Ebola-Epidemie im Kongo: WHO-Notstand soll die Virusseuche unter Kontrolle bringen
Seit Mittwoch gilt ein Gesundheitsnotstand für den Kongo. Dadurch soll auch verhindert werden, dass das Virus sich in den Nachbarländern ausbreitet.
Seit einem Jahr geht in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) eine Ebola-Epidemie um. Mindestens 2500 Menschen haben sich mittlerweile mit dem Virus infiziert, mehr als 1600 sind an den Folgen des Fiebers gestorben, obwohl lokale Behörden und internationale Hilfsorganisationen versuchen, den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen.
Am Mittwoch, nachdem auch die Nachbarländer Uganda und die Millionenstadt Goma Infektionsfälle meldeten, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO nun den „internationalen Gesundheitsnotstand“ ausgerufen. Dadurch sollen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche nochmals verschärft werden.
Ein unabhängiger Expertenausschuss beschäftigte sich in den letzten Monaten schon mehrfach mit der Frage, ob ein solcher Notstand ausgerufen werden soll. Dreimal seit Beginn des Ebola-Ausbruchs im Juli 2018 hatte er sich dagegen entschieden, obwohl die aktuelle Epidemie bereits der zweitgrößte Ebola-Ausbrauch überhaupt ist. Nur die Epidemie in Westafrika in den Jahren 2014 bis 2016 erreichte mit mehr als 11.000 Opfern und fast 29.000 Infizierten noch größere Ausmaße.
Gewalttätige Auseinandersetzungen erschweren die Hilfsarbeit
Dass das WHO-Komitee sich nun für die Ausrufung entschieden hat, liegt unter anderem daran, dass in der Millionenstadt Goma an der Grenze zu Ruanda der erste bestätigte Ebola-Fall auftrat. Goma sei ein Tor in die Nachbarländer und somit zur Welt. Trotz des Notstands sei dies „absolut keine globale Bedrohung“, betonte Robert Steffen, Vorsitzender des Ausschusses.
Die Bedrohung bleibe regional. Es solle keine Panik geschürt werden. Es müsse unbedingt vermieden werden, dass die betroffenen Menschen durch Reise- oder Handelsbeschränkungen wirtschaftlich bestraft werden, erklärte Steffen. Das Komitee kritisiert auch, dass die internationale finanzielle Hilfe zu spät ankam und Bemühungen, die Epidemie einzudämmen, so erschwert wurden.
Mehr Gelder, mehr Ressourcen und mehr Helfer für die Bekämpfung der Epidemie erhofft sich Ronald Kremer, medizinischer Berater für den Kongo-Einsatz bei Ärzte ohne Grenzen, von dem WHO-Beschluss – und vor allem konkrete Umsetzungspläne für die Praxis. Die Hilfsorganisation arbeitet mit lokalen Helfern und dem Gesundheitsministerium der DRK zusammen.
In dem Land komme erschwerend hinzu, dass dort ein „Notstand innerhalb des Notstands“ herrsche, sagt Kremer. Auf der einen Seite gebe es in der Region gewalttätige Auseinandersetzungen, auf der anderen Seite sei das Gesundheitssystem ohnehin schon schlecht ausgestattet. Kinder würden an Masern und Malaria sterben, Frauen an Geburtskomplikationen.
Vor allem im Osten des Kongo ist es schwierig, die Bemühungen zur Eindämmung des Ebola-Virus durchzusetzen. Bewaffnete Rebellen sind dort seit Jahren unterwegs und terrorisieren die Bevölkerung. Helfer, Pfleger und Ärzte werden immer wieder angegriffen – allein seit Januar zählte die WHO 198 Attacken, sieben Tote und 58 Verletzte.
Jeder vierte Ebola-Fall bleibt unentdeckt
Das Ausmaß der Epidemie könnte zudem schlimmer sein als die offiziellen Zahlen zeigen. Denn laut WHO-Schätzungen werden nur drei Viertel der Ebola-Fälle entdeckt oder gemeldet. Daher empfiehlt sie, die Aufklärung über die Seuche zu verbessern und mehr Anstrengungen zu unternehmen, dass Verdachtsfälle sofort gemeldet und Betroffene in Behandlungszentren gebracht werden. Immer wieder komme es vor, dass Infizierte sterben, ohne dass die Familien sich bewusst sind, dass der Angehörige Ebola hatte.
„Viele Menschen gehen nicht in die Behandlungszentren. Sie sind misstrauisch oder haben Angst“, sagt Kremer. Es sei wichtig, den Dialog zu den Menschen vor Ort zu suchen. „Wir sprechen mit traditionellen Gebetsheilern und Apotheken, weil die Leute dort zuerst hingehen, wenn sie krank sind.“ Für Ärzte ohne Grenzen sei vor allem die Prävention ein wichtiges Thema. Dazu gehöre auch ein besserer Zugang zu Impfungen, um die Übertragung zu reduzieren.
Gleich nach Ausbruch der Epidemie im August 2018 wurde in der DRK mit einer groß angelegten Impfkampagne begonnen. Zurzeit gibt es einen zugelassenen Impfstoff. „Aber die Bestände sind nicht unendlich“, warnt Kremer. „Es gibt bereits weitere Impfstoffe, die derzeit vielleicht erprobt werden. Die Regierung vor Ort wird irgendwann entscheiden müssen, ob sie auch diese einsetzt.“
Die britische Organisation Wellcome Trust setzt sich dafür ein, einen zweiten Impfstoff, entwickelt von der belgischen Pharmafirma Janssen, schnellstmöglich zuzulassen, damit nicht nur Helfer und Kontaktpersonen von Ebola-Infizierten beimpft werden können, sondern die gesamte Bevölkerung. „Länder sollten mit dem Handeln nicht darauf warten, bis Ebola sich über die Grenzen ausbreitet oder vor ihrer Türschwelle erscheint“, sagt die Epidemie-Leiterin der Organisation, Josie Golding.
Deutschland stellt Geld und Know-how bereit
Damit sich das tödliche Virusfieber nicht nach Osten ins benachbarte Uganda ausbreitet, hatte sich das Land bereits vorbereitet: Fast 4700 ugandische Gesundheitsfachkräfte wurden vorsorglich geimpft. Auch ein Expertenteam aus Deutschland ist im Juni in das Krisengebiet an der Grenze gereist. Es berät die ugandischen Partner vor Ort.
Diese „schnell einsetzbare Expertengruppe Gesundheit“ (SEEG) ist ein Epidemiepräventionsteam, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Gesundheitsministerium als Reaktion auf die Ebola Krise in Westafrika 2014/15 ins Leben gerufen wurde. In dem Team kooperieren das Robert-Koch-Institut (RKI), das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Für Deutschland habe die Ausrufung des Notstandes zunächst keine direkten Folgen, sagte eine Sprecherin des RKI gegenüber dem Tagesspiegel. Deutschland erfülle bereits alle WHO-Vorgaben. Für den Ernstfall sei man unter anderem mit mehreren Sonderisolierstationen gewappnet. Weder das RKI noch das BNITM planten derzeit, Fachpersonal in den Kongo zu entsenden. Eine direkte Anfrage der WHO habe es noch nicht gegeben.
Das Entwicklungsministerium hat bisher 120 Millionen Euro für Hilfsmaßnahmen bereitgestellt. Damit sollen auch Stabilität und sozialer Zusammenhalt in den von Gewalt und Mangel geprägten Gemeinden gefördert werden. Ab Oktober 2019 würden nochmals 50 Millionen Euro für mehrjährige Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt.
Ob die Ebola-Epidemie nun bald ein Ende haben wird, sei schwer abzuschätzen, meint Ronald Kremer. Bislang sähen seine Kollegen vor Ort noch zehn bis 20 neue Fälle pro Tag, ein erheblicher Teil würde aber schon vorher sterben, ohne je medizinische Hilfe aufgesucht zu haben. Zumindest hoffe Kremer, dass das Virus sich nicht auch in den Nachbarländern weiter verbreite. Bislang habe es dort nur Einzelfälle gegeben. „Ich drücke beide Daumen, dass es bei dem einen Fall in Goma bleibt.“