Vor dem Ländervergleich Deutsch und Fremdsprachen: Wie guter Englischunterricht gelingt
Michaela Sambanis Professorin für Didaktik des Englischen erklärt, was Lehrkräfte noch besser machen können.
Frau Sambanis, in den Jahren 2008/2009 wurden erstmals die Englischkenntnisse von Neuntklässlern im großen IQB-Ländervergleich getestet. Die Ergebnisse waren sehr durchwachsen. Was hat sich seitdem in den Schulen getan?
Ich sehe bei den Lehrkräften einen Trend zu einer größeren Fortbildungsbereitschaft. Im September kamen beim Kongress des Verbandes für Fremdsprachenlehrer in Nürnberg mehr als 900 Lehrkräfte zusammen. Beim Berlin-Brandenburger „Fremdsprachentag“ waren es 500. Das ist wirklich ein Anstieg. Die Lehrkräfte sind engagiert. Man spürt überall den Wunsch nach Impulsen, Fortbildungen werden wichtiger.
Rechnen Sie also damit, dass sich das in dem neuen Ländervergleich, der am Freitag veröffentlicht wird, niederschlägt?
Ich würde mich über eine leicht positive Tendenz freuen, vor allem, wenn Berlin besser abschneiden würde. Solche Prozesse brauchen aber viel Zeit. Und auch wenn wir in Berlin immer eine gute Englischlehrerausbildung hatten: Viele meiner besten Studierenden wandern ab, weil sie in anderen Bundesländern mehr verdienen oder verbeamtet werden. Da blutet mir das Herz. Zumal in Berlin Lücken in der Versorgung mit gut ausgebildeten Lehrkräften klaffen, aktuell besonders in der Grundschule. Diese müssen dann irgendwie gestopft werden. Das macht mir Sorge.
Berlin hat vor einem Jahr sogar ein Praxissemester im Master eingeführt.
Ja, aber es wird Jahre dauern, bis die hier ausgebildeten Kohorten in der Fläche einen Unterschied machen. An der FU bringen wir in unseren Sprechateliers schon Bachelor-Studierende mit Schulklassen zusammen – die Studierenden wachsen so in ihre Lehrerrolle früh hinein. Berlin wird aber wie die beiden anderen Stadtstaaten immer schwierigere soziale Voraussetzungen haben als die meisten Flächenländer.
Aber hieß es nicht immer, fast alles hängt von gutem Unterricht ab?
Vieles hängt tatsächlich vom Unterricht ab. Aber in einem Flächenland wie Baden-Württemberg gibt es neben Brennpunkten wie Mannheim eben auch eine total ländliche Welt, die völlig in Ordnung ist und die es so in den Stadtstaaten nicht gibt. Das schlägt sich dann auch in der Statistik nieder.
Schüler in sozial beladenen Städten lernen nun einmal nicht so viel?
Schüler sind keine tabula rasa, sie bringen Stärken und Schwächen mit in die Schule. Auf neue Erkenntnisse aufbauend gehen wir in der Fachdidaktik davon aus, dass 14 Prozent der Schülerleistung auf das Elternhaus zurückgehen, auf das Vorwissen sowie auf Anlagen des Lernenden 17 Prozent. Weitere zehn Prozent beeinflusst die Schule, 20 Prozent der Lehrplan. Auf die Lehrkraft gehen 39 Prozent zurück. Davon entfallen 18 Prozent auf die Gestaltung des Unterrichts, 21 Prozent auf die Lehrperson, einschließlich der Lehrer-Schüler-Beziehung. Vonseiten der Lehrkraft lässt sich also schon vieles machen, wenn eben auch nicht alles.
Was beherrschen die Englisch-Lehrkräfte noch nicht so gut?
Viele Lehrkräfte sind noch in der alten Kultur verhaftet. Sie testen am Ende einer Unterrichtseinheit, was die Schüler verstanden haben und gehen dann zur nächsten Unit weiter. Wenn man die Kinder mit ihren Lücken alleine nach Hause schickt, haben sie aber Frust. Stattdessen müssten die Lehrer ein viel stärkeres Gewicht auf die Begleitung des Lernprozesses legen: also gucken, wo Schüler noch Lücken haben und dann konkret helfen, sie zu schließen. Da nicht alle Schüler die gleichen Lücken haben – manche müssen noch Vokabeln dazulernen, andere in der Grammatik etwas nachholen –, geht es hier darum, Lernangebote für verschiedene kleine Gruppen zu machen. Wir müssen weg von der Gießkanne. Der Umgang mit Heterogenität ist gar nicht so schwierig.
Die Bildungsstandards, die jetzt getestet werden, sollten ja auch den Unterricht verändern. Die Schüler sollten nicht Wissen akkumulieren, sondern Kompetenzen erwerben. Klappt das?
Die Bildungsstandards sind ja in die Englisch-Bücher eingeflossen, an denen sich die Lehrer orientieren. Das bedeutet aber auch, dass die Lehrer sich sehr stark auf die Bücher verlassen, auch, um das vorgeschriebene Pensum zu erreichen. Sie sollten sich aber mehr Freiheiten nehmen, damit sie sich besser auf die einzelnen Lerngruppen einstellen können.
Worauf kommt es beim Unterricht an?
In der Lehrerausbildung haben wir verstanden, dass es nicht reicht, wenn der Lehrer Experte seines Faches ist. Er muss Lernprozesse anstoßen und gestalten können. Kognition und Emotion hängen dabei eng zusammen. Dazu gehört auch eine Vertrauensbeziehung zu den Schülern, gerade auch zu Teenagern.
Wie sieht also eine ideale Englischstunde aus?
Eine relativ hohe Aufmerksamkeit von den Schülern bekommen die Lehrer, wenn sie die Klasse betreten. Die Lehrer sollten diese Chance nutzen, die Schüler freundlich begrüßen und dabei Energie und Freude ausstrahlen. Das überträgt sich auf die Schüler.
Das fällt manchen Lehrern sicher schwer.
Auch Lehrer, die sich frustriert fühlen, sollten das probieren – die positive Reaktion der Schüler kann auf sie durchaus befreiend wirken.
Und dann?
Sagt der Lehrer nur: Schlagt euer Buch auf Seite 25 auf, erregt er wenig Aufmerksamkeit. Er sollte vielleicht mit einer kleinen Anmoderation auf den Text im Buch hinlenken, aus der hervorgeht, dass er den Text selbst spannend findet. Die ersten 15 Minuten können nun konzentriert gearbeitet werden. Danach werden die Ersten müde und driften weg. Die Hirnforschung lehrt uns, dass ein gut strukturierter Unterricht zwar hilfreich ist. Aber es müssen auch regelmäßig „Erlebnissphären“ geschaffen werden, damit die Aufmerksamkeit nicht erschlafft. Etwa mit Elementen aus dem „Bewegungslernen“.
Zum Beispiel?
Um etwa englische Verben der Bewegung zu lernen, versammeln sich die Schüler im Kreis. „Let’s walk like a drunken penguin“, sagt einer – und alle laufen wie ein betrunkener Pinguin. Danach ist ein anderer Schüler mit einem Vorschlag an der Reihe: „Let’s jump rope!/Get dressed!“. An diese merkwürdigen Lernmomente erinnern sich alle noch lange – und merken sich die Vokabeln besser. Außerdem sind die Schüler nun erfrischt.
Wie könnte es dann weitergehen?
Es kann nun wieder konzentriert gearbeitet werden, auch in Kleingruppen. Das kann auch heißen, dass der Text „dramatisiert“ wird – er wird nicht einfach nur vorgelesen, sondern jemand liest ihn „in müdem Ton“ oder „in aufgeregtem Ton“ vor, mit der entsprechenden Körperhaltung. Wichtig ist, danach gemeinsam die fünf wichtigsten Lernergebnisse zusammenzutragen. Damit sie nicht vergessen werden, können sie auf verschiedenen Körperteilen abgelegt werden, zum Beispiel fünf wichtige Vokabeln auf dem Knie, auf dem Kopf und so weiter. Am Schluss kann man die Vokabeln von dort noch mal abrufen. Man kann zum Schluss auch ein Standbild machen: Schüler benennen die wichtigsten Textstellen aus dem Buch – etwa: der Dieb wird von der Polizei verhaftet – andere Mitschüler stellen das als Standbilder dar. Auch damit wird die Stunde rund.
Die Fragen stellte Anja Kühne.