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Spritzige Sonne. Magnetfelder verursachen Millionen Grad heiße Spikulen.
© Nasa Iris

Astronomie: Warum die Sonne ins All spuckt

Den Fransen eines Flokati-Teppichs gleich ragen Plasmastrahlen der Sonne kilometerweit ins All. Jetzt kennen Forscher die Ursache der „Spikulen“.

Tausende von Plasmastrahlen schießen Tag für Tag mit Geschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Sekunde aus der Oberfläche der Sonne heraus. Ein Forscherteam aus den USA und Norwegen hat jetzt mit Hilfe von Computermodellen eine Erklärung für diese „Spikulen“ gefunden. Demnach entstehen die gebündelten Plasmaströme durch eine komplexe Wechselwirkung der lokalen Magnetfelder mit der ionisierten Materie nahe der Sonnenoberfläche, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

1877 entdeckt, seitdem ein Rätsel

„Die Entstehung der Spikulen war bislang ein Rätsel“, schreiben Juan Martínez-Sykora vom Bay Area Environmental Research Institute in Kalifornien und seine Kollegen. Das Phänomen sei jedoch für die Sonnenforschung von großer Bedeutung: „Vermutlich spielen Spikulen nicht nur eine wichtige Rolle beim Aufheizen der Sonnenkorona auf mehrere Millionen Grad, sondern auch bei der Entstehung des Sonnenwinds.“ Entdeckt wurden die Spikulen erstmals bei einer totalen Sonnenfinsternis im Jahr 1877. Lange Zeit sahen die Sonnenforscher in den aufschießenden, heißen Plasmastrahlen eine Art Spritzer oder Gischt der darunter wogenden Sonnenoberfläche.

Spektroskopische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Temperatur des Plasmas in den Spikulen mehrere Millionen Grad beträgt, während die Temperatur an der Sonnenoberfläche lediglich bei etwa 5500 Grad Celsius liegt. Damit musste ein komplexer Prozesse unter Beteiligung der solaren Magnetfelder für die Entstehung der Spikulen verantwortlich sein – die Details blieben jedoch unklar.

Magnetfeld der Sonne verursacht die Spikulen

Martinez-Sykora und seinen Kollegen gelang es jetzt, mehrdimensionale magnetohydrodynamische Computermodelle der Photosphäre, der obersten Schicht der Sonne, zu erstellen. In der Simulation entstehen spontan Spikulen, deren physikalische Eigenschaften mit denen der beobachteten solaren Plasmajets übereinstimmen. Offenbar entwickeln sich die Spikulen in einem komplexen, mehrstufigen Prozess: Zunächst stört aufsteigendes heißes Plasma die lokale Struktur des Magnetfelds. Regionen mit höherer magnetischer Spannung steigen dann aus der Photosphäre in die darüberliegende Chromosphäre auf. Dort entlädt sich abrupt die magnetische Spannung und lässt den Plasmastrahl gebündelt und stark aufgeheizt nach oben schießen.

Die Simulationen zeigen außerdem, wie sich das Plasma der Spikulen ausbreitet und so zur Aufheizung der Sonnenkorona beiträgt. Darüberhinaus erzeugen die Spikulen Alfvénwellen – Schwingungen, die sich im ionisierten Gas der Korona ausbreiten, die Korona erhitzen und sogar den Sonnenwind antreiben.

Rainer Kayser

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