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Kampf dem Virus. Auch in Peru gehen die Behörden inzwischen gegen die Mücken vor, die die Krankheit übertragen.
© Mariana Bazo/Reuters

Das Zika-Virus und seine Folgen für Föten: WHO: "Wir müssen wissen, was dort vor sich geht"

Zika verursacht vermutlich Missbildungen bei Babys – die WHO hat deshalb den internationalen Gesundheitsnotfall ausgerufen. Für Deutschland und Europa ist das Virus jedoch keine unmittelbare Gefahr.

Berlin - Die Reisemediziner am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konnten sich in der letzten Woche kaum vor Anfragen zum Zika-Virus retten. „Viele Bürger sind verunsichert“, sagt die Infektiologin Marylyn Addo. Dabei bemerkten die meisten Erwachsenen nicht einmal, wenn sie sich angesteckt haben oder sie haben nur harmlose Symptome. „Diese Botschaft geht oft unter – genau wie die Tatsache, dass für Europa und Deutschland keine unmittelbare Gefahr besteht.“

Das behauptet auch die Weltgesundheitsorganisation WHO nicht. Deren Generaldirektorin Margaret Chan hat am Montagabend nicht etwa die rasante Ausbreitung des Zika-Virus zum internationalen Gesundheitsnotfall (Public Health Emergency of International Concern) erklärt. Vielmehr beunruhigten die 18 Experten im Notfallkomitee, dass in den Epidemiegebieten Brasiliens – wie zuvor in Französisch-Polynesien – seit Oktober auffällig viele Babys mit zu kleinem Kopf (Mikrozephalie) geboren werden. Die Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang mehren sich.

„Alle waren sich einig, dass wir das dringend besser untersuchen müssen“, sagte Chan. Die Forschung, die Suche nach besserer Diagnostik und nach einem Impfstoff – soll international koordiniert und beschleunigt werden. Zwischenzeitlich tragen Reisende das Virus in immer neue Gebiete, in denen sich Aedes-Mücken wohlfühlen. Besonders wichtig sei deshalb, die Mücken aggressiv zu bekämpfen, die Bevölkerung zu informieren und insbesondere Schwangere vor Mückenstichen zu schützen.

Es ist das vierte Mal, dass die WHO einen Gesundheitsnotfall ausruft. Bisher reagierte sie damit auf die Schweinegrippe, auf die Ebola-Epidemie in Westafrika und auf Rückschläge bei der Polio-Ausrottung. „Die Definition eines solchen Notfalls ist sehr weit gefasst“, sagt Mathias Bonk von „Think Global Health“ in Buchholz. „Es gibt keine Zwischenstufen des Alarms. Das ist ein Problem.“

Die WHO will sich nicht vorwerfen lassen, erneut zu spät auf eine Seuche reagiert zu haben. Die Organisation betont, dass die Gesundheitssysteme in den Epidemiegebieten auf Babys mit Mikrozephalie und auf neurologische Komplikationen wie Lähmungen eingestellt sein sollten. Um diese Fälle zu begutachten, seien einheitliche Standards nötig. Eine Einschränkung des Handels mit den Epidemiegebieten sowie des Reiseverkehrs sei nicht nötig. Selbst für Schwangere gibt es keine offizielle WHO-Warnung. „Wenn eine schwangere Frau die Reise verschieben kann, sollte sie das in Erwägung ziehen“, sagte Chan jedoch. „Wenn sie reisen muss, sollte sie sich von Experten beraten lassen und auf einen konsequenten Mückenschutz achten.“

Diese Hinweise ähneln denen der amerikanischen Seuchenbehörde CDC, des Auswärtigen Amtes und etlicher Fachgesellschaften. Einzelne Fluggesellschaften und Reiseveranstalter bieten für Schwangere kostenlose Stornierungen an. Die Liste der Länder, in denen Zika übertragen wird, wird derweil länger. Zuletzt kamen Costa Rica, Nicaragua, Curaçao und Amerikanisch-Samoa hinzu. Public Health England, die zuständige Behörde in Großbritannien, rät männlichen Reise- rückkehrern, vorerst Kondome zu benutzen – falls ihre Partnerin schwanger ist oder schwanger werden könnte.

Am Dienstag haben US-Behörden erstmals eine durch ungeschützten Sex erfolgte Infektion mit dem Zika-Virus gemeldet. Der Patient oder die Patientin habe sich beim Sex mit jemandem infiziert, der oder die aus einem vom Virus stark betroffenen Land zurückgekehrt war, meldete die Gesundheitsbehörde in Dallas. Es gibt auch einzelne Berichte in der medizinischen Literatur, die zeigen, dass dieser Übertragungsweg möglich ist – auch wenn er für den Verlauf der Epidemie keine Rolle spielt. Im Jahr 2008 kam ein amerikanischer Forscher krank aus dem Senegal nach Colorado zurück. Er hatte Sex mit seiner Frau, kurze Zeit später bekam auch sie Fieber und Ausschlag. Der Forscher testete ihr Blut auf Malaria und Gelbfieber, ohne Ergebnis. Er fror die Blutproben ein. Später kam heraus: Sie hatten sich beide mit dem Zika-Virus infiziert. 2013 wurde außerdem Zika im Sperma eines Tahitianers nachgewiesen.

„Ich denke, dass sich die Zika-Lage bis zu den Olympischen Spielen beruhigt hat“, sagt Jan Felix Drexler, Virologe an der Universität Bonn. Nach der Infektion sei man immun, das Virus bewege sich daher vermutlich in Wellen über den Doppelkontinent. Außerdem gebe es im brasilianischen Winter weniger Mücken. Dennis Tappe vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg ist weniger optimistisch. Der Reiseverkehr berge die Gefahr, dass das Zika-Virus in weitere tropische Gebiete importiert wird, sagt er: „Der Globalisierung des Virus könnte somit Vorschub geleistet werden.“

„Die Folgen für die unmittelbar Betroffenen sind sicher dramatisch, da es sich um schwerstbehinderte Kinder handelt, die entsprechend versorgt werden müssen“, sagt Martin Grobusch von der Universität Amsterdam. Zu befürchten sei allerdings, dass in Armut lebende Menschen besonders von den Folgen der Epidemie betroffen seien. Ihre Lebensumstände setzten sie öfter den Mücken aus. (mit dpa)

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