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Smiley aus dem All: Die erste echte Aufnahme eines Schwarzen Lochs.
© EHT Kollaboration
Update

Bild von einem Schwarzen Loch: „Wie der Eingang zur Hölle“

Mithilfe mehrerer Radioteleskope ist es gelungen, das Zentrum der Galaxie M 87 darzustellen. Das Bild ist eine Sensation. Und entspricht den Prognosen. Leider.

Lange Zeit wusste die Menschheit nichts von ihnen. Dann kam Albert Einstein und sagte, es müsse sie geben, dann später immer mehr Daten, die das bestätigten. Doch sehen, so hieß es immer, werde man ein Schwarzes Loch nie können, weil es selbst das Licht verschluckt. Trotzdem ist jetzt etwas gelungen, das Forscher als die erste Aufnahme eines solchen kosmischen Objektes bezeichnen. Es ist ein Meilenstein in der Astrophysik.

Ein Bild statt Metaphern

Schwerkraftmonster, kosmische Fressmaschinen, Höllenschlund. Bei der Beschreibung von Schwarzen Löchern erscheinen selbst Superlative noch zu niedlich. Einstein hatte sie vor gut 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt, seither versuchen Physiker, diese Objekte zu ergründen und näher zu beschreiben. Nur: Gesehen hatte sie bis vor kurzem noch niemand.

Die ersten waren einige Forscherinnen und Forscher, die ihre Radioteleskope auf das Zentrum unserer Milchstraße und das der Riesengalaxie M 87 gerichtet haben. Nach einer aufwändigen Datenanalyse sahen die Wissenschaftler kürzlich erstmals ein Porträt eines Schwarzen Lochs. Das alles ist allerdings erst seit dem heutigen Mittwoch bekannt, denn bis jetzt hielten sie das Bild und alle Informationen darüber unter Verschluss. Um sich abzustimmen - und sich abzusichern, ob sie sich nicht vielleicht doch geirrt oder etwas fehlinterpretiert hatten.

Doch nun bekam es die Weltöffentlichkeit erstmals zu sehen - im Laufe von sechs parallel abgehaltenen Pressekonferenzen von Santiago de Chile bis Tokio und über diverse Livestreams im Internet. Zu sehen ist etwas, das an einen feurigen Kreis erinnert. "Wie der Eingang zur Hölle" sehe es aus, sagte Heino Falcke von der University Nijmegen, einer der beteiligten deutschen Radioastronomen, auf der in Brüssel anberaumten Pressekonferenz.

Ein Smiley aus dem All

Streng genommen ist es kein Bild des Schwarzen Lochs selbst. Das ist nach wie vor physikalisch ausgeschlossen, denn diese Objekte haben eine so extreme Masse, dass es tatsächlich nicht einmal Licht gelingt, der Schwerkraft zu entkommen. Aber der Rand des Lochs, jener Teil, aus dem das Licht und alle anderen Arten von Strahlung gerade noch davonjagen können: Wenn man diesen sehen könnte, dann hätte man letztlich auch das Loch, argumentierte das Team des „Event Horizon Telescope“ (EHT). Es ist ein Konsortium aus 14 Instituten mit rund 250 Mitgliedern in Europa, Asien, Afrika und Amerika. Von deutscher Seite sind das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und die Goethe-Universität in Frankfurt am Main beteiligt.

Das Bild zeigt das Schwarze Loch im Zentrum der Riesengalaxie M 87 im Sternbild Jungfrau, die rund 55 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Der helle Ring geht zurück auf heiße Materie, die um das Schwarze Loch herum rotiert und dabei auf Millionen Grad Celsius aufgeheizt wird, so dass sie intensiv strahlt. Aufgrund der extremen Schwerkraft des Schwarzen Lochs werden die Strahlen um das Objekt herumgelenkt und somit verstärkt, so dass eine Seite heller erscheint. Der schwarze Fleck im Zentrum markiert den Bereich, wo kein Licht herkommt. Es ist der Schatten des Schwarzen Lochs selbst.

Bislang hält Einsteins Relativitätstheorie den Realitätstests stand

Wie das Schwarze Loch in M 87 und seine Umgebung aussehen könnte, das hatten die Forscher bereits zuvor in etlichen Simulationen abgeschätzt. Dahinter steckte folgende Überlegung: Im Inneren eines Schwarzen Lochs, hinter dem sogenannten Ereignishorizont, enden Raum und Zeit, so wie wir sie kennen. Die Physik spielt dahinter verrückt. Kurz zuvor sollten jedoch noch die Regeln von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie gelten.

Auf dieser Grundlage wurden die Simulationen gerechnet. Wenn die Realität aber ein deutlich anderes Bild zeigt, wäre das ein Hinweis darauf, dass Einsteins Meisterwerk in diesem Extrembereich schwächelt. Womöglich wäre dort der Schlüssel, um endlich die Relativitätstheorie – zuständig für den Makrokosmos – mit der Quantentheorie – zuständig für den Mikrokosmos – zusammenzubringen.

Acht Teleskope, verbunden über einen Computer, haben Radiowellen eines Schwarzen Lochs aufgefangen und zu einem Bild verarbeitet.
Acht Teleskope, verbunden über einen Computer, haben Radiowellen eines Schwarzen Lochs aufgefangen und zu einem Bild verarbeitet.
© Tsp/Klöpfel ( MPIfR)

Doch diese Hoffnung wurde bislang enttäuscht. Grund: Das reale Bild ähnelt dem vermuteten sehr. „Wir waren, ehrlich gesagt, verblüfft wie gut der beobachtete dunkle Fleck mit der aus unseren Computersimulationen vorhergesagten Struktur übereinstimmt“, sagt Anton Zensus vom MPIfR. Aus dem Schatten selbst ließen sich etwa die Masse, die Rotation und das Magnetfeld des schwarzen Lochs ableiten. Demnach habe es 6,5 Milliarden Sonnenmassen.

Vom zweiten Protagonisten, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, gelang bisher keine Abbildung. Laut Zensus liegt das daran, dass das Zentrum der Milchstraße in einem dichten Nebel aus geladenen Teilchen liegt. Das führe zu einem Flimmern der Radiostrahlung und damit zu unscharfen Bildern. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Problem auch noch lösen können“, sagt der Forscher und setzt dabei auch auf zusätzliche Teleskope, die künftig dazugeschaltet werden sollen.

Der Rand eines Schwarzen Lochs ist erstaunlich klein

Das zeigt auch, wie schwierig es ist, derartige Aufnahmen überhaupt zu machen. Zwar gibt es seit einigen Jahren faszinierende Bilder aus dem Umfeld von Schwarzen Löchern, etwa die sogenannten Jets: gewaltige Fackeln aus Plasma und Strahlung, die aus zwei gegenüberliegende Seiten des Schwarzen Lochs ins All hinausreichen.

Doch bis an den Rand eines Schwarzen Lochs, in die Nähe des Ereignishorizonts, konnten Astronomen bisher nicht blicken. Denn der ist sehr klein, eng. Bei einem stellaren Schwarzen Loch, also einem, das rund zehnmal soviel Masse hat wie unsere Sonne, hätte der Ereignishorizont einen Radius von rund 30 Kilometern. Es gibt keine Chance, solche Strukturen mit einem Teleskop zu sehen, wenn das Schwarze Loch auch nur ein bisschen weiter weg ist.

Von Berlin aus ein Senfkorn in New York sehen

Bei einem echten Schwergewicht wie dem supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, das schätzungsweise gut vier Millionen Sonnenmassen hat, ist der Ereignishorizont zwar um einiges größer - aber immer noch kleiner als der Radius der Bahn Abstand des Planeten Merkur um die Sonne, rund 60 Millionen Kilometer. Weil jenes supermassive Schwarze Loch rund 26.000 Lichtjahre entfernt ist, erscheint der Ereignishorizont von der Erde aus gesehen winzig. Etwa wie ein Senfkorn auf dem New Yorker Times Square, das man von Berlin aus auszumachen versucht. Selbst mit dem besten Teleskop ist das nicht zu schaffen.

Es sei denn, man schaltet mehrere Radioteleskope zusammen. Dann könnte es gelingen, in die Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs zu schauen. Diese Idee formulierten im Jahr 2000 die Astrophysiker Fulvio Melia, Eric Ago und der schon erwähnte Heino Falcke, der damals am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn (MPIfR) forschte und mittlerweile Professor an der Radboud-Universität Nijmegen und Vorsitzender des EHT-Wissenschaftrats ist.

Superrechner in Deutschland und den USA errechneten das Bild

Die Methode nennt sich VLBI (Very Long Baseline Interferometry). Sie basiert darauf, dass Radiowellen aus einer weit entfernten Quelle – das kann ein Pulsar sein oder eben das Umfeld eines Schwarzen Lochs – einzelne Radioteleskope auf der Erde zu leicht unterschiedlichen Zeitpunkten erreichen - je nachdem, welches näher dran ist. Anhand des Zeitunterschieds kann einerseits die Entfernung zwischen den Teleskopen sehr genau bestimmt werden. Man kann andererseits aber auch die gemessenen Signale von verschiedenen Teleskopen im Computer zusammenführen und auswerten (siehe Grafik).

Auf diese Weise entsteht ein virtueller Verbund mehrerer Radioteleskope. Je weiter diese voneinander entfernt sind, umso besser ist die räumliche Auflösung. Hat man ausreichend sensible Radioteleskope und stehen diese nur weit genug auseinander, so die Idee der Forscher, ließe sich das Umfeld eines fernen Schwarzen Lochs ausmachen.

Acht Teleskope

Im April 2017 haben die Astrophysiker acht Teleskope – auf Hawaii, in Chile, Mexiko, Spanien, den USA und am Südpol - sechs Tage lang auf verschiedene Ziele ausgerichtet und die empfangenen Radiowellen aufgezeichnet. Besonders intensiv beobachtet wurde das mutmaßliche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, auch als Sagittarius A* bezeichnet, sowie das der Riesengalaxie M 87.

Die aufgezeichneten Signale wurden an Superrechnern am MPIfR in Bonn sowie am Haystack Observatory in Haystack, Massachusetts (USA) ausgewertet, um jenes erste Bild eines Schwarzen Lochs zu erhalten. Alles sei von unabhängigen Teams mehrfach geprüft worden, um sich auch wirklich sicher zu sein, wie Monika Mościbrodzka von der Radboud-Universität Nijmegen erklärte. Dank des Zusammenschaltens ist die räumliche Auflösung des virtuellen Radioteleskops rund tausendmal besser als die des Hubble-Weltraumteleskops. Daher setzen die Forscher auf Radiowellen und nicht auf sichtbares Licht. Selbst wenn es ähnliche starke Lichtteleskope gäbe, würde man derartige Bilder nicht erhalten.

Kein Foto, sondern Kunst: schwarzes Loch, wie es aussehen könnte.
Kein Foto, sondern Kunst: schwarzes Loch, wie es aussehen könnte.
© M. Weiss/CfA

Denn zwischen dem Schwarzen Loch und der Erde ist so viel Materie, dass die Lichtwellen absorbiert werden und hier nichts ankommt. „Bei den kommenden Messkampagnen werden wir zusätzlich Teleskope in Frankreich, Grönland und Arizona nutzen“, sagt Falcke. Die zusätzlichen Daten würden dann dazu beitragen, noch detaillierte Bilder zu erhalten.

Zudem planen die Forscher, ein schwedisch-europäisches Teleskop namens SEST, das derzeit in Chile steht, nach Namibia zu bringen. „Das wäre ideal, um unser Beobachtungsprogramm um einen Standort in Afrika zu ergänzen“, sagt Falcke. Als Standort wäre der Gamsberg geeignet – ein Tafelberg im Zentrum des südwestafrikanischen Landes, der zu großen Teilen der Max-Planck-Gesellschaft gehöre. Mit Bezug auf die Geschichte der beiden Länder - Namibia war früher eine deutsche Kolonie – sagt der Forscher: „Das Teleskop hat nicht nur eine wissenschaftliche Bedeutung, sondern kann auch eine Symbolwirkung haben für eine Partnerschaft beider Länder. Es ist ausdrücklich vorgesehen, die Forschungseinrichtungen dort mit einzubinden.“

Wo knirscht's bei Einstein?

Langfristig hoffen die EHT-Wissenschaftler auf weitere und vor allem detailliertere Messungen aus der Nähe der Schwerkraftmonster. Sie sollen helfen, Schwarze Löcher und ihre Rolle bei der Entwicklung von Galaxien besser zu verstehen. Und möglicherweise finden sich ja doch Abweichungen zwischen theoretisch vorhergesagten Strukturen und der Realität. Und damit Hinweise darauf, wo Einsteins Relativitätstheorie knirscht.

Falcke hält das durchaus für denkbar. „Am Ereignishorizont kollidieren die beiden großen Theorien unserer Welt, die Makrotheorie von Raum und Zeit und die vom Mikrokosmos und der Quantentheorie“, sagt er. „Ich bin sicher, irgendwas geht da schief, eine der beiden Theorien muss da einige Grundsätze aufgeben.“ Wie das „Gefecht“ ausgeht, sei aber noch völlig offen.

So faszinierend Schwarze Löcher für die Wissenschaft seien, eine ernste Gefahr stellten sie wohl kaum dar. „Prinzipiell besteht natürlich die Möglichkeit, dass ein kleines Schwarzes Loch auf uns zugeflogen kommt. Aber das ist extrem unwahrscheinlich“, sagt Falcke. „Wir können sie also entspannt aus der Ferne beobachten und viel interessante Physik daran machen.“

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