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Schülerinnen sitzen in einem Klassenraum und melden sich.
© Felix Kästle/dpa

Pisa-Studie 2019: Was die deutsche Wirtschaft durch mittelmäßige schulische Leistungen verliert

Die Prognosen für das deutsche Abschneiden bei Pisa sind nicht gut. Jetzt warnt das Ifo-Institut vor wirtschaftlichen Einbußen, wenn der Aufstieg ausbleibt.

Einen Tag vor der Veröffentlichung der neuen Pisa-Studie warnt das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung vor Verlusten für die deutsche Wirtschaftskraft. Wenn sich die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler um 25 Pisa-Punkte verbessern würden, könnte die deutsche Wirtschaftskraft langfristig um 7,3 Prozent steigen, erklärte der Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik. Doch während andere Länder wie Polen und Portugal eine solche Steigerung in jüngerer Zeit durch Bildungsreformen erreicht haben, scheine in Deutschland "dieses Engagement erlahmt zu sein".

Im Auftrag der Europäischen Kommission hat Wößmann gemeinsam mit seinem Kollegen Eric Hanushek von der Universität Stanford/USA "die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bei verbesserten Bildungsleistungen mit dem Status quo über den Rest des Jahrhunderts" verglichen, teilt das Ifo-Institut mit. Dabei gingen sie von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus, die einen engen Zusammenhang zwischen Bildungsleistungen und Wirtschaftswachstum belegen. Im Kern rechnen Wößmann und Hanushek Pisa-Punkte in Wirtschaftskraft um.

Gelänge es Deutschland, die Schülerleistungen um 25 Pisa-Punkte zu verbessern, könnten die Erträge der deutschen Wirtschaft bis zum Jahr 2100 um 14 Billionen Euro steigen - das wäre im EU-Vergleich die größte Steigerung. Auf Großbritannien würden 9,7, auf Frankreich 9,5, auf Italien 7,6 und auf Österreich 1,5 Billionen Euro entfallen, heißt es.

Deutschland schaffte nicht den Sprung an die Spitze

Hintergrund von Wößmanns Warnung, dass gerade Deutschland diese Marge nicht erreichen könnte, ist das deutsche Abschneiden bei der internationalen Schülerleistungs-Studie. Zwar ist es nach dem Pisa-Schock von 2001 gelungen, deutlich aufzuholen. Deutschland schaffte es bis zur fünften Pisa-Studie von 2012, vom unteren ins obere Mittelfeld der Teilnehmerstaaten aufzusteigen. Doch in der 2016 veröffentlichten sechsten Studie diagnostizierten die Bildungsforscher eine Stagnation in allen drei Testbereichen.

Die hierzulande getesteten 15-Jährigen Schülerinnen und Schüler erreichten damals im Schnitt 509 Pisa-Punkte in den Naturwissenschaften und im Lesen, in Mathematik waren es 506 Punkte. Der OECD-Schnitt lag bei 493 Punkten im Lesen und in Naturwissenschaft sowie 490 Punkten in Mathematik. Wie weit Deutschland von der internationalen Spitze entfernt ist, zeigen die Ergebnisse des Spitzenreiters Singapur: Dort erzielten die 15-Jährigen im Schnitt 556 Punkte in Naturwissenschaft, 535 im Lesen und 564 in Mathematik. 30 Pisa-Punkte entsprechen ungefähr einem Lernjahr.

"Wenn wir es nicht schaffen, mit unserem Bildungssystem in die internationale Spitze vorzurücken, gefährden wir den Wohlstand unserer Kinder", erklärt Wößmann. Das zwischenzeitliche Aufholen bei den Schülerleistungen reicht demnach bei weitem nicht aus zum Sprung an die Spitze. Deutschland stagniert - "aber der Rest der Welt schläft nicht", warnt Wößmann.

Ifo-Forscher kritisiert Bildungsprogramme

Die Prognosen der Bildungsökonomen würden auch die "Dynamik von Bildungsreformen" berücksichtigen, heißt es. Bis neue Programme in den Schulen implementiert sind und bis sie sich dann in den Leistungen der Jugendlichen niederschlagen, vergehe jeweils eine gewisse Zeit. Und erst wenn neue, hochqualifizierte Arbeitskräfte in signifikanter Zahl auf dem Arbeitsmarkt und in die Unternehmen kommen, könne die Wirtschaft wirklich profitieren.

In Deutschland ist noch in diesem Jahr ein Programm aufgelegt worden, das ausdrücklich zu besseren Ergebnissen bei nationalen und internationalen Bildungsstudien führen sollen: Das Programm "Schule macht stark" für Schulen in sozialen Brennpunkten. Es ergänzt ein 2018 aufgelegtes Förderprogramm für besonders leistungsstarke Schüler - "Leistung macht Schule".

Genau solche "Politikszenatien, welche die Leistungen speziell am unteren oder oberen Ende des Spektrums verbessern", sieht Wößmann skeptisch. Sie böten "einen deutlich geringeren wirtschaftlichen Ertrag als Verbesserungen, die das gesamte Leistungsspektrum erreichen".

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