Energiewende: Vorfahrt für Ökostrom abschaffen
Zu wenig Speicher, Stromleitungen und eine ungerechte Finanzierung - die Energiewende wird zum Risiko. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss dringend reformiert werden, fordert unser Gastautor.
Seit 15 Jahren arbeitet Deutschland an einer Energiewende. Zunächst basierend auf dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000, gefolgt vom raschen Ausstieg aus der Kernenergie. Die Bilanz bisher ist durchwachsen. Mit gewaltigen Subventionen wurden Wind-und Solarkraftwerke aufgebaut, aber die gesicherte, also zu jeder Zeit verfügbare Leistung aus diesen Anlagen ist laut Bundesnetzagentur sehr gering: Für den Solarstrom liegt sie in der Nacht bei null und für Windkraftwerke bei einem Prozent der installierten Leistung. Ihre volle Leistung erreichen Fotovoltaik-Anlagen an 2,4 Stunden am Tag und Windkraftanlagen an 4,1 Stunden am Tag. In der übrigen Zeit sind wir angewiesen auf Kohle- und Gaskraftwerke und die Reste der demnächst stillzulegenden Kernkraftwerke.
Bürgerinitiativen kämpfen gegen neue Pumpspeicher
Für den Transport des vorwiegend an der Küste anfallenden Windstroms zu den Industriebetrieben im Süden fehlen ausreichende Hochspannungsleitungen. Auch fehlen genügend große Speicher für den Strom aus Sonne und Wind. Die einzige effiziente Möglichkeit derzeit sind Pumpspeicher in den Mittelgebirgen. Deren Kapazität von insgesamt 40 Milliarden Kilowattstunden reicht nur aus, um ein Vierzigstel des durchschnittlichen Tagesbedarfs an elektrischer Energie in Deutschland zu speichern. Der Neubau von Pumpspeicherkraftwerken wird von Bürgerinitiativen bekämpft, sodass die Landesregierungen weitere Pläne ruhen lassen.
Als einzige alternative Speichermöglichkeit für die riesigen Mengen an elektrischer Energie wird die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, die Elektrolyse, betrachtet. Im nächsten Schritt wird Wasserstoff zu Methan umgewandelt und in das Gasnetz eingespeist. Es ist ein verlustreicher Weg, denn bei der Verbrennung des Methans in Gaskraftwerken kann nur ein Drittel der ursprünglichen Energie wiedergewonnen werden. Zum dreifachen Preis des Windstroms. Auch erfordert die Elektrolyse einen stetigen Gleichstrom, den der Strom aus Wind und Sonne nicht bietet. Deshalb werden die Reaktionszellen schnell unbrauchbar. Es gibt also noch keine Möglichkeit, große Mengen elektrischer Energie zu speichern.
Kohlekraftwerke verschleißen schneller
Eine sichere Stromversorgung für die im 24-Stunden-Rhythmus arbeitende Industrie ist auch zukünftig auf Kohlekraftwerke angewiesen. Allerdings räumt das EEG dem Strom aus Wind und Sonne absolute Priorität ein. Deshalb müssen die Kohlekraftwerke herunterfahren, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, und bei Bedarf wieder hochfahren. Das beansprucht die Anlagen so sehr, dass sie achtmal schneller verschleißen als im stetigen Betrieb. Das ist für viele Unternehmen nicht mehr kostendeckend, sodass sie mehr als 50 Kohlekraftwerke stilllegen wollen. Weil diese Kraftwerke aber für die Sicherheit der Versorgung gebraucht werden, verbietet die Bundesnetzagentur die Stilllegung, muss die Betreiber aber entschädigen – auf Kosten der Verbraucher.
Die kommen bereits für die Subventionierung der erneuerbaren Energien auf. Allein im Jahr 2014 waren es mehr als 20 Milliarden Euro. Viele Unternehmen wurden von der EEG-Umlage befreit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die übrigen Verbraucher trifft es umso härter mit einer Umlage von zurzeit bereits 6,24 Cent pro kWh. Das ist unsozial: Während die Hausbesitzer mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach zehnprozentige Renditen über 20 Jahre erzielen, zahlen die Mieter erhöhte Strompreise.
Betreiber sollen Ökostrom selbst vermarkten
Es ist an der Zeit, das EEG grundlegend zu reformieren. Für zukünftige Solaranlagen und Windkraftwerke muss die privilegierte Einspeisung ins Stromnetz aufgehoben werden. Die Betreiber müssen den Strom aus ihren Anlagen selbst speichern und an der Strombörse vermarkten. Für PV-Dachanlagen genügt ein Speicher im Keller, der den mittags erzeugten Strom für den abendlichen Bedarf speichert und das Haus weitgehend zum dezentralen Selbstversorger macht.
Dringend muss der Bau von Stromtrassen vorangetrieben werden, um die Energieversorgung im Süden zu sichern. Weiterhin sollten die vorhandenen Speicher in den Stauseen Österreichs, der Schweiz und in Norwegen genutzt werden. Schließlich müssen wir das europäische Verbundnetz ausbauen, um im Inland entstehende Defizite und Überschüsse auszugleichen.
So wird der Anstieg der Strompreise gebremst und die Verteilernetze werden stabilisiert, was wiederum einen Blackout unwahrscheinlicher macht.
Der Autor ist emeritierter Professor für Physik und war Klimabeauftragter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Aktuell ist von ihm erschienen: „Risiko Energiewende – Wege aus der Sackgasse“. 266 Seiten, Springer-Spektrum-Verlag, 19,99 Euro.
Konrad Kleinknecht