu verringern? „Ja, natürlich“, sagt Meteorologe Ulbrich. „Jeder kann dabei mithelfen, die Auswirkungen von Wetterextremen auf seine direkte Umgebung zu verringern. So können Anwohner bei großer Trockenheit die Straßenbäume wässern, denn sie spenden nicht nur Schatten, sondern verbessern durch Verdunstung auch das Stadtklima. Und bei Starkregen hilft es, verstopfte Gullis vor der Haustür freizuräumen und nicht nur darauf zu warten, dass die Stadtreinigung das erledigt.“ Begrünte Fassaden und Dächer, Parks, Vorgärten und bepflanzte Balkone verbesserten zudem das Mikroklima in der Stadt.
Wie gut Mensch und Natur mit dem Klimawandel klarkommen werden, wird entscheidend davon abhängen, wie schnell er sich vollzieht. Denn für eine Anpassung ist Zeit der wichtigste Faktor, sagt Ulbrich. „Wir wissen ja, dass Anpassung in vielen Fällen möglich ist. So hat an der Küste eine Anpassung an das raue Windklima längst stattgefunden: Da weiß man, wie man Dachziegel besser befestigt, und wie eine wetterfeste Pergola gebaut werden muss.“
Catarina Pietschmann