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Streit ums Wasser. Staaten wie Indien oder China bauen riesige Staudämme, um Wasser im Land zu halten. Das löst immer wieder Konflikte aus, auch wegen der damit verbundenen Umsiedlungen. Hier Proteste gegen den Dammbau im indischen Omkareshwar. 
© picture alliance / dpa

Der Wasserforscher Brahma Chellaney: Wasser, wertvoller als Gold

Sauberes Wasser ist auf der Erde immer knapper. Wie es zur politischen Waffe werden könnte, erforscht der Inder Brahma Chellaney. Derzeit ist er in Berlin.

Auf dem Couchtisch stehen zwei Flaschen stilles Wasser, jeweils 250 Milliliter. Nicht weiter erwähnenswert? Doch, durchaus. „Das Symbol der Globalisierung“ – so wird Brahma Chellaney sie im Laufe des Gesprächs bezeichnen. „Man sieht sie mittlerweile auf der ganzen Welt.“ Dann spricht er über westliche Verbraucher, die ihren Wasserleitungen nicht mehr vertrauen, über Plastikmüll in den Meeren und die vorbildliche deutsche Recyclingkultur, an der sich andere Länder ein Beispiel nehmen sollten. Kein Zweifel: Der Wissenschaftler aus Neu-Delhi, der derzeit Fellow der Robert Bosch Academy in Berlin ist, hätte auch mit Leitungswasser vorliebgenommen.

Chellaney ist nicht nur ein ausgewiesener Experte für alle Arten von Wasserproblematik, sondern verblüfft mit immensem politischem, historischem und naturwissenschaftlichem Detailwissen. Viele Jahre lang hat der 57-Jährige in den USA geforscht und gelehrt; heute ist er Professor am Centre for Policy Research, einem Forschungszentrum in Indiens Hauptstadt. Er hat viel beachtete Sachbücher zum Thema Wasser geschrieben, zuletzt „Water, Peace, and War: Confronting the Global Water Crisis“ (2015) und „Water: Asia’s New Battleground“ (2013). Eine seiner Kernthesen: „Die Kriege der letzten Jahrhunderte wurden um Land ausgefochten. Die Kriege der Gegenwart drehen sich um Energie. Bei den Kriegen der Zukunft könnte der Kampf um Wasser im Vordergrund stehen.“

Keine Frage: Sauberes Wasser wird in vielen Regionen knapper. Aber finden sich Beweise für die Kriegsthese? Vor allem in Nordafrika, im Nahen Osten und in großen Teilen Asiens ist die Lage ernst. Geschätzte 3,5 bis 4 Milliarden Menschen weltweit leiden zumindest zeitweise unter schwerem Wassermangel. Viele davon leben in China und Indien. „Asien ist heute gemessen am Pro-Kopf-Verhältnis der wasserärmste Kontinent der Welt“, sagt Chellaney. Und das, obwohl dort etliche der größten und längsten Flüsse der Erde fließen.

Der Wasserverbrauch explodiert

Aber Bevölkerungsanstieg und Wirtschaftswachstum haben den Wasserverbrauch explodieren lassen. „Die Menschen sind reicher und konsumorientierter geworden. Sie trinken zwar nicht mehr Wasser, aber sie kaufen Produkte, für deren Herstellung viel Wasser benötigt wird.“

Kleidung, Autos, Fernseher, Computer – nichts kann heute ohne Wasser hergestellt werden, es erscheint wertvoller als Gold. Geostrategisch im Vorteil sind also jene, die buchstäblich an der Quelle sitzen. Flussaufwärts gelegene Länder haben einen großen Vorteil gegenüber flussabwärts gelegenen Ländern. Sie können, wie China, gigantische Staudämme bauen, um die wertvolle Ressource im eigenen Land zu halten. Die Staaten flussabwärts geraten so schnell in politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Solche Konflikte könne man durchaus als stille „Wasserkriege“ bezeichnen, meint Chellaney. Auch wenn keine Armeen aufmarschieren und keine Bomben fallen.

Wasser ist, einmal aufgestaut, ein sehr effektives Druckmittel. Man kann ebenso mit Dürren drohen wie mit Überschwemmungen. Chellaney verweist auf einen Geheimdienstreport, der vor drei Jahren im Auftrag des US-Außenministeriums erstellt wurde. Die amerikanischen Nachrichtendienste kamen zu dem Schluss, dass es in den kommenden zehn Jahren vermutlich keine direkten kriegerischen Auseinandersetzungen um Wasser geben wird. Allerdings werde „die Verwendung von Wasser als Waffe oder als Ziel terroristischer Angriffe wahrscheinlicher“. So hatte der IS im Irak nicht ohne Grund die Gebiete um Euphrat und Tigris unter seine Kontrolle gebracht.

Die Gewässer-Konvention der UN ist kein Erfolg

Gegen mögliche terroristische Angriffe auf Wasserziele lassen sich nur begrenzt Vorkehrungen treffen. Drohende Streitereien zwischen zwei Staaten dagegen können mit Gesetzen und Verträgen entschärft werden. Die Gewässer-Konvention der UN, 1997 auf den Weg gebracht, ist ein solcher Vorstoß. Darin werden keine konkreten Maßnahmen festgelegt, nur allgemein friedliche Absichten bei grenzüberschreitenden Wasserläufen festgehalten. Doch selbst diese Formulierungen gehen vielen Staaten offenbar zu weit. Erst 2014 konnte die UN-Konvention in Kraft treten. So lange hat es gedauert, bis die erforderliche Mindestanzahl von 36 Staaten sie ratifiziert hatte. Ein politischer Erfolg ist sie trotzdem nicht geworden. „Bis heute hat kein wichtiges flussaufwärts liegendes Land unterschrieben“, sagt Chellaney. Weder die USA noch die Türkei, Indien oder China.

Chellaney glaubt nicht, dass sich daran in den kommenden Jahren etwas ändern wird. Je offensichtlicher die Wasserknappheit in bestimmten Regionen wird, je größer der Verbrauch von Landwirtschaft und Industrie, desto unwahrscheinlicher werden internationale oder bilaterale Abkommen. Die letzten Verträge dieser Art wurden vor Jahrzehnten unterschrieben, zum Beispiel 1944 zwischen den USA und Mexiko oder 1960 zwischen Indien und Pakistan. „Im 21. Jahrhundert ist noch kein wichtiges Wasserverteilungsabkommen zwischen zwei Staaten geschlossen worden“, sagt Chellaney.

Weil auf die Solidarität der Nachbarländer nicht gebaut werden kann, suchen Industrie und Wissenschaft längst nach neuen Wegen. Eins scheint klar: Import und Export werden das Problem nicht lösen. „Wasser ist schwer, schwerer als Öl“, sagt Chellaney. „Der Transport – zum Beispiel mit Schiffen – ist unerschwinglich teuer.“ Auch Pipelines sind keine Option. Sie müssten mit riesigen Antriebspumpen ausgestattet werden. Das ist bislang ebenfalls nicht wirtschaftlich.

Meere anzapfen - Chellaney kommt ins Schwärmen

Chellaney fordert, dass die Politik über andere Strategien nachdenkt, um die Wasserversorgung der kommenden Generationen sicherzustellen. Mögliche Maßnahmen sind: das Bewusstsein in der Bevölkerung erhöhen, die Wasserverschwendung in Landwirtschaft und Industrie reduzieren, das Recycling von Schmutzwasser verbessern. Bisher wenig genutzte Verfahren könnten ausgebaut werden: „Würden wir nur fünf bis zehn Prozent des Regenwassers auffangen, könnten wir damit die Verfügbarkeit von Süßwasser um 20 bis 25 Prozent steigern.“

Geradezu euphorisch wird Challaney allerdings bei einer anderen Zukunftsvision. „Alle unsere Probleme wären gelöst, wenn wir die Meere anzapfen würden!“ Denn die Salzwasservorräte der Erde sind schier unerschöpflich. Von den 1,42 Milliarden Kubikkilometer Wasser, die sich auf der Erde befinden, sind 97 Prozent salzhaltig. „Derzeit sind die Süßwasservorkommen der Welt unter großem Druck. Grundwasserspiegel sinken, Moore vertrocknen, Seen schrumpfen.“ Wenn die Menschheit für ihren täglichen Bedarf auf Meerwasser zurückgreifen könnte, würde das das angegriffene Ökosystem entlasten, meint Challanay.

Noch ist die Entsalzung von Meerwasser aufwendig und energieintensiv. „Das ist bislang kein umweltfreundliches Verfahren“, sagt Chellaney. Trotzdem ist er zuversichtlich, dass die Forschung in den kommenden Jahren weitere Fortschritte macht, etwa in Richtung solarbetriebener Entsalzung. Sollte das eines Tages möglich werden, dann könnten sich auch die globalen Machtverhältnisse schlagartig ändern. „Im Vorteil wären nicht mehr Länder, die flussaufwärts liegen, sondern die mit Meeresküsten.“

Auch wenn das ökonomische und ökologische Zukunftsmusik ist: Chellaney begeistert sich sichtlich für die Möglichkeiten der massenhaften Meerwasserentsalzung. Sein Buch, an dem er bis November in Berlin arbeitet, aber ist dem Wasser und der Globalisierung gewidmet. Die allgegenwärtigen Wasserfläschchen werden darin sicher eine Rolle spielen.

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