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Ein von großen Bäumen gesäumter Hauptweg im Park Sanssouci mit Spaziergängern.
© dpa

Historische Gärten und der Klimawandel: Wie die Trauerweide in Sanssouci überlebt

Historische Gärten sind vom Klimawandel bedroht. In Potsdam wird erforscht, wie man den alten Baumbestand etwa im Park Sanssouci retten und historisch korrekt nachpflanzen kann. Das diskutieren Experten jetzt auch bei einer Potsdamer Konferenz.

Potsdam, Park Sanssouci, Grünes Gitter: Noch ein paar Meter, ein 90-Grad-Schwenk und der Flaneur genießt einen Blick, so vollendet schön, als wäre es nie anders gewesen. Die Weinbergterrassen von Sanssouci sind ein Gartenbild für die Ewigkeit – mit dem fragilen Material Natur dem märkischen Sand abgerungen. Generationen von Gärtnern haben daran gearbeitet. Doch nun könnte der Klimawandel dem Potsdamer Unesco-Welterbe gefährlich werden.

Wetterextreme nehmen zu, deutschlandweit werden die Sommer heißer und trockener, die Winter milder und feuchter. Gut für Pflanzenschädlinge, Stress für gefährdete heimische Laubbäume wie Ulmen, Eschen und Eichen. Häufiger kommt es zu Wetterextremen, zu längeren Spätfrostperioden im Frühjahr und Rekord-Unwettern im Sommer und Herbst.

Die Bäume, die man heute nachpflanzt, sollen 200 Jahre überdauern

Wer die entwurzelten Bäume im Düsseldorfer Hofgarten nach dem Sturm „Ela“ gesehen hat, der Teile Nordrhein-Westfalens am Pfingstmontag heimsuchte und sechs Menschenleben kostete, ahnt das Zerstörungspotenzial von Naturgewalten. Früher war alle 20 Jahre mit „Jahrhundert“-Unwettern zu rechnen, künftig könnte es alle drei bis fünf Jahre passieren, sagen Experten.

Michael Rohde, seit 2004 Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und damit Herr über knapp 800 Hektar historischer Parks in Berlin, Potsdam und im Land Brandenburg, hat die Vorzeichen des Klimawandels erkannt. Und leitet daraus eine Pflicht zum vorsorglichen Handeln ab. Schließlich sollen die Bäume, die er heute nachpflanzen lässt, die nächsten 200 Jahre überdauern.

Gartendenkmalpfleger aus Europa und den USA suchen nach Lösungen

Seit drei Jahren planen der Gartendirektor und sein Projektleiter Heiner Krellig eine internationale Tagung, die sich vom 4. bis 6. September in Potsdam dem Thema „Historische Gärten im Wandel. Empfehlungen zur Bewahrung“ widmet. Gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, kooperiert man zudem mit der Unesco und dem internationalen Denkmalpflegerat Icomos. Gartendenkmalpfleger aus ganz Europa und den USA werden ihre individuellen Erfahrungen einbringen und wollen eine „Erklärung von Sanssouci“ zum Schutz historischer Gärten unter sich wandelnden Klimabedingungen verabschieden. Den öffentlichen Festvortrag am Donnerstagabend hält Ex-Umweltminister Klaus Töpfer.

Gartendenkmalpfleger diskutieren mit Klimaforschern, Naturwissenschaftlern, diese kommen mit Forstwirten und Baumschulgärtnern fachübergreifend und systematisch ins Gespräch – das ist eine ganz neue Entwicklung. Rohde hofft einen Prozess anzustoßen, der Erkenntnisse, die in anderen Disziplinen und andernorts schon bestehen, zum Nutzen historischer Gärten anwendbar macht.

"Ich kann eine Trauerweide nicht durch eine Fichte ersetzen"

Bäume am historischen Standort, die Unwettern zum Opfer fallen, sollten allerdings nicht aus klimatischen Zwängen durch Bäume anderer Art und Sorte ersetzt werden, wie das in der Forstwirtschaft oder bei Straßen- und Alleebäumen möglich ist. „Ich kann eine Trauerweide neben einer Gedenkurne nicht durch eine Rotbuche oder Fichte ersetzen“, erklärt Rohde die künstlerisch-symbolische Bedeutung von Bäumen im Park. Es geht – wie in der Baudenkmalpflege – vor allem darum, den überkommenen Bestand so lange wie möglich zu erhalten. Dafür muss die Resilienz, die natürliche Widerstandskraft der Gehölze, gestärkt werden.

In Sanssouci stehen noch heute Bäume, die Peter Joseph Lenné Anfang des 19. Jahrhunderts pflanzen ließ. Damit sortengerechte Nachpflanzungen trotz der härter gewordenen klimatischen Bedingungen auch künftig so langlebig sind, sollen sie künftig noch intensiver als bislang gepflegt werden. Das gilt besonders in der wichtigen Phase des Anwachsens: „Wir müssen viel mehr auf die Qualität des Bodens achten, auf Nährstoffkreisläufe und Wasserqualität. Wir wollen modellhaft Nachpflanzungen vornehmen und diese über Jahre hinweg durch universitäre Forschungsprojekte begleiten lassen“, sagt Rohde. Dabei will er auch neue Substrate zur Verbesserung des märkischen Sandbodens testen: „Das ist nicht wahnsinnig aufwendig, man muss es nur tun.“

In Sanssouci wird das historische Bewässerungssystem instand gesetzt

In Sanssouci besinnt man sich zudem auf überkommenes Know-how. Im Rahmen des Modellprojekts „Gartenperspektiven“, für das derzeit eine Million Euro jährlich zusätzlich zur Verfügung steht, wird das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Bewässerungsnetz im östlichen Lustgarten wieder instand gesetzt. Das ermöglicht die Neuanpflanzung historischer Obstsorten und die gezielte Bewässerung mit Brauchwasser aus der Havel. Schon heute leisten die Potsdamer Parks einen wichtigen Beitrag zum Mikroklima und zur Biodiversität in der Stadt.

Michael Zajonz

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