Geflüchtete Akademiker: Was ein Bachelor aus Syrien wert ist
Die Bundesagentur für Arbeit hat 1.500 Geflüchtete mit Uniabschluss zur Wissenschafts-Messe in Berlin eingeladen. Sie kamen mit großen Hoffnungen.
„Ich mache Bodenanalysen auf Metallbelastungen“, sagt Rolah Al Mtoale. „Ich möchte wieder in diesem Feld arbeiten.“ Die 38-jährige Agraringenieurin aus Syrien, die in einem Gartenbaubetrieb gearbeitet hat, ist mit festen Vorstellungen zum „Tag der Wissenschaft“ ins ehemalige Kosmos-Kino an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain gekommen. Auf der von der Bundesagentur für Arbeit organisierten Messe für geflüchtete Akademiker will Al Mtoale Kontakt zum Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren bei Berlin und in Erfurt aufnehmen. Dessen Profil hält sie als Ausdruck in der Hand, Wort für Wort hat sie es sich ins Arabische übersetzt.
Wie Rolah Al Mtoale sind am Donnerstag etwa 1500 Frauen und Männer vor allem aus Syrien, aber auch aus Ländern wie dem Irak und Eritrea der Einladung ihrer Jobcenter aus ganz Deutschland gefolgt. Viele kamen mit der Bahn, andere, wie Al Mtoale, die mit ihrer Familie bei Düsseldorf lebt, wurden eingeflogen. Im Veranstaltungszentrum Kosmos erwarten sie 37 Messestände von Wissenschaftsorganisationen, vieler Institute aus den Natur- und Technikwissenschaften und einiger Unis und Fachhochschulen.
"Meine Kollegen hier sind auch hochgebildet"
Große Erwartungen und Hoffnungen hegen Menschen in der langen Schlange, die sich vor dem Eingang bildet. Bashar Zaito, ein 28-jähriger Pharmazeut aus Damaskus, der heute in Neuss wohnt, ist im schwarzen Anzug und weißen Hemd gekommen. Seine Zeugnisse hat er in einem Aktenköfferchen dabei – bereit für Bewerbungsgespräche. Er deutet auf die kleine Gruppe, die mit ihm wartet: „Meine Kollegen hier sind auch hochgebildet, er ist ebenfalls Apotheker, er ist Informatiker, sie auch, diese beiden sind Ärzte.“
Großes Potenzial - aber gibt es passende Stellen?
„Es gibt ein Potenzial“, sagt Bernd Becking, Leiter der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur. „Wir haben einen Anspruch, dass sie bei uns ein Angebot bekommen, das ihrem akademischen Abschluss entspricht.“ Zehn bis 15 Prozent der 370 000 gemeldeten Arbeitssuchenden aus dem Kreis der Neuankömmlinge sind Akademiker, viele davon mit Berufserfahrung.
Aber wie passgenau sind die Angebote, die Institute und Hochschulen den Jobsuchenden bei der Berliner Messe machen können? Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg gehört zu den wenigen, die vorab konkrete Stellen beschrieben haben. Neben Bewerbern für wissenschaftliche Stellen sind etwa Tierpfleger, Kräfte für die Spülküche oder Fachinformatiker gesucht. Bei der Messe sagt Celina Cziepluch, Leiterin der Aus- und Weiterbildung, zu einer Gruppe von Ärzten: „Sie sind alle so gut qualifiziert, ich wundere mich, dass Sie noch nicht eine Aufgabe in Deutschland gefunden haben." Interessenten für die Bereiche, die die Forschung unterstützen, aber melden sich zunächst nicht.
Auf dem Weg ins Praktikum am DKFZ
Einige Tage nach der Messe teilt Cziepluch mit, das DKFZ sei "dabei, Personen, die wir in Berlin kennen gelernt haben, in Praktika am DKFZ aufzunehmen". Zuvor habe das Zentrum bereits einen dualen Hochschüler aus Syrien eingestellt.
Die Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das DKFZ gehört, hat Ende 2015 gemeinsam mit der Bundesagentur ein Programm für 300 Menschen gestartet – von Wissenschaftlern, die ein oder zwei Jahre in Projekten mitforschen bis zu Auszubildenden in Verwaltung und IT.
Sie denkt, sie findet eine Arbeit - und darf nur eine E-Mail schicken
Agraringenieurin Rolah Al Mtoale hat sich schließlich bis zum Stand ihres Traum-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau durchgekämpft – und wird enttäuscht. „Zu Hause habe ich gedacht, ich finde heute eine Arbeit. Bekommen habe ich nur eine E-Mail-Adresse, an die ich meinen Lebenslauf und mein Diplom schicken kann.“ Sie rechne sich keine Chancen aus, sagt Al Mtoale.
Ein Forschungsinstitut kann mit einem Bachelor wenig anfangen
Marina Korn, wissenschaftliche Koordinatorin an dem Institut, bedauert, dass sie in diesem und etlichen anderen Fällen nicht helfen kann. Wie Al Mtoale kämen viele auf Bachelor-Niveau. „Das ist schwierig, weil wir ein Forschungsinstitut sind“, sagt Korn. Den Jüngeren rate sie, zunächst einen Master zu machen. Es hätten sie aber auch einige geflüchtete Professoren angesprochen, sie haben Aussicht auf ein Forschungspraktikum. Mittel dafür können Projektleiter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beantragen.
Dass bei der Messe wohl nur wenige Arbeitsverhältnisse konkret angebahnt werden, sei vorauszusehen gewesen, sagt Bernd Becking von der Arbeitsagentur: „Für viele ist das der erste Kontakt mit wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland – und der erste Schritt, um auszuloten, wie sich sich noch weiterqualifizieren müssen.“
Anmerkung der Redaktion: Im Abschnitt zum Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) wurde nachträglich ein zuvor verkürztes Zitat der Mitarbeiterin in voller Länge ergänzt - sowie eine Aussage zum Erfolg der Messe.